#Interview

“Wir hatten wenige Ressourcen, auf die wir zurückgreifen konnten”

Gründeralltag - gibt es das überhaupt? "Am Ende muss man sich darüber im Klaren sein, dass eine Startup-Gründung eben kein 9-to-5 Job ist, bei dem man die Themen abends im Büro lässt", resümiert Adrian Goosses vom Kölner Startup Airpaq seine Gründererfahrungen.
“Wir hatten wenige Ressourcen, auf die wir zurückgreifen konnten”
Mittwoch, 5. Juni 2024VonTeam

Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Dieses Mal antwortet Airpaq-Gründer Adrian Goosses. Das Kölner Startup bietet Rucksäcke und andere Accessoires wie Hip Bags oder Turnbeutel, die aus Upcycling-Materialien aus Autos bestehen.

Wie startest du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Mein Tag beginnt oft mit einer kurzen Teambesprechung mit meinem Co-Founder Michael, um zu klären, was an dem Tag oder in der Woche alles ansteht, Aufgaben zu priorisieren und Updates auszutauschen. Das ist wichtig, damit wir fokussiert und synchronisiert bleiben – denn Michi arbeitet nicht aus Köln, sondern aus Südtirol. Danach widme ich mich in der Regel strategischen Aufgaben, die ich meistens schon am Vorabend in einem Trello-Board organisiere. Oft kommt dann operativer Trubel, hier und da brennt es, ich gebe Interviews oder muss Meetings vorbereiten. Allerdings fangen viele Tage auch ganz anders an – in einem Startup gibt es kein Business as usual.

Wie schaltest Du nach der Arbeit ab?
Ich persönlich habe gerade andere Prioritäten – ich bin junger Papa von einem zweijährigen Sohn und ich versuche nach der Arbeit auf jeden Fall, Zeit mit ihm zu verbringen. Vor allem zu späteren Stunden kann es sein, dass er etwas wilder ist. Deshalb ist es aktuell oftmals weniger abschalten, dafür aber Quality Time mit der Familie. Das verändert sich irgendwann wieder und die Phasen zum Entspannen werden regelmäßiger, aber es ist auch sehr schön, so wie es aktuell ist.

Was über das Gründer:innen-Dasein hättest Du gerne vor der Gründung gewusst?
Thema Resilienz – ich hätte gerne damals schon gewusst, dass man davon ganz schön viel braucht. Gerade in einem kleinen Startup fährt man oft emotional Achterbahn: Auf ein High folgt ein Low, dann muss man ein Feuer löschen und feiert auf einmal wieder einen Erfolg. Wir haben gegründet, dann kamen Covid, der Ukraine-Krieg und die Inflation – die letzten Monate und Jahre waren schon aufregend. Da ist es sehr wertvoll, stabil und widerstandsfähig zu sein und viel Optimismus mitzubringen, um nicht durchzudrehen. Wir hatten viel Glück, weil bei uns immer alles wieder gut gegangen ist, da gibt es aber auch andere Beispiele. Am Ende muss man sich darüber im Klaren sein, dass eine Startup-Gründung eben kein 9-to-5 Job ist, bei dem man die Themen abends im Büro lässt.

Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstest?
Wir kamen aus der Uni und hatten überhaupt keine Berufserfahrung. Einen Arbeitsalltag zu etablieren, war deshalb nicht ohne. Wir haben mit Airpaq etwas gestartet, für das es noch keinen Standard gab: Upcycling von Autoschrott – hier konnten wir auf keine bestehenden Strukturen zur Materialbeschaffung oder Produktion zurückgreifen. Wir mussten uns deshalb ins Ungewisse begeben und viel selbst herausfinden, weil wir uns bei wichtigen Abläufen wenig abschauen konnten. Gleichzeitig sind wir daran natürlich immens gewachsen.

Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
Wir waren sehr unerfahren und hatten wenige Ressourcen, auf die wir zurückgreifen konnten. Deshalb haben wir alles gebootstrappt. Das ist cool, weil man kein Kapital braucht, aber es kostet Zeit. Wir haben am Anfang alles selbst gemacht – vom Produktdesign über das Nähen der Prototypen bis hin zur Websiteprogrammierung oder dem Versand. Das ist charmant, man hat auch alles ein bisschen gelernt, aber es kostet wahnsinnig viel Zeit und wenn man keine Expertise in gewissen Dingen hat, macht man es auch nicht unbedingt gut. Wir hätten schneller aus diesem Modus rauskommen müssen und externe Hilfe in Anspruch nehmen sollen. Das hätte uns viel Zeit gespart – und unsere Zeit hat ja auch einen Wert, der nicht zu unterschätzen ist.

