“Die Marktnachfrage entwickelte sich oft anders als erwartet”
rooom aus Jena, 2016 von Hans Elstner gegründet, bietet Softwarelösungen “für das Erstellen von 3D-Inhalten und digitalen Erlebnissen in Augmented und Virtual Reality” an. Der Münchner Wachstumsfinanzierer Marondo Capital sowie Altinvestoren wie Technologiegründerfonds Sachsen (TGFS) und bm-t Beteiligungsmanagement Thüringen investierten zuletzt 17 Millionen Euro in das Unternehmen.
“Unsere Kapitalbeschaffung trotz schwieriger Marktbedingungen verdanken wir vor allem unserem starken Netzwerk. Wir haben aktiv an Veranstaltungen teilgenommen, die gezielt auf Investor:innen ausgerichtet waren. Dabei haben wir nicht nur potenzielle Geldgeber kennengelernt, sondern auch wertvolle Kontakte geknüpft. Aus meiner Sicht war ein entscheidender Faktor auch die kontinuierliche Pflege unserer bestehenden Beziehungen”, sagt Gründer Elstner.
Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der rooom-Macher außerdem über Dorfplätze, Kundenfeedback und populistische Anti-Immigrations-Haltungen.
Wie würdest Du Deiner Großmutter rooom erklären?
Nun, meine Oma wäre heute über 100 Jahre alt. Aber wenn ich könnte, dann würde ich es ihr etwa so erklären: Stell dir mal vor, du hast einen Marktstand auf dem Dorfplatz, wo jeder vorbeikommt und du deine besten Marmeladen und Strickwaren anbietest. Jetzt stell dir vor, du könntest diesen Laden überall eröffnen, wo du möchtest, sodass Menschen aus der ganzen Welt deine Marmeladen und Strickwaren sehen, kaufen und sogar darüber plaudern können – ohne dass du jemals deinen gemütlichen Sessel verlassen musst. Bei rooom machen wir genau das – wir ermöglichen Menschen, ihre Produkte und Dienstleistungen weltweit zu präsentieren. Und helfen ihnen so, sich und ihre Ideen auf eine ganz neue, spannende Weise zu zeigen. Sie können digitale Räume erschaffen, die fast so aussehen und wirken wie echte Räume. Man kann sich dort umsehen, als würde man wirklich durch einen Laden spazieren, sich direkt mit anderen austauschen und sich spielerisch über Produkte informieren – und das alles funktioniert auf jedem digitalen Gerät, sei es ein Handy oder ein Computer. Dank unserer Technologie ist es ein bisschen so, als würdest du jeden Tag deine Freunde zum Kaffeeklatsch einladen, aber eben über das Internet und in einer Art dreidimensionaler Umgebung, die fast so real ist wie dein Wohnzimmer!
War dies von Anfang an euer Konzept?
Unsere Reise begann mit der Gründung einer IT-Service-Agentur vor über 15 Jahren. In dieser Zeit lag unser Fokus auf der digitalen Transformation, und ich hatte das Privileg, namhafte Unternehmen in diesem Bereich zu beraten. Im Laufe meiner Tätigkeit entstand die Idee, ein Netzwerk für 3D-Technologie und deren Anwendungen zu schaffen, 2016 zunächst mit dem Ziel, private Nutzer anzusprechen. Jedoch zeigte sich schnell ein großer Bedarf seitens der Unternehmen, was uns dazu veranlasste, 2018 unseren Schwerpunkt auf den B2B-Bereich zu legen, was sich als erfolgreich erwiesen hat. Langfristig streben wir jedoch auch die Einbindung von Creatoren auf unserer Plattform an. Mit meinem Team habe ich dann eine Softwareplattform entwickelt, und unser Projekt nahm stetig Fahrt auf. Als es uns gelang, die ersten Investoren zu gewinnen, war für mich klar, dass die Zeit gekommen war, rooom ins Leben zu rufen.
Es herrscht weiter Krisenstimmung in der deutschen Startup-Szene. Was ist Deine Sicht auf die aktuelle Eiszeit?
