“Der Weg ist selten geradlinig”
Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Dieses Mal antworten Maximilian Schubert und Jonathan Apasu von Adon Health. Das HealthTech-Startup aus München bezeichnet sich selbst als “vertikal integrierte Plattform für komplexe und unterversorgte Therapien”.
Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Apasu: Mein Start in den Tag beginnt normalerweise schon recht früh morgens um halb 6 Uhr. Hier starte ich mit einer kurzen meditativen Breathwork-Session, um klar und fokussiert in den Tag zu starten. Anschließend habe ich in etwa eineinhalb Stunden für Fokus-Arbeit. Danach mache ich erstmal eine kurze Runde Sport: Entweder Joggen, kurz ins Fitnessstudio, oder auch nur direkt mit dem Fahrrad ins Büro. Um 8:30Uhr treffe ich mich dann mit meinem Co-Founder, um alles Wichtige für den Tag zu besprechen und um 8:45 Uhr folgt das Check-in mit dem gesamten Team.
Wie schaltest Du nach der Arbeit ab?
Schubert: Der Arbeitstag endet meistens gegen Mitternacht. Ein kurzer Spaziergang um den Block hilft mir, eine räumliche Trennung zum Arbeitsalltag zu schaffen. Ich schreibe die wichtigsten Ereignisse und Eindrücke des Tages in Kurzform in ein Tagebuch und lese ca. 30 Minuten in einem Buch bei einer Tasse Tee. Diese Routine hilft, selbst bei stressigen Arbeitstagen einen schnellen Abschluss zu finden und beruhigt ins Bett gehen zu können.
Was über das Gründer:innen-Dasein hättest Du gerne vor der Gründung gewusst?
Apasu: Bevor wir Adon gegründet hatten, wäre es hilfreich gewesen, mehr über die Höhen und Tiefen des Gründens zu wissen. Die häufigen Unsicherheiten, ständigen neuen Herausforderungen und gelegentliche Rückschläge führen teilweise zu einer emotionalen Achterbahnfahrt. Was ich jedoch am meisten unterschätzt habe, ist, wie viel Spaß es mir macht, an einer eigenen Vision, und in einem selbst gestalteten Arbeitsumfeld arbeiten zu dürfen. Hätte ich das gewusst, hätte ich vielleicht schon früher den Schritt gewagt.
Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstest?
Schubert: In einer Zeit in der Gründen sexy geworden ist, ist dieses Thema besonders relevant geworden: Richtiger Gründer, richtiges Problem. Es wird allgemeinhin unterschätzt wie wichtig es als Gründer ist, eine echte Verbindung zu Produkt, Markt und Nutzer zu haben. Man tut sich einen Gefallen, wenn man hart mit sich selbst ins Gericht geht um zu verstehen, ob man die richtige Person für die Gründung ist, denn gerade in der frühen Startphase eines Unternehmens gibt es dutzende Hürden die oft nicht vorhersehbar sind. Dazu kommt der Fakt, dass früher oder später all der Hype zumindest temporär verfliegt, Investoren und Freunde einen Fragen warum man seine Zeit mit jener Idee verschwendet. In diesen Momenten bleibt nur die Liebe zum Thema – wer das nicht hat wird in diesen Phasen meistens scheitern. Für mich persönlich kam dieser Konflikt in der Konzeptionsphase des Unternehmens zu tragen. Wir hatten eine grobe Vorstellung in welche Richtung es gehen sollte, aber es waren noch viele Fragen offen auf welches Problem man sich tatsächlich fokussiert. Es ist zu einfach in diesen Momenten nicht kritisch zu sein und “the next big thing” wie AI , Blockchain, etc, über das eigentliche Problem zu stülpen. Diese “Hürde vor den Hürden” wird von vielen Erstgründern oft ignoriert, umgangen oder in die Zukunft geschoben. Das Ergebnis ist viel verschwendete Zeit und verschwendetes Geld.
Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
Apasu: Einer der größten Fehler, die wir am Anfang gemacht haben, war sicherlich, dass wir zu lange gezögert haben, unsere Hypothesen schnell zu testen und unser Produkt auf den Markt zu bringen. Diese Verzögerungen haben uns Zeit gekostet, in der wir bereits hätten Feedback sammeln und iterieren können. Mittlerweile haben wir gelernt, wie wichtig es ist, schnell zu handeln und regelmäßig Hypothesen zu testen. Das frühe und kontinuierliche Einholen von Kundenfeedback ist nun ein fester Bestandteil unserer Strategie.
Wie findet man die passenden Mitarbeiter:innen für sein Startup?