Wie findet man die passenden Mitarbeiter:innen für sein Startup?
Damit hatten wir nie Probleme. Was wir machen, ist sehr straight forward und verständlich – und dadurch, dass wir im B2C-Bereich agieren, haben wir ein gutes Schaufenster für das Employer Branding. Wir bekommen viele (Initiativ-)Bewerbungen von Leuten, die auf uns zukommen, weil sie unsere Produkte cool finden. Das matcht dann oft sehr gut. Außerdem haben wir viele Angestellte, die schon früh eingestiegen sind, zum Beispiel als Werkstudent:innen, und uns dann nach dem Studium auch als Vollzeitkräfte erhalten geblieben sind.

Welchen Tipp hast Du für andere Gründer:innen?
Am wichtigsten ist es, einen Anfang zu finden. Das ist oft schwer, weil man vor lauter Bäumen den Wald nicht sieht. Wir haben zum Beispiel gestartet, unser Produkt entwickelt und geschaut, ob die Idee überhaupt Anklang findet. Da wussten wir aber beispielsweise noch nicht, wo wir die Materialien herbekommen. Wichtige Ideen und Impulse kommen oft auf dem Weg und es lohnt sich, zu starten, auch wenn noch nicht alles perfekt ist. Wenn die Idee gut ist, wird es auch Lösungen geben, die euch vielleicht noch nicht mal in den Sinn gekommen sind. Ein weiterer Tipp: Netzwerken. Es ist sehr wertvoll, mit Gründer:innen zu sprechen, vielleicht sogar mit der direkten Konkurrenz. Wenn man Erfahrungen austauscht, stellt man fest, dass alle nur mit Wasser kochen und die gleichen Probleme haben. Netzwerken macht oft Mut in scheinbar verfahrenen Situationen und man kann viel von anderen lernen.

Ohne welches externe Tool würde Dein Start-up quasi nicht mehr existieren?
Ganz klar: Ohne Shopify – unser Shopsystem – würde es uns nicht geben. Shopify ist ein tolles System, das uns nie im Stich gelassen hat und an dem ich auch nichts auszusetzen habe. Für meine persönliche Struktur nutze ich außerdem sehr viel Trello.

Wie sorgt Ihr bei Eurem Team für gute Stimmung?
Durch unser Recruiting haben wir einen sehr guten Match im Team – wir teilen eine gemeinsame Vision. Wir machen regelmäßig Events und geben viel Feedback, haben eine sehr offene Kultur und hören wir uns gegenseitig gut zu. Michi und mir ist es wichtig, unsere Mitarbeiter:innen bei allen wichtigen Themen zu involvieren. Dafür haben wir einen Weekly, in dem jede:r Mitarbeiter:in von der Woche erzählt – was waren die Highlights, was lief gut und was lief schlecht? Darin teilen wir unter anderem auch einen Einblick in die Finanzen. Das trägt dazu bei, dass sich jede:r abgeholt fühlt – und das sorgt am Ende auch für gute Stimmung.

Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Als wir unsere Kickstarter-Kampagne gestartet haben, haben wir an einem Tag 10.000 Euro für die Vorfinanzierung erzielt. Wir waren zwei Studis, die ein Projekt angehen wollten – das waren für uns Dimensionen, die wir uns gar nicht hätten ausmalen können. Ähnlich unglaublich war für uns der erste Stream mit Robert Marc Lehmann im letzten Jahr. Da haben wir in zwei Stunden 500 Rucksäcke verkauft, die wir zusammen mit Robert designed haben. Pro Rucksack haben wir 10 Euro an den Orca Research Trust gespendet. Das hat wahnsinnig viel Spaß gemacht. Und zuletzt: unsere Pitches bei Konzernen. Wir stellen auch individuelle Produkte im Corporate Design für andere Unternehmen her. Das pitchen wir bei Unternehmen in verschiedenen Größen – unter anderem waren bei schon bei Ford und beim ADAC. Mal in einem großen Konzern zu stehen und die eigenen Produkte an große Kunden zu bringen, bei denen die Mühlen ganz anders laufen, ist schon auch ein großer Kontrast dazu, wie es in unserer Startup-Welt läuft.

Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag aus? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.

Durchstarten in Köln – #Koelnbusiness

In unserem Themenschwerpunkt Köln werfen wir einen Blick auf das Startup-Ökosystem der Rheinmetropole. Wie sind dort die Voraussetzungen für Gründer:innen, wie sieht es mit Investitionen aus und welche Startups machen von sich reden? Mehr als 550 Startups haben Köln mittlerweile zu ihrer Basis gemacht. Mit zahlreichen potenziellen Investoren, Coworking-Spaces, Messen und Netzwerkevents bietet Köln ein spannendes Umfeld für junge Unternehmen. Diese Rubrik wird unterstützt von der KölnBusiness Wirtschaftsförderung. #Koelnbusiness auf LinkedInFacebook und Instagram.

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Foto (oben): Airpaq