#Interview

“Investoren-Pitches in der Abstellkammer wurden zum Alltag”

Gründeralltag - gibt es das überhaupt? "Der Tag startet mit 15 Minuten Fahrradfahrt in unser wunderschönes Office. Ich trinke eine Tasse Kaffee und begrüße das Team. Meine ersten Meetings und Calls beginnen üblicherweise ab 9:30 Uhr", sagt Boris Bösch, Gründer von everstox.
“Investoren-Pitches in der Abstellkammer wurden zum Alltag”
Freitag, 14. Juni 2024VonTeam

Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Dieses Mal antwortet Boris Bösch, Gründer von everstox. Das Münchner Startup, 2019 gegründet, positioniert sich als Logistics-as-a-Service-Plattform (LaaS). Acton Capital, Capnamic Ventures, Global Founders Capital (GFC) und Flash Ventures, investierten zuletzt 20 Millionen Euro in everstox.

Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Der Tag startet mit 15 Minuten Fahrradfahrt an der frischen Luft in unser wunderschönes everstox-Office direkt an der Theresienwiese in München. Ich trinke eine Tasse Kaffee und begrüße das Team. Meine ersten Meetings und Calls beginnen üblicherweise erst ab 9:30 Uhr. Davor ist Fokuszeit, um alle offenen Nachrichten abzuarbeiten, zu sortieren und den Tag zu strukturieren.

Wie schaltest Du nach der Arbeit ab?
Im Abschalten bin ich noch nicht gut genug. Leider denke ich zu oft noch über Arbeitsthemen nach, wenn ich mit Freunden oder Familie zusammen bin. Ein super Mittel ist aber Sport, um zu entspannen und auf andere Gedanken zu kommen. Ich liebe Tennis, Fußball, Laufen und Workouts im Fitness-Studio, wobei ich das alles aber auch nicht sieben Tage die Woche schaffe. Grundsätzlich kann ich allen Gründer:innen nur empfehlen, von Anfang an Wert und Fokus auf den Ausgleich zur Arbeit zu legen. Ein wirklich starkes Unternehmen aufzubauen, dauert viele Jahre und braucht nachhaltige Energie der Gründer:innen.

Was über das Gründer:innen-Dasein hättest Du gerne vor der Gründung gewusst?
Was extrem wichtig ist, sind Geduld und Durchhaltevermögen. In den frühen Tagen war ich oft ungeduldig, u.a. weil in der Start-Up Blase auf LinkedIn vieles fälschlicherweise so dargestellt wird, als würde der Erfolg von einem Tag auf den anderen leicht von der Hand gehen. In der Realität kommen nachhaltige Erfolge meist nur Schritt für Schritt mit vollem Fokus und viel Einsatz des gesamten Teams. Eine gewisse Ungeduld ist in meinen Augen wichtig für Gründer, um schnell und mutig voranzukommen. Aber die Balance muss eben stets stimmen.

Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstest?
Wie immer war der Anfang die Hälfte vom Ganzen, verbunden mit dem Mut, ein sicheres Karriere-Umfeld aufzugeben. Gerade zu Anfang musste man viel Arbeit und Leidenschaft reinstecken, ohne zu wissen, ob die Hypothesen alle aufgehen. Heute bin ich sehr froh, dass ich diesen Schritt gemeinsam mit meinen Mitgründern Johannes Tress und Felix Haberland gehen konnte und wir uns gegenseitig dabei unterstützt und gepusht haben.

Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
Ich denke, zu viel nach außen zu schauen. Damit meine ich, beispielsweise gewisse Services oder Produkt Features aufzubauen, nur weil es gerade im Social Media Trend ist, die Wettbewerber es zu tun oder viele Investoren darüber sprechen. Wir fokussieren uns sehr stark auf unsere Kunden, Partner und deren direktes Feedback und somit auf das, was unsere Kunden, Partner und uns wirklich weiterbringt. Dafür haben wir beispielsweise ein eigenes Research Team aufgebaut. So denken wir größer über den aktuellen Markttrend hinaus, schaffen echte, nützliche Innovation und folgen nicht dem nächstbesten Hype und der Herde.

Wie findet man die passenden Mitarbeiter:innen für sein Startup?
Für mich klar via Empfehlungen, am besten von eigenen Mitarbeiter:innen oder auch über das eigene Netzwerk aus Investoren, Kunden, Partner, etc. Dafür muss natürlich die Basis an glücklichen aktuellen Mitarbeiter:innen oder einem starken Netzwerk und guten Geschäftsbeziehungen stimmen.

Welchen Tipp hast Du für andere Gründer:innen?
Bleib authentisch und deinen Werten treu, insbesondere, wenn es darum geht, andere, zum Beispiel Investoren oder Mitarbeiter:innen, von deinem Unternehmen zu überzeugen. Wenn Du Dich verstellst, wirst Du eventuell kurzfristig Leute überzeugen, aber nicht die langfristig richtigen Partner finden, die wirklich zu dir passen.

Ohne welches externes Tool würde Dein Startup quasi nicht mehr existieren?
Wir arbeiten sehr tech-getrieben mit vielen zentralen Tools: Hier möchte ich vor allem Salesforce als CRM oder moss für unser Ausgabenmanagement nennen. Aber unsere wichtigsten externen Partner sind Logistikunternehmen, mit denen wir europaweit auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Diese sind oft familiengeführte, starke Mittelständler, die seit Jahren profitabel arbeiten. Hier können wir in der partnerschaftlichen Zusammenarbeit auch viel über nachhaltiges Unternehmertum lernen, während wir unseren Partnern viel moderne Tech-Kompetenz mitgeben können. Ein Win-Win.

Wie sorgt Ihr bei Eurem Team für gute Stimmung?
Zu guter Stimmung gibt es meiner Ansicht nach keinen Quick Fix: Die Basis muss stimmen und hier investieren wir am meisten: Guter Umgang miteinander, Kultur auf Augenhöhe, spannende Herausforderung und Entwicklungsmöglichkeiten sowie Vertrauen und Ehrlichkeit. Darüber hinaus schaffen wir zudem viele Möglichkeiten zur persönlichen Begegnung: Regelmäßige After Works, Team Lunches, ein jährliches Offsite usw.

Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Das war, als wir aus unserem ersten Büro in 2020 rausgewachsen sind. Wir hatten Platz für maximal acht Personen, waren da sehr schnell drüber und Investoren-Pitches oder Kundenverhandlungen in der Abstellkammer wurden zum Alltag. Als wir vor zwei Jahren dann in unser geräumiges, modernes Büro ziehen konnten, war das natürlich ein großer Schritt zu einem erwachsenen Unternehmen mit mehr Komfort und Professionalität. Trotzdem denken wir Gründer und alle aus dem frühen Team noch gerne an die frühen, sehr improvisierten Tage mit viel Start-Up Romantik zurück.

Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag aus? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.

Foto (oben): Spreefreunde