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Funding in Frankreich und Deutschland: Startup-Ökosysteme im Ländervergleich

Deutschland und Frankreich sind sich freundschaftlich eng verbunden, stehen aber auch in einem gesunden wirtschaftlichen Wettbewerb. Spannend ist der Direktvergleich aus VC-Sicht: KI-Startups sichern sich jeweils die größten Investments. Ein Gastbeitrag von Thorben Rothe.
Funding in Frankreich und Deutschland: Startup-Ökosysteme im Ländervergleich
Donnerstag, 13. Juni 2024VonTeam

Das Jahr 2023 war durch einen deutlichen Abwärtstrend bei den Investitionen in die Start-up-Szene in Frankreich und Deutschland gekennzeichnet. Im Vergleich zu 2022 sank die Gesamtzahl der Investitionen um 45 Prozent in Frankreich und um 40 Prozent in Deutschland. Auch die Anzahl der Finanzierungsrunden ging um 17 Prozent respektive 25 Prozent zurück. Dabei sieht es in absoluten Zahlen in Frankreich auf den ersten Blick besser aus als in Deutschland. Sowohl bei der Höhe der Gesamtinvestitionen als auch bei der Anzahl der Finanzierungsrunden belegt Frankreich den vorderen Platz. 

Funding, quo vadis?

2021 war in Deutschland das Jahr der Funding-Superlative. Fast 20 Milliarden US-Dollar wurden vor drei Jahren in Deutschland in junge Unternehmen investiert. Dann kam der Einbruch. Von 2021 auf 2022 halbierte sich das Finanzierungsvolumen, im vergangenen Jahr ging es weiter bergab. Etwas anders stellte sich die Situation in Frankreich dar. 2021 gab es zwar einen enormen Anstieg im Vergleich zum Vorjahr, das Finanzierungsvolumen erreichte aber erst 2022 seinen Höhepunkt. Dann kam auch hier der Einbruch. 2023 markiert nun in beiden Ländern den vorläufigen Tiefpunkt des Abwärtstrends.

In absoluten Zahlen gemessen, war der französische Markt aber auch im Jahr 2023 aktiver. In Frankreich wurden im letzten Jahr 6,6 Milliarden Euro in junge Unternehmen investiert. In Deutschland waren es 5,7 Milliarden Euro. Bedenkt man, dass Frankreich sowohl von der Bevölkerung als auch vom Bruttoinlandsprodukt kleiner ist als Deutschland, wird der Unterschied noch deutlicher. 

Frankreich und Deutschland

Insgesamt weist die VC-Welt in Deutschland und Frankreich sowohl Parallelen als auch Unterschiede auf, die die jeweiligen Startup-Ökosysteme prägen. Zunächst eine Gemeinsamkeit: Beide Länder zeichnen sich durch einen starken Trend zu frühen Investitionsphasen und eine zunehmende Spezialisierung der (Pre-)Seed-Fonds auf einzelne Branchen aus. Die Anzahl an lokalen Kapitalgebern im Late-Stage- oder Growth-Bereich ist in beiden Ländern vergleichsweise gering. Insbesondere in Deutschland fehlt es an lokalen Growth Investoren.

Die Fonds in Frankreich sind tendenziell größer. Das stärkere Engagement von Versicherungen und Pensionskassen sowie des Staates durch bpifrance als Fondsinvestor ist ein wichtiger Faktor. Ein weiteres Beispiel für das Engagement des Staats in Frankreich ist das Tibi Programm, welches Versicherer incentiviert, in den nächsten drei Jahren sechs Milliarden Euro in Venture-Capital-Fonds zu investieren. 

Investitionstrends: Alles auf KI? 

In Deutschland und Frankreich setzt sich der Trend fort, massiv in KI, Nachhaltigkeit und Gesundheit zu investieren. Künstliche Intelligenz sticht dabei mit bemerkenswerten Finanzierungsrunden besonders hervor: In Deutschland gingen vier der zehn größten Runden an KI-Startups, in Frankreich waren es sechs. Dies zeigt die Erwartungen an KI als treibende Kraft für zukünftige Innovationen.

Ausblick 2024

Das Sentiment unter den Investoren ist zu Beginn des Jahres 2024 wieder deutlich besser als im Vorjahr. Auch wenn nicht mit einer Rückkehr zu den Hochzeiten aus 2021 zu rechnen ist, erwarten die meisten Investoren eine Verbesserung des Investitionsklimas gegenüber dem Vorjahr. Künstliche Intelligenz wird weiterhin im Rampenlicht stehen. Nachdem in den letzten Jahren viel in den Aufbau von Infrastruktur für künstliche Intelligenz investiert wurde und einige beeindruckende Anwendungen für Endanwender das Thema KI sehr greifbar und damit massentauglich gemacht haben, wird es zukünftig verstärkt um die Umsetzung von konkreten Anwendungen in Unternehmen gehen. 

Viele Unternehmen wissen heute noch nicht, wie sie sich KI zu eigen machen können. Im Zentrum der Fragen von Unternehmen stehen Datensicherheit und -hoheit. Gerade Unternehmen wollen und müssen ihre proprietären und teils kundenbezogenen Daten schützen, wenn sie Technologien wie Sprachmodelle einsetzen. Dazu benötigen sie ein entsprechendes Toolset. Hier setzt beispielsweise das Pariser Start-up Adaptive ML an, das es Firmen ermöglicht, eigene KI-Modelle mit internen Daten zu trainieren und mit Live-Daten kontinuierlich zu verbessern, ohne die Datensicherheit und -hoheit zu gefährden. Kürzlich konnte das Unternehmen 20 Millionen US-Dollar Seed-Funding einsammeln. 

Green Energy bleibt tonangebend 

Nicht zu vergessen: Green Tech und Health Tech entwickeln sich weiterhin dynamisch, wobei besonders der Bereich Green Energy im Fokus steht. Die Investitionsbereitschaft in innovative Lösungen zur Energiegewinnung, -speicherung und -verteilung signalisiert ein starkes Bekenntnis zu Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Doch wie in der Welt der KI gilt auch hier: Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Nachhaltigkeit der Innovationen.

Über den Autor
Thorben Rothe ist Partner bei IRIS, einer auf den Digital- und Technologiesektor spezialisierten europäischen Venture-Capital-Gesellschaft. Zu den Investments von IRIS gehören unter anderem Adjust, Braincube und LeanIX. In einer kürzlich veröffentlichten Vergleichsstudie der Investment-Landschaft in Deutschland und Frankreich konnten Rothe und sein Team Gemeinsamkeiten und Unterschiede in beiden Ländern aufdecken. 

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Foto (oben): Shutterstock