#Interview
“Selbst mit Puffern hat alles viel länger gedauert als geplant”
Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst, bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Dieses Mal antworten Simon Köstler und Filip Mierzwa, Gründer des Berliner Startups Stur, einem Anbieter für “Gusseisenpfannen mit einem modernen Twist”.
Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Köstler: Nach dem Aufstehen gehe ich normalerweise erst mal eine Runde laufen und anschließend duschen. Danach gibt es einen Kaffee – der darf am Morgen auf jeden Fall nicht fehlen. ;) Gleich zu Beginn des Arbeitstages haben wir einen kurzen Check-in mit dem Team, in dem wir besprechen, was so ansteht und Blockaden – falls vorhanden – direkt lösen. Dann geht es ans Alltagsgeschäft.
Wie schaltest Du nach der Arbeit ab?
Mierzwa: Ich teste gerne neue, coole Berliner Restaurants oder koche zuhause – auch gerne für oder mit Freund:innen. Ich gehe im Sommer nach Feierabend am liebsten eine Runde im Park skaten.
Köstler: Beim Kochen oder Restaurants ausprobieren schließe ich mich an. Außerdem fahre ich, wenn es die Zeit erlaubt, gerne mit dem Rennrad raus aus Berlin oder gehe eine Runde laufen.
Was über das Gründer:innen-Dasein hättest Du gerne vor der Gründung gewusst?
Mierzwa: Wie aufwendig es ist, ein physisches Produkt von Grund auf neu zu entwickeln und herzustellen – von Prozessen über Fehlerkataloge bis hin zur Logistik. Und auch, wie viel Zeit es braucht, bis es das fertige Produkt gibt. Denn selbst mit eingeplanten Puffern hat bei uns alles viel länger gedauert als geplant. Aber dann letztendlich das eigene Produkt in den Händen zu halten: dieses Gefühl ist unbeschreiblich und spätestens an dem Punkt weiß man, dass sich das alles gelohnt hat.
Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstest?
Mierzwa: Unsere erste Herausforderung war es, einen Hersteller in Deutschland zu finden. Wir wollten unbedingt eine Gusseisenpfanne made in Germany erschaffen. Aus verschiedenen Gründen: um die bestmögliche Qualität zu bieten, kurze Lieferwege sicherzustellen und die Möglichkeit zu haben, spontan in der Produktion vorbeizuschauen. Für junge Gründer:innen ist es wichtig, jemanden zu finden, der das Produkt am Ende auch so umsetzen kann, wie man sich das vorstellt. Aber dafür muss man den Hersteller erst mal davon überzeugen, die Zusammenarbeit einzugehen. Das ist gar nicht so leicht, weil man vor der Gründung oft noch nicht viel vorzuweisen hat und es viele Unbekannte gibt – zum Beispiel, weil man noch nicht weiß, welche Stückzahlen man letztendlich benötigen wird und wie die Produkte ankommen werden. Für Hersteller birgt die Kooperation mit einem Startup ein viel größeres Risiko als für große oder schon etablierte Unternehmen zu produzieren.
Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
Köstler: Wie schon angedeutet: Alles dauert länger, als man denkt. Dementsprechend haben wir auch die Serienproduktion unterschätzt – und wie lange es dauert, sie aufzubauen. Wir haben mit einer Crowdfunding-Kampagne losgelegt, die sehr erfolgreich war. Die darüber vorbestellten Pfannen wollten wir danach in bestmöglicher Qualität ausliefern und keine Kompromisse eingehen. Wir hatten vor dem Start des Crowdfundings schon Prototypen hergestellt, die sehr gut aussahen und gut performt haben. Bis unsere Produkte aber auch in einer großen Stückzahl perfekt waren, hat es sehr lange gedauert und es gab zwischendurch einige Hürden zu meistern. Wir haben daraus gelernt, nicht aufzugeben und wie wichtig es ist, flexibel auf unvorhersehbare Ereignisse zu reagieren. Inzwischen arbeiten wir zusätzlich auch mit Gussexpert:innen zusammen, haben noch mehr Expertise aufgebaut und die Produktion läuft stabil – aber der Weg dahin war nicht immer einfach.
Wie findet man die passenden Mitarbeiter:innen für sein Startup?
