#Interview

“Von Wohlfühlgedöns ist noch keine Firma ans Laufen gekommen”

"Mit Peakboard kann man jede Fabrik so einfach steuern wie ein Smartphone", sagt Gründer Patrick Theobald. Derzeit arbeiten 35 Mitarbeitende für das Unternehmen aus Stuttgart. Zum Jahresende möchte das Team über"mehr als 400 aktiven Industrie-Kunden" verfügen.
“Von Wohlfühlgedöns ist noch keine Firma ans Laufen gekommen”
Dienstag, 16. Juli 2024VonAlexander Hüsing

Das Stuttgarter Startup Peakboard, 2016 von Patrick Theobald als Nischenprojekt im Unternehmen Theobald Software gegründet, positioniert sich als “Low-Code-Plattform für individuelle Anwendungen”. “Mit Peakboard kann man jede Fabrik so einfach steuern wie ein Smartphone. Dadurch kann man viel mehr produzieren und macht auch weniger Fehler dabei”, erklärt Gründer das Konzept. Inzwischen agiert Peakboard unabhängig von der ehemaligen Firmenmutter. 

“Vor zwei Jahren wurde die ehemalige Muttergesellschaft verkauft und wir mussten sehr schnell selbst laufen lernen, weil wir von einem Tag auf den anderen nicht mehr auf liebgewonnene Ressourcen zurückgreifen konnten: eigene Buchhaltung, eigenes HR, eigenes Büro, eigenes CRM. Diese Ablösung war für uns alle sehr anstrengend. Wir haben uns viele Monate nur um uns selbst gedreht und dadurch auch viel Zeit verloren”, blickt Theobald zurück.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der Unternehmer außerdem über die Superpower von Peakboard, Hausaufgaben und Produktentwicklung.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Peakboard erklären?
Mit Peakboard kann man jede Fabrik so einfach steuern wie ein Smartphone. Dadurch kann man viel mehr produzieren und macht auch weniger Fehler dabei. 

War dies von Anfang an euer Konzept?
Es gab nie einen deutlichen Pivot, sondern es war eher ein kontinuierlicher Prozess über Jahre hinweg. Das hat unterschiedliche Gründe und lag vor allem in fehlenden Features, die zwar immer Teil der Produktvision waren, aber halt einfach nicht von Anfang an vorhanden waren, weil wir nicht genügend Entwickler hatten. Deshalb haben wir unsere Story nach außen so angepasst, dass es zum jeweiligen Produktstand gepasst hat. Begonnen haben wir mit total primitiven, digitalen Schwarzen Brettern; heute bauen unsere Kunden mit Peakboard hoch anspruchsvolle Industrieanwendungen. 

Es herrscht weiter leichte Krisenstimmung in der deutschen Startup-Szene. Mit welchen Erwartungen blickst Du auf die kommenden Monate?
Generell bin ich ein optimistischer Mensch, der fast immer positiv in die Zukunft schaut. Ich glaube wir sind aus dem Gröbsten raus. Ich denke, dass ein Aufschwung unmittelbar bevorsteht und dass allen, die überlebt und ihre Hausaufgaben gemacht haben, eine tolle Zeit bevorsteht.

Wie hat sich Peakboard seit der Gründung entwickelt?
Wir sind als Nischen-Projekt meines vorherigen Unternehmen gestartet, die auch die Resourcen zur Verfügung gestellt hat, ein MVP zu bauen. Heute sind wir völlig unabhängig, mit allen Vor-und Nachteilen. Insgesamt sind wir 35 Mitarbeiter und neben dem Headquarter in Stuttgart unterhalten wir noch ein Büro in den USA. Letztes Jahr sind wir mit knapp 20 % gewachsen. Das ist uns zu wenig, daher arbeiten wir dieses Jahr auf eine Verdopplung hin und wollen mit mehr als 400 aktiven Industrie-Kunden aus dem Jahr gehen. Im Moment sieht es danach aus, dass uns das gelingen könnte.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Ziemlich viel. Vor zwei Jahren wurde die ehemalige Muttergesellschaft Theobald Software verkauft und wir mussten sehr schnell selbst laufen lernen, weil wir von einem Tag auf den anderen nicht mehr auf liebgewonnene Ressourcen zurückgreifen konnten: eigene Buchhaltung, eigenes HR, eigenes Büro, eigenes CRM. Diese Ablösung war für uns alle sehr anstrengend. Wir haben uns viele Monate nur um uns selbst gedreht und dadurch auch viel Zeit verloren. Diese ganze Energie hätte eigentlich ins Produkt und zu den Kunden fließen sollen. Insgesamt hatte ich mir diesen Ablösungsprozess logistisch einfacher vorgestellt.  Außerdem haben wir in den letzten Jahren generell zu viel Geld für Berater ausgegeben, das uns an anderer Stelle fehlt. Und neben vielen anderen Punkte sind verloren gegangener Fokus immer wieder ein Thema – in vielen Bereichen, zum Beispiel Sales und Produktentwicklung killt es einen, wenn der Fokus fehlt.

Und wo hat ihr bisher alles richtig gemacht?
Unser Superpower ist das Produkt. Es gibt keine andere Plattform, mit der man so schnell so anspruchsvolle Industrieanwendungen mit minimalem Aufwand bauen kann. Das bringt dem Kunden viel Mehrwert. Also um die Frage zu beantworten: Die richtige Produkt-Strategie über viele Jahre und viele Rückschläge hinweg zu verfolgen, das ist richtig gut gelaufen. 

Welchen generellen Tipp gibst Du anderen Gründer;innen mit auf den Weg?
Fokus ist der Schlüssel. Konzentriert euch auf Wichtiges, wie Produkt und Kunden. Von Fancy Wohlfühlgedöns ist noch keine Firma ans Laufen gekommen. Das macht oft nicht so viel Spaß, ist aber nötig. Und der zweite Tipp bezieht sich auf Berater aller Art. Die beraten. Mehr aber halt nicht. Der Gründer sitzt am Steuer. Die Rolle muss man ausfüllen und leben. Lasst euch nicht von Beratern reinquatschen, wenn euch euer Gefühl etwas anderes sagt.

Wo steht Peakboard in einem Jahr?
Von den fünf Leuchtturmkunden, an denen wir gerade dran sind, haben wir mindestens drei für uns gewinnen können. Damit konnten wir 2024 den Umsatz verdoppeln. Und damit war es dann auch kein Problem, Growth-Investoren zu finden, die gemeinsam mit uns die nächsten Jahre gestalten. 

Foto (oben):  Peakboard

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.