“Gründen ist ohne jeden Zweifel ein Teamsport”
Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Dieses Mal antwortet Katharina Aguilar von upvisit. Das Stuttgarter Startup macht Orte durch eine App zu einem “interaktiven Erlebnis”.
Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Mit good vibes und möglichst wenig Handy- und Computerzeit! Auch, wenn es nicht immer gelingt: Wenn ich mein A-Game bringen will, ist es wichtig, dass ich mich jeden Tag auf das Gute konzentriere, mit einem Lächeln im Gesicht aufwache und nicht als Erstes am Morgen LinkedIn oder E-Mails checke. Morgens etwas Zeit zum Kraft tanken einzuplanen ist essenziell und ein bisschen, wie sich seine Rüstung anzuziehen für einen Tag, an dem garantiert IMMER Dinge auf einen warten, die einen herausfordern. Fällt das weg, bin ich deutlich weniger resilient, weil meine Akkus schon halbleer sind, bevor der Tag erst losgeht. Gleichzeitig hilft es mir sehr, bevor der Meeting- und E-Mail-Wahnsinn startet, mindestens eine Stunde täglich Zeit zu haben, um in Ruhe Dinge abzuarbeiten, zu denen ich sonst nie kommen würde.
Wie schaltest Du nach der Arbeit ab?
Für mich gilt: Hardcore Job, Hardcore Abschalten! Ich habe schon immer im Sport einen Ausgleich gefunden – zunächst mit semiprofessionellem Tanz, in der Pandemie mit Halbmarathon laufen und seit dem wilden Startup-Leben bei upvisit mit Wakeboarden – jedes Wochenende am See. Sobald ich im selbst ausgebauten Camper Van sitze oder mein Board das Wasser berührt, bin ich geerdet, erinnere mich, wer ich bin, und es rückt sich von selbst alles ins richtige Bild. Bonus: Schnelle Erfolge beim Sport helfen einem sehr, während man im Startup oft sehr lange sehr geduldig sein muss, bis sich Erfolge einstellen. Mit diesem Lifestyle geht der enge Draht zu Menschen einher, die so gar nichts mit Entrepreneurship, Startup oder Sichtbarkeit zu tun haben – und denen egal ist, ob man grade eine 5 Millionen Firmenbewertung hat oder als Kindergärtner:in arbeitet. Zu diesen Menschen zählen auch Jugendfreund:innen und meine Familie. Ohne diese gesunde Normalität im Leben würde ich es nicht schaffen, der Mensch zu bleiben, der ich sein und bleiben will. Meine Oma hat keinen Schimmer, was ich beruflich mache, und das ist auch gut so.
Was über das Gründer:innen-Dasein hättest Du gerne vor der Gründung gewusst?
Wenn ich alles gewusst hätte, was ich heute weiß, hätte ich es vielleicht nicht gemacht – daher ist der Faktor des Unbekannten doch sehr hilfreich auf der Reise als Gründerin. Hätte ich aber gewusst, dass alle nur mit Wasser kochen, wäre ich mit einigem mehr an Selbstvertrauen und Leichtigkeit an viele Themen herangegangen – diese Einstellung musste ich mir erst hart erarbeiten und arbeite weiterhin täglich daran. Was mir nicht klar war, ich aber enorm schätzen gelernt habe: Gründen ist ohne jeden Zweifel ein Teamsport. Wenn du es weit, weit, schaffen willst, dann schaffst du das nur mit Zusammenhalt und den richtigen Mitgründer:innen, Teammitgliedern, Investor:innen, Berater:innen und Cheerleader:innen an deiner Seite. Wenn ein Glied wegbricht, sinkt die Erfolgswahrscheinlichkeit drastisch.
Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstest?
Mit einem ganz sachlichen Blick auf die Dinge ist Gründen im Grunde genommen eine völlig unmögliche Aufgabe, insbesondere, wenn man keine großen Reserven hat und auf nichts aufbauen kann, was schon da ist. Zur allgemeinen deutschen Bürokratie kommt die Erbarmungslosigkeit des Finanzamts, oft sehr unerbauliche Investorengespräche im Fall von Finanzierungsrunden und der ständige Zustand des Defizits, in dem man selbst und das gesamte Team sich in den frühen Phasen befinden. Das Produkt ist nie gut genug, die Umsätze könnten immer NOCH besser sein, man wird ständig nur mit dem konfrontiert, was fehlt. Das aushalten zu lernen und als Gründerin nicht das gesamte Umfeld damit zu terrorisieren, ist die größte Hürde überhaupt: Unternehmertum mit Würde tragen und ein Mensch bleiben, mit dem man selbst gerne zusammenarbeiten würde.
Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
Ehrlicherweise würde ich das Meiste von dem, was ich gemacht habe, genauso wieder machen. Mit dem Wissen, das ich heute habe, hätte ich in einigen Situation sicher härter verhandelt und weniger nachgegeben. Der größte Fehler, den man als Gründer:in machen kann, ist in Situationen der Verzweiflung unmoralische Angebote anzunehmen oder Menschen ins System zu lassen, die bei genauerem Blick keiner Feuerprobe standhalten. Damit kann man sich im Zweifel sein Unternehmen kaputtmachen oder Probleme verursachen, die man später wieder aufräumen muss. Im Grunde geht es bei vielen unternehmerischen Entscheidungen auch um den Schutz dessen, was da ist – fällt man Entscheidungen unter diesem Gesichtspunkt, macht man viel richtig. Dafür muss man aber auch das Selbstvertrauen haben, diesen Wert zu sehen und zu verteidigen.
Wie findet man die passenden Mitarbeiter:innen für sein Startup?
Indem man authentisch ist, denn das spiegelt sich im Produkt und in der gesamten Unternehmenskultur wider und zieht Gleichgesinnte an. Mit einem Produkt, das eine echte Veränderung in der Welt bewirken will und einer Marke, die Menschen emotional mitnimmt und in der sie sich selbst erkennen. Dazu kommt dann ein guter und wertschätzender Hiring-Prozess: Klarheit, Ehrlichkeit und exzellente Kommunikation sind hier die entscheidenden Stichworte. Uns hat zusätzlich sehr geholfen, dass wir Englisch als Firmensprache haben und ganz explizit offen sind für Talente aus dem Ausland. So haben wir von mittlerweile 13 Mitarbeitenden 6 Nationalitäten an Bord; 3 davon haben wir eine Blue Card besorgt. Darauf sind wir ganz besonders stolz, weil das exzellente Personen sind, deren Leben wir verändern können, während wir die Ehre haben, dass sie mit uns arbeiten.
Welchen Tipp hast Du für andere Gründer:innen?
Höre niemandem zu, der dir sagt, was du NICHT kannst, bist, sollst und darfst. Die meisten Menschen, die dir einen Rat geben, reden mehr von sich selbst als von dir. Bleib bei deiner Vision und GIB NICHT AUF. Das, was die Erfolgreichen von den weniger erfolgreichen Gründer:innen unterscheidet, ist, dass erstere nie aufgegeben haben.
Ohne welches externes Tool würde Dein Startup quasi nicht mehr existieren?
Darauf gibt es nicht die eine Antwort. Als Software-Startup wären wir ohne die entsprechenden Tools oder gar den App Store natürlich nie live gegangen. Im Marketing und Sales arbeiten wir unglaublich gut mit der Klaviatur aus Meta Ads, LinkedIn und Hubspot. Im täglichen Doing kommunizieren wir hauptsächlich über Slack. Das, würde ich sagen, ist die Basisausstattung, die wir brauchen, um erfolgreich arbeiten zu können.
Wie sorgt Ihr bei Eurem Team für gute Stimmung?
Emotion und Humor spielen in unserer Firmenkultur eine große Rolle. Wir nehmen uns selbst nicht so ernst. Wir haben eine flache Hierarchie, bei der alle Ownership übernehmen sollen. Am Ende der Woche haben wir ein Weekly Reflection Meeting und danken uns gegenseitig für die guten Dinge, zu denen die anderen beigetragen haben. Wir nehmen den “No Bad News Friday” sehr ernst. Außerdem haben wir über die Zeit gelernt, wie wichtig gemeinsame Team-Events sind – von regelmäßigen Lunch-Dates bis hin zu mehrtägigen Teamtagen mit spielerischen Momenten und Party ist alles dabei.
Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Das war Anfang 2024, als ich in einer ohnehin stressigen Woche einen TEDx-Talk hatte und in der gleichen Nacht noch losgefahren bin, um während des Weltwirtschaftsforums in Davos unsere App zu promoten, die dort im AI House unter anderem der ETH Zürich eingesetzt wurde. Für die Umsetzung beider “Projekte” im Vorlauf hatten wir nur insgesamt 4 Wochen Zeit. Ihr könnt euch also vorstellen, wie unser Weihnachten und Neujahr aussahen. Das war verrückt, großartig, anstrengend und vor allem auch WILD.
Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag aus? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.