Schubert: In erster Instanz ist die Ansprache der richtigen Leute wichtig. Wir selektieren daher stark vor, indem wir potentielle Mitarbeiter vor allem auf bestimmten Plattformen oder Netzwerken ansprechen. Wir sitzen in München und rekrutieren hier vor allem aus Studentennetzwerken wie bspw. dem CDTM oder der TUM. Wir achten im Recruiting insbesondere auf 3 Komponenten: Engagement, Kommunikation und kultureller Fit. Diese sind essenziell um ein gutes Team aufzubauen. Im Rahmen unseres Prozesses gibt es 2 Kennenlernen und eine Fallstudie zu einem für Adon relevanten Thema. Dabei achten wir im Prozess genau darauf, wie viel Mühe man sich in der Vorbereitung der Fallstudie gibt, wie gut man Ergebnisse und Hürden kommuniziert. Das sind großartige Frühindikatoren für intrinsische Motivation und offene Kommunikation – beides Komponenten die für eine gute Zusammenarbeit unerlässlich sind. Darüber hinaus legen wir großen wert auf unsere Unternehmenskultur. In den Kennenlerngesprächen fragen wir viele Komponenten dieser Kultur ab um zu verstehen, ob die Bewerberin, der Bewerber auch Spaß hätte, an unserem Arbeitsalltag teilzunehmen.
Welchen Tipp hast Du für andere Gründer:innen?
Apasu: 1. Hört zu: Nehmt die Bedürfnisse und Feedbacks von euren Kunden ernst, aber auch die des eigenen Teams. Jedes Feedback, ob von Kunden, Mitarbeiter:in oder Investor:in, bietet eine Chance zur Verbesserung. 2. Habt eine klare Vision und gleichzeitig die Flexibilität euch anzupassen, wenn der Markt oder die Umstände es erfordern. 3. Seid geduldig und hartnäckig: Der Weg ist selten geradlinig und oft herausfordernder als erwartet.
Ohne welches externes Tool würde Dein Startup quasi nicht mehr existieren?
Schubert: Es ist schwierig ein einziges zu benennen. Zur Abbildung des gesamten Servicespektrums auf unserer Plattform sind viele Kommunikationstools notwendig, die höchsten Datenschutzstandards genügen müssen. Um nur ein paar zu nennen: Redmedical, eSprechstunde und eTermin. Diese erlauben es uns, persönliche Daten sicher zwischen Leistungserbringern zu kommunizieren. Ohne diese Art von verschlüsselter Dokumentation wäre eine digitale Versorgung in Deutschland nicht möglich.
Wie sorgt Ihr bei Eurem Team für gute Stimmung?
Apasu: Wir setzen bei uns im Team stark auf Teamkultur-Elemente. Ein besonderes Format haben wir mit dem “Medical Monday” eingeführt, bei dem jedes Teammitglied abwechselnd in 20 Minuten ein medizinisches Thema vorstellt. Das ist nicht nur informativ, sondern auch eine gute Gelegenheit für jedes Teammitglied, sich einzubringen und etwas Neues zu lernen. Der “Sport-Mittwoch” ist eine weitere feste Institution. Hier machen wir nach der Arbeit gemeinsam Sport. Das gemeinsame Mittagessen mit dem ganzen Team ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil unserer Kultur und nach jedem täglichen Check-out lassen wir den Tag mit einer kurzen Session von Schätzfragen ausklingen, was oft zu lustigen Momenten führt. Einmal im Monat gibt es zudem ein größeres Team-Event. Neben diesen kulturellen Elementen legen wir großen Wert auf regelmäßiges Feedback innerhalb des Teams. Jede:r soll das Gefühl haben, gehört und verstanden zu werden. Außerdem trägt jedes Teammitglied mit seinen Aufgaben signifikante Verantwortung, was dazu beiträgt, dass sich alle bewusst sind, wie wichtig und wirkungsvoll ihre Arbeit ist.
Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Schubert: Der Abschluss der Pre-Seed-Finanzierungsrunde. Frühphasenfinanzierung basiert immer auf extremer Unsicherheit des zugrundeliegenden Geschäfts und hängt stark von dem aktuellen Investitionsklima und Trendthemen ab. Top-Voraussetzungen für eine Achterbahnfahrt. Jeder Investor legt auf unterschiedliche Themen wert. Sowohl allen gleichzeitig gerecht zu werden als auch ein wachsendes Interesse an der Finanzierungsrunde zu managen war eine aufregende Aufgabe. Von nächtlichen Diskussionen über die Investmentkonditionen über spontane Zusagen sowie die harten Debatten über unser Modell und unsere Ziele war alles in unserer Finanzierungsrunde vorhanden. Ein Prozess, den man erst wirklich verstehen kann, wenn man ihn als Gründer erlebt hat.
Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag aus? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.