Von Team
Freitag, 31. Mai 2024

Verspielt Deutschland seine Zukunft?

Ohne ein Umdenken in Bezug auf VC-Investitionen sieht es nicht gut aus für den Standort Deutschland. Es gibt gerade bei der Finanzierung einer späteren Skalierung neuer Technologien drastische Defizite in Deutschland. Ein Gastbeitrag von Jozsef Bugovics.

Mit Forschungseinrichtungen wie der Max-Planck-Gesellschaft gehört Deutschland zur Weltspitze bei Innovationen. Ob synthetische Kraftstoffe, Wasserstoff- oder Batterietechnologie, deutsche Forscher mischen bei vielen Zukunftstechnologien ganz vorne mit. Allerdings fehlen hierzulande die Investoren, um Deep-Tech-Innovationen aus der Start-up-Phase in die industrielle Massenfertigung zu skalieren, beklagt Jozsef Bugovics, Experte für Wachstumsfinanzierungen bei der Investmentbanking-Beratungsgesellschaft Pava. Die Folge: Wichtige Innovationen wandern ins Ausland ab.

Deutschland ist Weltklasse bei Innovationen, aber leider nicht in der Skalierung industrieller Anwendungen. Die initiale Start-up-Förderung funktioniert hierzulande und die Bundesregierung hat erst vor wenigen Wochen 1,6 Milliarden Euro aus dem Zukunftsfonds für innovative Technologien freigemacht. Dieses Risikokapital soll größtenteils direkt in Start-ups zur Förderung von Zukunftstechnologien fließen.

Von einer solchen Förderung profitierte auch das deutsche Start-up Ineratec. Das Karlsruher Unternehmen ermöglicht die energieeffiziente und skalierbare Herstellung synthetischer Kraftstoffe. Die Technologie hat riesiges Potenzial und ist für die Klimaneutralität des Schiffs- und Flugverkehrs unverzichtbar. Laut der EU-Initiative „ReFuelEU Aviation“ muss etwa der Anteil synthetischer Kraftstoffe bei Flugkraftstoffen ab 2030 bei 1,2 Prozent liegen.

Deutsche VC-Investoren fehlen

Die Technologie wurde von deutschen Forschungseinrichtungen entwickelt. Allerdings fand sich für die vor wenigen Monaten durchgeführte Venture-Capital-Finanzierung von 118 Millionen Euro zur Skalierung von Ineratec kein einziger deutscher Geldgeber. Die Investoren stammen unter anderem aus den USA und Südkorea, von der Technologie profitieren wird also voraussichtlich das Ausland. Und das ist nur eines der Negativbeispiele für einen allgemeinen Trend.

Um solche Investitionen stemmen zu können, braucht es große Venture-Capital-Fonds mit einem Volumen von mindestens 4 Milliarden Euro, die es in Deutschland aber bislang nicht gibt. Deutsche Start-ups sind deshalb auf ausländische Investoren angewiesen, die vor allem aus den USA, Südkorea, Singapur, Japan oder Saudi-Arabien kommen. Mit den hohen Investitionssummen geht ein Mitbestimmungsrecht über die Technologie und das Unternehmen einher. Damit gibt Deutschland wichtige Innovationen in die Hände anderer Nationen, die davon profitieren.

30 Milliarden Euro VC-Finanzierungslücke in Deutschland

Wir sehen in Deutschland eine Finanzierungslücke von 30 Milliarden Euro für VC-Finanzierungen, um eine vergleichbare Investitionskultur wie in den USA zu erreichen. Mit staatlichen Mitteln allein wird das nicht zu leisten sein. Eine Alternative wäre es, die notwendigen Mittel aus privaten Investitionen zu generieren. Dazu müssen aber erst einmal die Voraussetzungen geschaffen werden.

Versicherungskonzerne etwa verwalten gewaltige Kapitalmengen. Allein die Allianz Lebensversicherung, als Deutschlands größte Versicherung, betreut Anlagen in Höhe von 253 Milliarden Euro (Stand: September 2023). Im Unterschied zu anderen Ländern wie den USA dürfen deutsche Assekuranzen und Pensionsgesellschaften bislang jedoch nicht in Risikokapital investieren. Würde der Staat dies zulassen, könnten schon mit zwei Prozent der Anlagen einer Allianz Lebensversicherung fünf Milliarden Euro an Wagniskapital generiert werden. Gleichzeitig bliebe das Risiko überschaubar.

Der Staat profitiert doppelt von Anreizen für VC-Investitionen

Um solche Investitionen für die genannten Gruppen wie auch Privatanleger interessant zu machen, müsste der Staat aber entsprechende Anreize schaffen. Denkbar wäre etwa eine steuerliche Abschreibungsmöglichkeit in Kombination mit einer Steuerbefreiung in Höhe der ursprünglichen Investition.

Von einer solchen Regelung könnte der Staat gleich zweifach profitieren: Zum einen könnten damit dringend erforderliche Innovationen in den Standort Deutschland finanziert werden, zum anderen ergäben sich so höhere Steuereinnahmen als durch die Kapitalertragssteuer bei konservativeren Anlageformen. Investitionen in einen VC-Fonds kämen zudem in Form von Gehältern und unternehmerischen Ausgaben wieder in den Wirtschaftskreislauf. Eine solche Investition würde also durch Einkommen-, Gewerbe- und Mehrwertsteuer mehrfach versteuert. Vergleichende Berechnungen haben ergeben, dass so Steuereinnahmen generiert würden, die eine Festgeldanlage in 20 Jahren nicht erbringen würde.

Fazit

Ohne ein Umdenken in Bezug auf VC-Investitionen sieht es nicht gut aus für den Standort Deutschland. Zwar gehört die Bundesrepublik immer noch zu den führenden Nationen in der Innovationsforschung, doch gibt es bei der Finanzierung einer späteren Skalierung neuer Technologien drastische Defizite. Hier fehlt bislang die Bereitschaft, Risikokapital im nötigen Umfang zu investieren, wodurch wichtige Innovationen letztendlich von ausländischen Investoren finanziert werden und in andere Länder abwandern. Die deutsche Politik ist deshalb dringend gefordert zu handeln, um die nötigen Risikokapitalströme zu ermöglichen. Ein Umdenken ist aber auch in der Industrie und bei den deutschen Anlegern nötig, will Deutschland bei wichtigen Technologien nicht den Anschluss verlieren.

Über den Autor
Jozsef Bugovics ist Partner bei Pava Partners, einer der führenden M&A- und Debt Advisory-Beratungen für technologiegetriebene und dynamisch wachsende mittelständische Unternehmen. Das Unternehmen ist ein Spin-off von TD Cowen und blickt auf 20 Jahre internationale Erfahrung zurück. Jozsef Bugovics war CEO und Gründer verschiedener Firmen wie der MeTechnology AG (später Brokat AG). Seit 2001 betreute er diverse Technologieunternehmen mit den Schwerpunkten Sustainability Tech, Renewable Energy, Digitalisierung, Automotive, Legal Tec, Medien, Finanzdienstleistungen und Health Care.

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