In Bezug auf die aktuelle Situation in der deutschen Startup-Szene kann ich aus persönlicher Erfahrung sagen, dass wir vor Herausforderungen standen. Statt des erwarteten dreiviertel Jahr haben wir anderthalb Jahre gebraucht, um unsere Finanzierungsrunde abzuschließen. Die Stimmung ist allgemein etwas zögerlicher geworden. Von unserem Konzept waren zwar viele überzeugt und auch begeistert, jedoch sind Investor:innen vor allem zögerlich, wenn es um Unternehmen geht, die in der Wachstumsphase stecken. Es wird zunehmend wichtiger, einen klaren Weg zur Profitabilität zu haben, da Investoren angesichts der angespannten Wirtschaftslage darauf verstärkt achten. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass solide Produkte, Dienstleistungen und Startups, die solche anbieten, auch durch diese schwierige Zeit kommen können. Ich sehe auch einen Teil der Verantwortung in der Politik, das Startup-Ökosystem angemessen zu fördern und gute Rahmenbedingungen zu schaffen. Nur so können wir sicherstellen, dass die deutsche Startup-Szene weiterhin innovativ und wettbewerbsfähig bleibt.
Zuletzt konntet ihr 17 Millionen einsammeln. Wie seid ihr mit euren Investor:innen in Kontakt gekommen?
Unsere Kapitalbeschaffung trotz schwieriger Marktbedingungen verdanken wir vor allem unserem starken Netzwerk. Wir haben aktiv an Veranstaltungen teilgenommen, die gezielt auf Investor:innen ausgerichtet waren. Dabei haben wir nicht nur potenzielle Geldgeber kennengelernt, sondern auch wertvolle Kontakte geknüpft. Aus meiner Sicht war ein entscheidender Faktor auch die kontinuierliche Pflege unserer bestehenden Beziehungen. Wir haben uns bemüht, mit vielen Personen in Kontakt zu treten und Gespräche zu führen, um unser Netzwerk zu erweitern und potenzielle Investor:innen zu identifizieren. Dazu gehört es auch, beharrlich zu sein und nicht aufzugeben. Wir haben immer wieder neue Möglichkeiten ergriffen, das hat sich am Ende ausgezahlt.
Wie hat sich rooom seit der Gründung entwickelt?
Seit unserer Gründung hat sich unser Unternehmen deutlich weiterentwickelt und ist mittlerweile zu einem etablierten Akteur in der Branche geworden. Wir haben mittlerweile knapp 80 Mitarbeitende in unserem Team, die mit Leidenschaft und Engagement an der Weiterentwicklung unserer Plattform arbeiten. Diese Plattform hat bereits 45.000 registrierte Nutzer:innen. Darüber hinaus dürfen wir viele namhafte Kunden zu unseren Partnern zählen. Besonders erfreulich ist, dass ein Drittel der DAX-Konzerne auf unsere Lösungen zurückgreifen.
Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
In den vergangenen Jahren haben wir als Startup sicherlich einige Herausforderungen gemeistert, wie es für junge Unternehmen typisch ist. Dazu gehören beispielsweise Schwierigkeiten bei der Skalierung oder damit, die richtige Balance zwischen Agilität und Struktur zu finden. Oftmals mussten unsere Teams schnell auf veränderte Anforderungen reagieren, gleichzeitig war stets eine gewisse Struktur und Planung erforderlich, um langfristige Ziele zu erreichen und das Wachstum des Unternehmens zu unterstützen. Ein Problem war oft auch, dass sich die Marktnachfrage anders entwickelte als erwartet. Fehler und Irrtümer gehören mit dazu, im Leben wie beim Gründen. Heute bin ich froh um all die Erkenntnisse, die ich und wir damit gewinnen konnten. Wir haben daraus gelernt und sind besser geworden. Wichtig ist dabei, trotz allem positiv zu bleiben.
Und wo hat Ihr bisher alles richtig gemacht?
Ich denke mehr, als wir falsch gemacht haben. Wir haben die Stärken unseres Teams genutzt und immer den Mehrwert für unsere Kunden im Blick gehabt. Mit kontinuierlicher Marktbeobachtung und Kundenfeedback haben wir unsere Plattform ständig verbessert und an die Bedürfnisse unserer Nutzer:innen angepasst, bis heute. Das ist ein fortlaufender Prozess. Manchmal ist es aber auch ein bisschen richtiges Timing. Wir existierten bereits, als während der COVID-19-Pandemie Unternehmen verstärkt auf digitale Lösungen angewiesen waren. Zusätzlich zu unserer technologischen Expertise haben wir von Anfang an in den Aufbau eines starken Netzwerks investiert. Wir haben aktiv an Branchenveranstaltungen teilgenommen, Partnerschaften geschmiedet und uns um Feedback von Expert:innen und potenziellen Kunden bemüht. Dies hat uns wertvolle Einblicke und Unterstützung gebracht, die meiner Ansicht nach entscheidend für unseren Erfolg waren und immer noch sind. Wir investieren in unsere Community und das Investment lohnt sich.
