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Better be Bold: Der schmale Grad der Selbstdarstellung

Vielen Gründerinnen und Gründern fällt es schwer, nicht offen die Schwachstellen ihres Business zu kommunizieren, da gerade in den klassischen BWL-Studiengängen Dinge wie die SWOT-Analyse immer noch als das Non-plus-Ultra des Managements gelehrt werden.
Better be Bold: Der schmale Grad der Selbstdarstellung
Mittwoch, 29. Mai 2024VonRuth Cremer

Der Startup-Pitch ist definitiv keine Gelegenheit für Selbstkritik. Vielen Gründerinnen und Gründern fällt es schwer, nicht offen die Schwachstellen ihres Business zu kommunizieren, da gerade in den klassischen BWL-Studiengängen Dinge wie die SWOT-Analyse immer noch als das Non-plus-Ultra des Managements gelehrt werden. Aber Fragen zu potenziellen Schwachstellen haben Investoren selbst noch genug.

Doch es geht auch andersrum: wenn Startups die Fakten zu auffällig für sich interpretieren, können sie Investoren auch abschrecken. Better be bold lieferte uns bei “Die Höhle der Löwen” ein paar gute Beispiele für diesen schmalen Grad.

Natürlich ging es bei den Löwen auch wieder viel um die Bewertung, schließlich lag das Angebot der Better be bold-Gründer mit 400.000 Euro für 15 % und damit einer Unternehmensbewertung von 2,67 Millionen Euro nicht gerade am unteren Rand der Skala, die die TV-InvestorInnen so zu sehen bekommen.

Dem Team, das eine Pflegeserie für Glatzenträger an den Markt gebracht hatte, muss das jedoch klar gewesen sein und sie schienen gut vorbereitet. Und zu guter Vorbereitung auf einen Auftritt vor Investoren gehört in- wie außerhalb der Höhle eben auch eine Strategie, die Vorzüge des eigenen Business möglichst gut zu präsentieren.

Dies erfordert umso mehr Vorbereitung, je weniger die “klassischen” Kennzahlen wie Umsatz und Gewinn ausreichen, um die gewünschte Bewertung zu argumentieren. Denn für einen ersten Ansatzpunkt berechnen Investoren gerne den sogenannten “Multiple”: Der Wert, mit dem man zum Beispiel den Umsatz multiplizieren muss, um auf die gewünschte Bewertung zu kommen. Da Better be bold das letzte Geschäftsjahr mit 200.000 EuroUmsatz abgeschlossen hatte, kommt man mit der Bewertung von 2,67 Millionen auf einen Multiple von etwas über 13, was für die Kosmetikbranche schon sehr hoch ist.

Multiples unterscheiden sich nämlich stark nach Branche und Geschäftsmodell – neben vielen weiteren Faktoren.

Besonders, wenn die Produkte leicht kopierbar und schwer schützbar sind – wie die Gründer auch in diesem Fall später noch zugeben müssen – ist das Risiko höher und übliche Multiples spielen sich eher im unteren bis mittleren einstelligen Bereich ab.

Doch da dies nur eine erste Einschätzung ist und wie gesagt noch viele weitere Faktoren eine Rolle spielen, muss hier die Verhandlung noch lange nicht vorbei sein.

Die Gründer argumentieren in diesem Fall zum Beispiel mit ihrer guten Marge, zählen ihre Handelspartner und Listungen auf und erklären, dass sie bereits in 14 Ländern verkaufen. Sie betonen sogar, dass es sich daher um ein “sehr internationales Thema” handelt.

Die Löwen wirken zunächst sehr beeindruckt, allerdings waren zu der Zeit die Umsatzzahlen noch nicht diskutiert worden. Diese werden dann von Tillmann Schulz auch prompt erfragt, und die erwirtschafteten 200.000 Euro rufen eher Enttäuschung hervor.

Carsten Maschmeyer fragt dann auch bald genauer nach, wie viel von diesem Umsatz denn dann auf das Ausland entfiele, was mit 30.000 Euro beantwortet wird. Doch diese Summe ist den Löwen für die starke Betonung des “internationalen Themas” viel zu wenig.

