Von Team
Freitag, 14. Juni 2024

So treiben Startups das neue Space Race an

Das Weltall ist wieder en vogue. Das zeigen nicht nur die großen Geschichten von neuen Mondmissionen und herabfallendem Weltraumschrott Das SpaceTech-Segment ist auch ein Schauplatz für die deutsche Startup-Landschaft. Ein Gastartikel von Martin Rezaie.

Das Weltall ist wieder en vogue. Das zeigen nicht nur die großen Geschichten von neuen Mondmissionen und herabfallendem Weltraumschrott am Himmel: Der Geotech-, NewSpace- und SpaceTech-Bereich ist auch ein Schauplatz für die deutsche Startup-Landschaft. Wo findet das neue Space Race statt und wie sieht der Markt dafür aus?

New Space: Das neue Wettrennen ins All

Schon seit dem Start von Sputnik I in 1957 sind Satelliten das wichtigste Mittel, mit dem der Mensch seine Fühler in den Kosmos ausstreckt. Doch ein Satellitenstart ist schon lange kein bahnbrechendes und kostspieliges Unterfangen mehr. Die Kosten für einen Start sind um 80 bis 90 Prozent gefallen und das spiegelt sich in der Menge wider: Im Zeitraum von 1993 bis 2020 sind 2.000 Satelliten von der Erde gestartet. Im Jahr 2023 allein waren es 3.000 Starts.

Ein Beispiel für effektive Kostensenkung von Weltraumstarts zeigt SpaceX, welches einem erfolgreichen Start ihrer Starship-Rakete Stück für Stück näher kommt. Verglichen mit seinem Vorgänger kann Starship die Kosten per Kilogramm Ladung, um ein 50-faches reduzieren und somit Anwendungsfälle ermöglichen, die bis dahin nicht kosteneffektiv waren.

Und auch unsere Augen und Ohren ins All sind offener denn je. Neben optischen Bildern gewinnen Radar, Radiofrequenz und hyperspektrale Technologien an Bedeutung, was zu einer vielfältigen Datenerfassung und neuen Anwendungsfällen führt – vor allem in wechselseitiger Kombination. Und auch künstliche Intelligenz und Machine Learning spielen eine entscheidende Rolle beim aktuellen Space Race, um der wachsenden Datenmengen Herr zu werden. Analysen, die zuvor bis zu sieben Jahre dauerten, können dank dieser Technologien nun in knapp zwei Minuten durchgeführt werden.

Anwendungsfälle: Von der Theorie zur Praxis

Gerade Laien sind sich häufig nicht sicher, wo genau der praktische Nutzen von Weltraumtechnologie liegt. Hilfreich ist da der Blick aus Satelitenperspektive in ca. 2.000 Kilometer, wo die meisten von unseren künstlichen Begleitern kreisen. Diese können Infrastruktur, Agrarwirtschaft, und natürlich seit langem schon militärisch relevante Ziele überwachen.

So nutzt die Deutsche Bahn zum Beispiel Satellitenbilder des Berliner Startups LiveEO. Vom Weltall aus lässt sich der Zustand von hunderten Kilometern Bahngleisen im Blick behalten. So kann die Bahn aus der Ferne frühzeitig Schäden oder Störungen ermitteln. Auch die Landwirtschaft kann durch Satellitendaten effizienter und nachhaltiger werden, zum Beispiel durch intelligente Überwachung von Anbauflächen oder Ernteschätzungen. In einer McKinsey-Studie machen bereits 29 % der Ackerbauern und 45 % der Spezialkulturen anbauenden Landwirte Gebrauch von Satellitendaten oder haben es vor.

Der Space-Tech-Markt: Eine Landschaft im Wandel

Der Markt für Erdbeobachtung (Earth Observation, EO) wird von Forschern auf einen Wert zwischen 9 und 17 Milliarden Euro im Jahr 2022 geschätzt. Prognosen deuten auf ein jährliches Wachstum von über 10% in den kommenden Jahren hin, mit dem Potenzial, dass der EO-Markt bis 2027 bis zu 31 Milliarden Euro erreichen könnte.

Fortschritte in der Satellitentechnologie und KI-Analytik sind die hauptsächlichen Motoren dieses Wachstums. Die Wertschöpfungskette lässt sich in drei Phasen beschreiben: 

  • Die erste besteht aus Satellitenmissionen und beinhaltet den Start und die operativen Tätigkeiten. Ein klassisches Beispiel sind die Aktivitäten von SpaceX, welches nahezu 90 % der Satellitenstarts in 2022 verantwortete. 
  • Die zweite Phase ist die Datenakquise, bei der hochauflösendes Bildmaterial, Infrarotdaten und andere geospatiale Informationen gesammelt, an die Erde geschickt und gespeichert werden – zum Beispiel durch Unternehmen wie Capella Space, ICEYE oder Umbra
  • Diese Daten sind es, die in der dritten Phase, der Analytik, zum Einsatz kommen. Mithilfe von Machine Learning und KI werden aus den Rohdaten Erkenntnisse gewonnen. Die Analytik besitzt den größten Marktanteil in der Erdbeobachtung und besitzt zugleich das größte Wachstumspotenzial. Auf die Analytik von Weltraumdaten haben sich unter anderem LiveEO, cervest oder Earth AI spezialisiert.

Erst im Februar hat GP Bullhound eine Finanzierungsrunde in Höhe von 29 Millionen US-Dollar für das Unternehmen LeoLabs angeführt, welches eine KI-gestützte Software-Infrastruktur für Weltraumaktivitäten entwickelt. Mit einem eigenen globalen Netzwerk aus Bodenradaren und Analysefähigkeiten liefert LeoLabs umfangreiche Datenmengen zur Erdumlaufbahn. So hilft das Unternehmen, das Risiko für Kollisionen auf ein Minimum zu reduzieren. Die über 7.000 Satelliten von LeoLabs beobachteten Satelliten können in der Low Orbit Visualization in Echtzeit erkundet werden.

KI in der Zukunft der Erdbeobachtung

Der KI-Boom befeuert auch den New Space Sektor: Grundlagenmodelle (Foundation Models), basierend auf großen Bildmodellen (LVMs) setzen neue Potenziale bei der Datenauswertung frei. Beobachter versprechen sich besonders viel von der Verbindung von Erdbeobachtungsdaten mit großen Sprachmodellen (LLMs) oder multimodalen Sprach-Bild-Modellen. 

Unternehmen wie BeZero kombinieren Erdbeobachtungsdaten mit lokalen Klimadaten, machen Zusammenhänge sichtbar und helfen beispielsweise bei der Bewertung von Klimakompensationsprojekten. Belastbare Klimaschutzmaßnahmen, die diese Bezeichnung verdienen, lassen sich nur mit einer klaren Datenlage, wie sie die Fernerkundung per Satellit bietet, planen und überwachen.

Fazit

Die Anzahl der Satelliten, die ins All geschossen werden, wir weiter rapide zunehmen, vor allem, sobald Starship marktreif ist. So werden auch immer mehr Unternehmen im Weltraumsektor tätig sein und an wirtschaftlicher Relevanz gewinnen. Parallel werden die Produkte und Dienstleistungen, die Satelliten nutzen, immer leistungsfähiger werden. Selbst, wenn die sichtbaren Auswirkungen im Alltag noch gering scheinen: Wir befinden uns mitten in einer neuen Ära der Raumfahrt.

TippNewSpace-Startups, die alle auf der Agenda haben sollten

Über den Autor
Martin Rezaie ist DACH-Geschäftsführer von GP Bullhound.

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