Welchen generellen Tipp gibst Du anderen Gründer:innen mit auf den Weg?
Mein Rat an andere Gründer:innen ist, die Bedeutung eines starken Netzwerks nicht zu unterschätzen. Es ist wichtig, aktiv Beziehungen zu potenziellen Kund:innen, Investor:innen, Branchenexpert:innen und anderen Unternehmen aufzubauen und zu pflegen. Dabei sollten Gründer:innen flexibel und offen für Feedback sein, um ihr Produkt oder ihre Dienstleistung kontinuierlich zu verbessern und an die Bedürfnisse des Marktes anzupassen.
Euer Firmensitz in Jena. Ist das nun ein Vor- oder ein Nachteil?
Für uns ist der Standort unserer Firma in Jena ein echtes Geschenk! Ich bin persönlich sehr mit dieser Stadt verbunden und kenne die Vorzüge aus erster Hand. Jena bietet eine wirklich inspirierende Umgebung für Startup-Gründer:innen wie uns. Neben den zwei renommierten Hochschulen ziehen auch zahlreiche Forschungseinrichtungen Fachkräfte an, was uns den Zugang zu qualifizierten Talenten erleichtert. Zudem profitieren wir von einer gut ausgebauten Infrastruktur an Beratungs- und Förderangeboten, die uns dabei unterstützen, unser Unternehmen erfolgreich zu führen und weiter auszubauen. Die Nähe zu den Einrichtungen und die vielfältigen Netzwerkmöglichkeiten tragen dazu bei, dass wir stets am Puls der Zeit bleiben und von den neuesten Entwicklungen in unserer Branche profitieren können. Gerade die Digitalbranche hier ist sehr eng vernetzt. Ich sehe unseren Standort in Jena als klaren Vorteil und bin davon überzeugt, dass er maßgeblich zu unserem Erfolg beiträgt.
Wie sieht die Situation in Thüringen allgemein aus?
Viele Startups kämpfen gerade um ihr wirtschaftliches Überleben und suchen nach Möglichkeiten, ihre Kosten zu reduzieren. Wenn die Konjunktur anzieht, steht ein neues, großes Problem am Horizont: der Fachkräftemangel. Hier in Jena haben wir das große Glück, durch die Hochschulen regelmäßig an neues, qualifiziertes Personal zu kommen, aber das ist nicht überall in Thüringen der Fall. Was fehlt, sind Ballungszentren für ausländische Fachkräfte. Dazu kommt, dass der Visa-Prozess in Deutschland viel zu komplex ist. Das muss sich ändern. Denn ausländische Fachkräfte bringen nicht nur ihre Kompetenzen mit, sondern auch neue Perspektiven und einen erweiterten Horizont für das gesamte Startup und helfen so nicht zuletzt bei der Internationalisierung. Deswegen finden auch unter Thüringer Gründer:innen populistische Anti-Immigrations-Haltungen keinen Anklang. So eine Politik hätte verheerende Auswirkungen auf das Startup-Ökosystem.
Wo steht rooom in einem Jahr?
In einem Jahr streben wir an, unsere Marktpräsenz weiter auszubauen und in verschiedenen Sektoren wie HR, Learning und dem verarbeitenden Gewerbe stärker Fuß zu fassen. Wir werden unsere Plattform kontinuierlich weiterentwickeln und neue Funktionen einführen, um den Anforderungen unserer Kunden gerecht zu werden. Dabei wollen wir verstärkt auf Marktdurchdringung setzen und Partnerschaften mit führenden Unternehmen in verschiedenen Branchen eingehen, um unser Wachstum zu beschleunigen und unsere Position als Innovationsführer zu festigen. Außerdem wollen wir die Community weiter ausbauen, sodass Content noch einfacher in unserer Plattform erstellt und geteilt werden kann. Wir wollen sicherstellen, dass wirklich jede:r seinen oder ihren Platz innerhalb unserer Lösung findet.
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