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“Gründen war schon immer ein Traum von mir”

Gründeralltag - gibt es das überhaupt? "Ich würde anderen Gründerinnen und Gründern mitgeben, dass sie keine Angst haben sollen anzufangen: Jetzt ist der perfekte Zeitpunkt. Perfektionismus bringt niemanden weiter", sagt Evan Petkov von Optiml.
“Gründen war schon immer ein Traum von mir”
Freitag, 26. Juli 2024VonTeam

Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Dieses Mal antwortet Evan Petkov, Gründer von Optiml. Das Zürcher SaaS-Start-up bietet “Immobilienunternehmen und Beratern eine Plattform, um finanziell und ökologisch ausgewogene Entscheidungen für Sanierungs- und Dekarbonisierungsstrategien zu treffen”.

Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Als Gründer eines Startups ähnelt der Arbeitsalltag oft einer Achterbahnfahrt. Man schlüpft in viele verschiedene Rollen, das ist aber auch genau der Reiz an der Position. An manchen Tagen ist der Kalender voll mit Kundengesprächen, operativen Aufgaben und, hoffentlich nicht, zu dringenden Problemlösungen. An anderen Tagen kann ich strategischer und durchdachter vorgehen, ohne dass ich viele Termine habe oder für Probleme auf Abruf bereit bin. Was ich jeden Tag versuche, ist, den Tag mit ein bis zwei Stunden für mich allein zu beginnen, um die Morgenstunden konzentriert zu nutzen.

Wie schaltest Du nach der Arbeit ab?
Sport bietet mir den besten Ausgleich. Aber es kann schwierig sein, ihn einzuplanen, besonders während den kalten Monaten. Wenn es wärmer ist, betreibe ich hauptsächlich Ausdauersport wie Radfahren, Laufen und Schwimmen. Hier hilft es, sich selbst kleine Motivationen zu setzen. Dieses Jahr habe ich mich zum Beispiel für den Zürcher Triathlon angemeldet. Als ich noch an der Uni war, habe ich als Hobby zwischendurch selbst Bier gebraut. Ich genieße also noch heute ab und zu ein gutes Bier.

Was über das Gründer:innen-Dasein hättest Du gerne vor der Gründung gewusst?
Als Entwickler des ersten Produkts der Optiml-Software während meines PhDs fiel es mir bei der Gründung schwer, das Produkt loszulassen und den Stab an das Team zu übergeben. Dieser Schritt war aber nötig, damit ich mich auf den Aufbau von Optiml als Firma konzentrieren konnte. Ich hätte vorher nicht erwartet, dass mir – als Ingenieur im Herzen – die technischen Details so fehlen würden! Ich wünschte, ich hätte vorher gewusst, wie viel es bedeutet, in eine Führungs- und Management-Rolle hineinzuwachsen. Vor allem, wenn diese Rolle so gar nicht der eigenen Ausbildung entspricht. Trotzdem bin ich froh, heute da zu sein, wo ich bin, denn Gründen war schon immer ein Traum von mir.

Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstest?
Als Amerikaner war es definitiv nicht einfach, ein Spin-off an der ETH Zürich zu gründen, es gab Visaprobleme und rechtliche Fragen zu klären. Diese wichtigen und “showstopping” rechtlichen Aspekte waren definitiv der härteste Teil, vor allem weil diese am Anfang in einer so fragilen Unternehmensphase zu bewältigen waren. Gerade im Vergleich mit einer Gründung in den USA hatten wir überraschend viele Hürden zu überwinden.

Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast und was hast Du aus diesen gelernt?
Ich würde sagen, es gibt zwei Dinge, die ich als größere Fehler betiteln kann. Zum einen habe ich aufgrund mangelnder Hiring-Erfahrung zu Beginn zwei Mitarbeitende schnell wieder entlassen müssen. Der Fehler lag also darin, die falschen Personen für unser Startup eingestellt zu haben. Die beiden haben die Software in ihrer Gänze nicht verstanden und standen entsprechend auch nicht zu 100 Prozent hinter dem Produkt. So etwas findest du am Anfang schwer in Interview-Gesprächen heraus, ist mir aber doch ein großes Learning. Fehler Nummer zwei ist, dass wir uns zu Anfang vermehrt auf den Schweizer Markt konzentrieren wollten, was gar nicht nötig war, wie wir kurz darauf feststellen durften. Das Interesse an unserer Dekarbonisierungs- und Sanierungsoftware für Immobilien war so groß, dass es weit über die Grenzen von Europa hinausreichte. Wir haben bereits vor dem offiziellen Software-Launch im April 2024 Pilotprojekte mit den größten Gebäudeeigentümern in Europa und den USA durchgeführt. Und nun im April im DACH-Raum und UK gelauncht. Mit anderen Worten: Wir konzentrieren uns von jetzt an auf mehrere Länder, und natürlich vor allem auf die, wo wir das meiste Potential für die Dekarbonisierung von Immobilien sehen – Immer mit dem Ziel im Hinterkopf, die CO2-Emissionen des Gebäudesektors so schnell wie möglich und kosteneffizient herunterzufahren.

Wie findet man die passenden Mitarbeiter:innen für sein Startup?
Die Einstellung der Mitarbeiter:innen ist meiner Meinung nach der wichtigste Aspekt für Unternehmen in der Frühphase, aber auch eine der am schwersten fassbaren, wenn man sich meine Geschichte von gerade anhört. Man kann auf dem Papier erstaunlich gute Kandidaten und Kandidatinnen haben, trotzdem kann die Persönlichkeit nicht zum Team passen. Einer der besten Wege, die wir für uns gefunden haben, ist, die Stellenbeschreibung mehrmals zu iterieren. Und auch, die Stellenausschreibung umfassend zu gestalten, um sehr verschiedene Profile anzusprechen. Wir führen zudem mehrere Interviews durch und veranstalten auch ein kleines “lockeres” Treffen mit allen Teammitgliedern, um zu schauen, wie der kulturelle Fit ist. Die Rollen im Startup entwickeln sich so schnell, dass man Menschen braucht, die unternehmerisch und “out of the box” denken können.

Welchen Tipp hast Du für andere Gründer:innen?
Ich würde anderen Gründerinnen und Gründern mitgeben, dass sie keine Angst haben sollen anzufangen: Jetzt ist der perfekte Zeitpunkt. Perfektionismus bringt niemanden weiter. Versendet eure Prototypen, führt Gespräche, holt euch Kundenfeedback ein und iteriert. Wenn euer Produkt bereits funktioniert, habt ihr quasi zu spät mit diesen Prozessen angefangen. Es gibt so viel zu sagen zu einer Gründung, aber am wichtigsten ist es denke ich, tolle und auch passende Investoren zu finden, solche, die euch eure Geschichte selbst erzählen lassen und die euer Team vervollständigen.

Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag aus? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.

Foto (oben): Optiml