5 Top-Skills, die Investor:innen heute brauchen
Startup-Pleiten, geplatzte Finanzierungsrunden, verbranntes Kapital, ungenutztes Potenzial: Der Umbruch im Startup-Markt führt dazu, dass das Geld bei Investor:innen nicht mehr so locker sitzt wie zuvor. Auf welche Fähigkeiten kommt es heute an, um den richtigen Businesscase zu finden, den großen Deal zu landen und dem Startup zum langfristigen Erfolg zu verhelfen? Ein Gastbeitrag von Marcus Behrendt.
Heute ist es wichtiger als je zuvor, Geschäftsmodelle von Startups auf Herz und Nieren zu prüfen. Gute Investor:innen bringen dabei viel mehr mit als nur Zugang zu Wachstumskapital. Gute Investor:innen sind oft ehemalige Industrieexpert:innen oder haben zuvor selbst in dem spezifischen Investment-Bereich erfolgreich gegründet.
Daher liegt der wahre Mehrwert von guten Investor:innen vor allem darin, Management Skills und Weitsicht mitzubringen. Sie sollten dem Startup helfen, sich richtig auszurichten und über Netzwerke die richtigen Kontakte zu knüpfen – sei es Zugang zu Kund:innen, Expertise zum Product-Market-Fit, oder Kontakt zu weiteren Investor:innen für die nächsten Investitionsrunden. Diese Vorteile kann keine Bank mit einem Kredit bringen. Wirklich gute Investor:innen sollten sich mitverantwortlich für die Zukunft des Unternehmens fühlen, und dem Unternehmen sowohl strategisch als auch inhaltlich als Expert:innen mit tiefen Taschen zur Seite stehen. Mit gebündelten Kräften werden Ziele schneller erreicht: ein Vorteil für Gründer:innen sowie Investor:innen.
Es kommt außerdem darauf an, die Gründer:innen mehr an die Hand zu nehmen: Denn auch die beste Idee kann an mangelndem Leadership innerhalb des Startups oder aufgrund von unzureichenden Netzwerken scheitern.
Skill 1: Die Nähe zu Fachexpert:innen & dem Netzwerk.
Es liegt in der Natur der Dinge, dass Investor:innen das Marktgeschehen beobachten. Einen richtigen Mehrwert bringt die Nähe zu Fachexpert:innen, die die Technologie oder Lösung des Startups auch benutzen oder in Zukunft nutzen werden. Ein im Suchfeld spezialisiertes Netzwerk kann helfen, den Business Case noch besser einzuschätzen. Ebenso kann das Netzwerk Türen für Gründer:innen öffnen, um das Geschäft schneller zu skalieren, Produkte in der Realität zu testen und auf das nächste Level zu heben.
Skill 2: Fokus.
Viele Fonds haben einen spezifischen Fokus, doch noch lange nicht alle. Es lohnt sich, das Suchfeld so weit wie möglich einzugrenzen und mit einem Purpose zu verbinden. Was ist das Ziel der Investments? Darüber hinaus gilt es auch, den Fokus auf die Menschen zu setzen, mit denen man zusammenarbeiten möchte. Wenn die Chemie nicht stimmt, kann es langfristig zu Herausforderungen kommen, die den Erfolg des Unternehmens gefährden.
Skill 3: Nein sagen.
Taucht man tiefer in einen Business Case ein und lernt die Gründer:innen besser kennen, klingen viele Deals vielversprechend – kein Wunder, denn Gründer:innen legen ihr ganzes Herz, Zeit und Energie in ihr Startup. Eine Option auszuschließen und Nein zu sagen, ist mit die sowohl schwerste als auch wichtigste Fähigkeit. Klare und offene Kommunikation ist essenziell. Eine Absage ist nicht allgemeingültig und immer aus der Perspektive des Fonds zu sehen. Andere Personen oder Fonds haben oft eine andere Sichtweise und entscheiden anders. Das Buch “The Venture Mindset” von Ilya Strebulaev und Alex Dang bringt diesen Aspekt sehr gut auf den Punkt.
Skill 4: Langfristig denken.
Auch wenn eine Technologie auf den ersten Blick oder im Hier und Jetzt disruptiv erscheinen mag – so lohnt es sich, innezuhalten und zu überlegen, wie sich die Welt weiterdreht. Wie schaut die Prognose für eine Technologie in den nächsten fünf, zehn oder auch zwanzig Jahren aus? In der Due Diligence ist es ratsam, über den Tellerrand hinauszuschauen und das Produkt und dessen Weiterentwicklung mitzudenken. Wo lässt sich eine Lösung oder ein Produkt skalieren? Wo gibt es weitere Anwendungsfelder, die die Gründer:innen bislang nicht betrachtet haben?
Skill 5: Der richtige Riecher
Klingt banal, ist aber vor allem eine Kompetenz, die sich mit den Jahren und den gesammelten Erfahrungen entwickelt. Dafür ist auch eine kontinuierliche Bereitschaft zum Lernen wichtig. Im Englischen wird neuerdings gerne von “the prepared mind” gesprochen. Laut diesem Konzept ist es lohnenswert, sich im Vorfeld konzeptionell mit verschiedenen Themen und Möglichkeiten auseinanderzusetzen. Diese Vorbereitung hilft zu reagieren, wenn plötzlich eine Situation auftritt, in der eine (kurzfristige) Entscheidung nötig ist. Außerdem ist es wichtig, auf Erfahrungswerte zurückzugreifen: Welche Investments sind gescheitert und aus welchen Gründen? Was gilt es beim nächsten Mal besser zu machen? Gepaart mit Intuition und der Nähe zu den Gründer:innen kann dies erfolgsentscheidend sein.
Fazit: Mensch und Fakten sehen
Als Investor:in tätig zu sein kann erfüllend sein – man ist schließlich besonders nah an neuen Technologien, die unsere Zukunft maßgeblich beeinflussen können. Das englische Wort Venture Capital kommt von “ventures”, also “Unternehmen” – und Unternehmungen. Jede:r Gründer:in und Unternehmer:in muss eine ordentliche Portion Mut, Wagnis, Entdeckergeist und Risikoaffinität mit sich bringen. Doch das Wort “venture” birgt auch “adventure”, also das Abenteuer. Wie jedes Abenteuer sind Investments nicht nur für Gründer:innen, sondern auch für Investor:innen immer mit Risiko verbunden. Es geht darum, dieses Risiko professionell zu managen. Erfolgreiche Technologien und Prozesse lassen sich identifizieren. Wenn gute Investor:innen diese fördern, wird am Ende unsere Gesellschaft und unsere Welt vorangebracht. Jede Partei sollte sich dabei auf ihren Anteil fokussieren. Die Gründer:innen fokussieren sich auf ihre Idee und deren Umsetzung. Die Investor:innen fokussieren sich auf das Fördern guter und neuer Ideen. Und die etablierten Unternehmen fokussieren sich auf die Zusammenarbeit und Nutzung dieser neuen Ideen und Produkte in einem sportlichen und fairen Wettbewerb.
Über den Autor
Marcus Behrendt ist Managing Partner von BMW i Ventures.
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