Tillmann Schulz wird am Ende noch Tijen Onaran, die sich durchaus von der stolzen Zahl von 14 Ländern beeindruckt zeigte, noch genauer erläutern, warum. Denn der Handelslöwe würde die 30.000  Euro Auslandsumsatz durch 14 Länder teilen. Streng genommen wurde bei den 14 Ländern Deutschland als Quelle der anderen 170.000 Euro Umsatz wohl mitgezählt, so dass man hier nur noch durch 13 Länder teilen dürfte, um den Umsatz pro Land zu ermitteln.

Doch auch die so ermittelten gut 2300 Euro Umsatz sprechen eine deutliche Sprache: allzu hoch ist dies noch nicht. In der Due Diligence würde hier ein professioneller Investor wahrscheinlich noch tiefer in die Struktur eintauchen, um zu sehen, wie stark verteilt diese Umsätze sind. Also ob es zum Beispiel ein bis zwei Länder gibt, in die man schon ganz gut verkauft (bei deutschen Startups sind dies oft die anderen DACH-Länder) und die restlichen 11 Länder nur einzelne Bestellungen verzeichnen. Oder ob es mehrere Länder gibt, wo durchaus schon erste spannendere Zahlen generiert werden, wenn auch nur in kleinerem Umfang.

Hat sich das Gründerteam hier also ein wenig zu gut geredet? Grundsätzlich sollte man sich im Pitch natürlich gut darstellen und alle Vorzüge des Business hervorheben. Doch gerade bei den Kennzahlen ist ein wenig Vorsicht angesagt: eine zu positive Darstellung könnte von Investoren hier als Augenwischerei oder bloße Selbstvermarktung um jeden Preis wahrgenommen werden.

Eine gute Übung ist es hierfür, in der Vorbereitung auch mögliche Gegenargumente durchzudiskutieren und gegebenenfalls in der Formulierung einen Gang zurück zu schalten. Denn seine Erfolge soll man natürlich nach wie vor nennen.

Die Better be bold-Gründer müssen schließlich ordentlich Kritik für ihre Formulierungen und auch ihre Bewertung einstecken, bekommen aber trotzdem ein Angebot, da ihr Thema Nils Glagau und Tillmann Schulz einfach überzeugt. Diese wollen jedoch 30% statt der angebotenen 15% Unternehmensanteile haben und halbieren so die ursprüngliche vorgeschlagene Bewertung.

Auf das Gegenangebot der Gründer gehen sie dann nicht mehr ein, 20% sind ihnen auch noch viel zu wenig und sie empfinden die vorgeschlagenen 30% bereits als großzügig, steigen also schließlich auch aus.

An diesem Fall konnte man wieder einmal gut sehen, wie unterschiedlich Investoren reagieren: Ralf Dümmel war schon längst allein wegen der Bewertung ausgestiegen, Carsten Maschmeyer nahm die Darstellung der Gründer am stärksten auseinander, und das Angebots-Duo argumentierte zwar dagegen, strebte aber schließlich doch die Zusammenarbeit an.

Einmal mehr ein Beispiel, dass Vorbereitung für die Verhandlung mit Investoren einfach alles ist – und dazu auch der bewusste Umgang mit guten und weniger guten Unternehmenszahlen gehört. Denn Investoren hinterfragen alles. Eine zu positive Darstellung kann einem hier ordentlich auf die Füße fallen – das muss aber nicht den Ausschlag für den Ausgang der Verhandlung geben. Also: Better be bold? Das ist wohl eine Typenfrage…

Tipp: Alles über die Vox-Gründershow gibt es in unserer großen DHDL-Rubrik.

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Foto (oben): RTL / Bernd-Michael Maurer

Ruth Cremer

Ruth Cremer ist Mathematikerin und als Beraterin, Coach und Speaker tätig. Außerdem ist sie Hochschuldozentin im Bereich Unternehmertum und eCommerce. Die ehemalige Investment-Managerin kennt die Szene in- und auswendig und hilft Startups insbesondere dabei, Pitches vorzubereiten und Investment- sowie Akquisitionsprozesse zu meistern. Ruth Cremer ist bereits seit der fünften Staffel als externe Beraterin für das Format „Die Höhle der Löwen“ tätig und unterstützt die Auswahl und Vorbereitung der Kandidaten. Mehr zu ihr auch unter www.ruthcremer.de.