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Noac: Wie voll darf ein Cap Table sein?

Von Noac allgemein waren alle Löwen sehr begeistert. Doch auch die innovativste und sinnvollste Erfindung kann einem Gründerteam nicht ersparen, was jeder Investor früher oder später wirklich überprüfen muss: die Wirtschaftlichkeit des gesamten Geschäftsmodells.
Noac: Wie voll darf ein Cap Table sein?
Mittwoch, 15. Mai 2024VonRuth Cremer

Nicht nur in “Die Höhle der Löwen” hat man es schon des Öfteren gehört, auch alle anderen GründerInnen, die schon einmal auf Investorensuche waren, kennen wahrscheinlich die kritischen Fragen zum Cap Table. Wie viele Parteien halten Anteile am Unternehmen, wie viele Investoren gibt es, wie viele Gründer:innen? Bei unglücklichen Konstruktionen können Investment-Gespräche dann auch scheitern. Auch das Startup um die innovative OP-Robotik Noac musste feststellen, dass sie hier wohl nicht so günstig aufgestellt sind.

Vom Produkt allgemein waren alle Löwen sehr begeistert. Die robotische Unterstützung für Operateure, die Schmerzen durch stundenlange ungünstige Haltung bei Operationen verhindern sollte, wurde allgemein als sehr innovativ und überaus sinnvoll wahrgenommen.

Hier hatte das Startup um die Gründerinnen Claudia und Sabrina auch bereits einen cleveren Schachzug unternommen, in dem sie einen von ihrer Entwicklung überzeugten Arzt direkt zum Pitch mitbrachten und ihn das Gerät selbst demonstrieren ließen.

Doch auch die innovativste und sinnvollste Erfindung kann einem Gründerteam nicht ersparen, was jeder Investor früher oder später wirklich überprüfen muss: die Wirtschaftlichkeit des gesamten Geschäftsmodells.

Und in diesem Fall stand bereits eine Bewertung von satten 20 Millionen im Raum, denn die Löwen sollten eine Million Euro springen lassen, aber nur 5 % der Unternehmensanteile dafür bekommen. Dies hatte Ralf Dümmel schon zu Anfang zu einem kleinen ironisch klingenden Auflachen gebracht.

Denn, wie im späteren Verlauf vor allem Janna Ensthaler noch bestätigen sollte, erwarten die meisten Investoren – zumindest die von der Art der Löwen – bei einer solchen Summe schon ein gewisses Gewicht im Gesellschafterkreis, was mit 5% normalerweise nicht gegeben ist. Schließlich betonen die Löwen immer wieder, dass sie mit mehr als nur Geld einsteigen, und aktiv am Fortkommen des Unternehmens mitarbeiten wollen. Wenn aber schon nur 5% angeboten werden, verlieren die meisten Investoren bereits von vornherein die Lust darauf. Das schien den Noac-Entwicklern aber entweder egal zu sein oder sie waren so von ihrem Produkt überzeugt, dass sie glaubten, diesen Effekt wettmachen zu können.

Das kann durchaus vorkommen und auch in der Höhle konnte man solche Effekte in seltenen Fällen schon einmal beobachten, aber eine Bewertungsbegründung und vor allem eine wirtschaftliche Perspektive muss natürlich trotzdem dargelegt werden.

Die war aber bei einem verkauften Gerät und damit einem Umsatz von rund 88.000 Euro in diesem Falle beim besten Willen noch nicht gegeben. Und die Bewertungsbegründung mit den bisher hineingeflossenen 3 Millionen Euro auf der einen und den Marktperspektiven auf der anderen Seite schien den Löwen in diesem Zusammenhang auch viel zu dünn zu sein.

Denn das Gründerteam nutze eine klassische Berechnung des Gesamtpotenzials: aus 3-4 Operationssälen und 11.000 adressierbaren Kliniken ergab ich so schon 1 Milliarde Euro Absatzpotenzial. Zwar scheint hier in der Rechnung noch ein gewisser Risiko-Abschlag gemacht worden zu sein, trotzdem ist es mehr als gefährlich, solche Berechnungen – wenn an anderer Stelle auch argumentativ hilfreich – in die Bewertungsbegründung mit einzubeziehen. Und so zweifelte Dagmar Wöhrl auch direkt an, ob die Kostenstruktur der Krankenhäuser das mitmacht.

Denn die traurige Realität ist nun einmal, dass das Gesundheitssystem in den meisten Ländern chronisch unterfinanziert ist, und so auch die sinnvollsten und hilfreichsten Möglichkeiten schlicht aus Kostengründen nicht in Anspruch genommen werden können. Vertrieb an Krankenhäuser gilt daher – neben Schulen – als einer der Schwersten.

Das größte Absatzpotenzial hilft also nicht, wenn es nicht in konkrete Verkäufe umgewandelt werden kann – auch, wenn dies auf unfairen oder nicht besonders sinnvoll erscheinenden Umständen beruht.