Köstler: Wir glauben, der Schlüssel ist, dass man eine Marke und ein interessantes Image aufbaut. Wir haben es mit unserem Employer Branding zum Beispiel auf die Liste der Top Startup Arbeitgeber 2022 von Business Punk geschafft, worauf wir sehr stolz sind. Gleichzeitig ist es ein Vorteil, dass wir – unter anderem über den Food Innovation Hub Kitchentown – gut in der Startup- und Food-Szene vernetzt sind. Wenn wir einen Bereich oder Kanal neu erschließen möchten, arbeiten wir gerne erst mal mit Agenturen oder Freelancer:innen zusammen. Erst wenn klar ist, dass wir die Stelle langfristig intern besetzen möchten, suchen wir nach passenden Mitarbeiter:innen – so stellen wir sicher, dass jeder Hire sehr gut überlegt ist. Bevor wir neue Mitarbeiter:innen einstellen, planen wir genau, welche Aufgabenbereiche betroffen sind und definieren genau, welche Soft und Hard Skills für die Stelle notwendig sind. Neben den Skills ist es uns genauso wichtig, dass der Team-Fit passt. Das wird immer eine zentrale Rolle spielen, aber insbesondere in einem sehr kleinen Team – wir sind aktuell zu siebt – ist es sehr wichtig, dass es untereinander zu 100 % passt. Bei den letzten beiden Anstellungen haben wir außerdem sehr gute Erfahrungen mit einem Recruiter gemacht, der uns beim gesamten Prozess stark unterstützt und Vorgespräche geführt hat.
Welchen Tipp hast Du für andere Gründer:innen?
Mierzwa: Tauscht euch von Anfang an mit anderen aus – klingt simpel, ist aber sehr effektiv. Geht auf Meetups und Events, kontaktiert Leute (z. B. bei LinkedIn), tretet Gruppen oder Communitys bei und lernt dazu. Denn: Alle Hürden, die ihr bewältigen müsst, hat jemand anderes wahrscheinlich schon mal ähnlich erlebt. Man kann sich gegenseitig helfen und Tipps geben, manchmal hat man sogar das Glück, dass daraus großartige Freundschaften entstehen. Was außerdem hilft, ist, früh ins Gespräch mit den potenziellen Kund:innen zu gehen und den Product-Market-Fit sicherzustellen. Dabei müsst ihr keine Sorge haben, dass jemand die Idee stiehlt – das Geheimnis liegt in der Umsetzung. Baut eine E-Mail-Liste auf, führt Umfragen durch, holt euch Feedback und lasst die potenziellen Kund:innen am Entstehungsprozess der Marke und den Produkten teilhaben – so kann man sicherstellen, nicht am Markt vorbei zu entwickeln.
Ohne welches externe Tool würde Dein Startup quasi nicht mehr existieren?
Köstler: Wir machen uns nicht so abhängig von einem Tool, dass unser Unternehmen daran scheitern würde. Aber ungern hergeben würden wir Shopify für unseren Online-Shop, das CRM-Tool Klaviyo, Typeform für Community-Umfragen, unsere Business Intelligence Softwarelösung KLAR, Notion für das interne Management, Google Cloud, Slack, Miro und ChatGPT. Für all diese Tools gibt es aber auch Alternativen. Anfangs haben wir zum Beispiel für CRM mit Mailchimp gearbeitet, was deutlich günstiger ist als Klaviyo und für Umfragen anstatt Typeform Google Forms genutzt – das funktioniert auch gut und ist sogar kostenlos.
Wie sorgt Ihr bei Eurem Team für gute Stimmung?
Mierzwa: Wir haben einen Slack-Channel, der “customerlove” heißt. Da teilen wir immer positive Nachrichten oder Kommentare aus der Community mit dem Team, das sorgt für Motivationsboosts und gute Laune. Außerdem veranstalten wir regelmäßige Teamessen bei unseren Lieblingsrestaurants.
Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Köstler: Als wir im Oktober 2020 unser Crowdfunding-Finanzierungsziel von 20.000 € drei Minuten nach dem Start der Kampagne erreicht haben, konnten wir es selbst kaum fassen. Allein am ersten Tag der Crowdfunding-Kampagne haben wir etwa 450.000 € eingesammelt, nach knapp 30 Tagen waren es fast 1,24 Mio. € von rund 8.000 Stur Unterstützer:innen. Das war ein unglaubliches Gefühl!
Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag aus? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.