Doch die daher wenig nachvollziehbare Bewertung ging Hand in Hand mit einem anderen Umstand, der es dem Startup wohl allgemein nicht so einfach machen dürfte, weiteres Investment einzusammeln: Die bisher hineingeflossenen 3 Millionen Euro stammen von insgesamt 13 Investoren, außerdem gibt es neben den beiden in der Höhle auftretenden Gründerinnen noch 4 weitere Personen im Gründungsteam.

Es stehen also anscheinend ganze 17 Parteien auf dem Cap Table, was möglichen Neuinvestoren immer ein wenig zu denken gibt. Was ist, wenn dringende Entscheidungen im Gesellschafterkreis getroffen werden müssen, und man erreicht manche nicht? Denn die Wahrscheinlichkeit, dass das passiert, liegt bei 17 Beteiligten nun mal wesentlich höher als bei 5. Hinzu kommen noch Bedenken wie die von Janna Ensthaler, wie viel Gewicht man mit seinen Anmerkungen in einem solchen großen Kreis überhaupt hat.

In diesem Fall kommt noch hinzu, dass die anwesenden Gründerinnen ihr großes Team von 6 Gründungsmitgliedern trotz Argumentation der Expertisen nicht so wirklich vermitteln konnten. Ein weiterer Kardinalfehler im Umgang mit kritischen Voraussetzungen: wenn ein Team aus vielen Gründer:innen besteht, so dass man mit Skepsis der Investoren hierzu rechnen muss, ist es schlicht zu wenig, wenn nur zwei von sechs der fraglichen Personen erscheinen. Natürlich gibt es Ausnahmen, wenn zum Beispiel ein Teammitglied nur sehr wenige Anteile hat, weil es in der Anfangsphase sehr stark unterstützt hat oder ansonsten “normal” bezahlt wird.

Wie aber auch Carsten Maschmeyer bemerkt, sind nur 1/3 anwesende GründerInnen einfach zu wenig, und können Investoren ähnliche vor den Kopf stoßen wie eine viel zu hohe Bewertung.

So sind es dann auch genau diese beiden Faktoren, die alle noch interessierten Löwen zum Aussteigen bewegen. Besonders enttäuscht wirken die Gründerinnen im Nachhinein jedoch nicht.

Wem aber schon etwas am positiven Ausgang von Investorengesprächen liegt, der sollte sich gut vorbereiten, wenn schon klar ist, dass es kritische Punkte im Setup gibt. Viele Investoren können zu strukturell wenigen “gepoolt” werden, auch eine Zusage der Gesprächsbereitsschaft kann hier oft schon ein positives Signal setzen. Auch die Sinnhaftigkeit der Investoren kann natürlich argumentiert werden, die bisherigen Erfolge, zu denen sie verholfen haben oder die Mehrwerte abseits des Geldes, die man noch von ihnen erwarten kann. Außerdem können gut etablierte und effizient aufgebaute Kommunikationsstrukturen, die sich bereits bewehrt haben, der Angst vor der Unerreichbarkeit Einzelner entgegenwirken.

Das Argument “zu voller Cap Table” muss also keine Feststellung sein, die das Ende der Verhandlungen bedeutet, wenn man die Bedenken des Gegenübers ernst nimmt und sich früh genug mit den entsprechenden Fragestellungen auseinandersetzt.

Durch die den Löwen viel zu hohe Bewertung und die anderen offenen Fragen hätte das für den Noac wohl nicht den Unterschied gemacht, trotzdem bleibt natürlich zu hoffen, dass er bald in vielen Operationssälen Einzug halten wird.

Die Höhle der Löwen – Vom Pitch zum Deal

Startup-Expertin Ruth Cremer (die für uns regelmäßig über die Gründer-Show schreibt) berät in “Die Höhle der Löwen”, Gründer*innen bei der Vorbereitung auf ihren großen Auftritt. In ihrem Buch nimmt sie alle, die sich für die faszinierende Welt der Startups interessieren, selbst gründen wollen oder überlegen, erstmals zu investieren, mit hinter die Kulissen der erfolgreichen TV-Show. Sie zeigt, worauf es bei einem Pitch ankommt, entschlüsselt die Codes von Investoren und verrät, wie man vor ihnen besteht.
Ruth Cremer: “Die Höhle der Löwen – Vom Pitch zum Deal”, Goldmann, 336 Seiten, ab 12,99 Euro. Jetzt bei amazon.de bestellen

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Foto (oben): RTL / Bernd-Michael Maurer

Ruth Cremer

Ruth Cremer ist Mathematikerin und als Beraterin, Coach und Speaker tätig. Außerdem ist sie Hochschuldozentin im Bereich Unternehmertum und eCommerce. Die ehemalige Investment-Managerin kennt die Szene in- und auswendig und hilft Startups insbesondere dabei, Pitches vorzubereiten und Investment- sowie Akquisitionsprozesse zu meistern. Ruth Cremer ist bereits seit der fünften Staffel als externe Beraterin für das Format „Die Höhle der Löwen“ tätig und unterstützt die Auswahl und Vorbereitung der Kandidaten. Mehr zu ihr auch unter www.ruthcremer.de.