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Pee & Bob: Wenn Gründerin und Investor Fans voneinander sind
Gerade in der letzten Zeit hört man immer wieder von Fällen, in denen Investoren unmögliche Verhandlungstaktiken an den Tag legen, um die Bewertung so weit es nur geht zu drücken. Zuvor waren es eher die Gründerteams, die gerne einmal mit der erzielten Bewertung ihr Ego pushten. Doch sinnvoll, um damit eine langfristige Zusammenarbeit zu starten, ist weder das einige noch das andere. Anna Wirsching von Pee & Bob zeigte in “Die Höhle der Löwen”, wie man von vornherein einen ganz anderen Ton anschlägt.
Löwen wie Zuschauer merkten es wohl schon nach den ersten Sätzen: hier stand eine ganz besondere Gründerin vor ihnen. Eine, die für ihr Produkt brannte, die Spaß am präsentieren und verkaufen hatte – und die sich überhaupt nicht verstellen musste, um den bestmöglichen Eindruck zu hinterlassen.
Schon nach dem Pitch hagelte es Lob, da Gründerin Anna ihren Vortrag mit soviel Freude und Elan hielt, dass alle fünf Löwen selbst mit um die Wette strahlten.
Dabei war das Thema ihres Startups gar nicht mal eines, bei dem man große Begeisterungsstürme erwarten dürfte: Pee & Bob steht für ein mobiles Kinder-Töpfchen, so dass es in Zukunft für Eltern viel einfacher wird, wenn die Kleinen unterwegs plötzlich dringend ihr großes Geschäft erledigen müssen.
Denn dass das ein Problem darstellt, wird von allen Löwen bestätigt, schließlich haben sie selbst Kinder und die von der Gründerin beschriebene Situation alle schon einmal durchgemacht. Doch mit Pee & Bob soll das Geschichte sein: das Grundgestell ist schnell aufgebaut, hinein kommt eine Plastiktüte mit speziellem Saugkern, und anschließend lässt sich das so abgepackte Geschäft einfach und sauber im nächsten Mülleimer verstauen. Das Gestell selbst ist dann schnell wieder zusammengepackt und platzsparend verstaut.
Und dafür hagelt es Begeisterungsstürme? Ja, aber die gelten vor allem Gründerin Anna. Nicht nur den Pitch meistert sie mit einer sagenhaften Ausstrahlung, auch auf alle Fragen hat sie eine Antwort und immer wieder strahlt die Begeisterung für ihr Produkt durch.
Kein Löwe verliert ein schlechtes Wort, trotzdem steigt Nils Glagau aus, weil ihn die Gründerin zwar umhaut, das Produkt aber anscheinend doch nicht so seins ist. Auch Tillmann Schulz ist begeistert von ihr, kann aber nicht so sehr helfen, wie er gerne möchte.
Was viele jedoch überraschen dürfte: Carsten Maschmeyer, der sonst eher an den Tech- und Gesundheitsthemen der nächsten Generation interessiert ist, sagt erst einmal nicht ab, sondern betont, dass bei ihm die Gründer immer vor dem Produkt kommen. Erst nachdem es zwei Angebote gibt, verabschiedet auch er sich. Hätte er es etwa nicht so weit kommen lassen wollen, die begeisternde Gründerin ohne Deal aus der Höhle zu lassen?
Doch das muss er nicht, denn Dagmar Wöhrl eröffnet das Bieten, und zwar genau mit dem Deal, den die Gründerin sich gewünscht hat: 30.000 € für 10%. Ralf Dümmel schließt sich an, betont aber, dass er mindestens 20% braucht, damit das Investment für ihn Sinn macht. Das hat man schon häufiger von ihm in der Höhle gehört. Bemerkenswert ist jedoch, dass er gleichzeitig – völlig ohne weitere Verhandlung – die Investitionssumme anhebt, so dass auch bei seinem Deal die Bewertung 300.000 € beträgt: Er bietet ganze 60.000 € für die gewünschten 20%.
Dagmar Wöhrl zieht anschließend gleich und lässt die Gründerin sogar auswählen, ob sie den ursprünglichen Deal oder den gleichen Deal wie von Ralf Dümmel angeboten mit ihr eingehen möchte.
Doch was genau könnte der Grund für das Verhalten der Löwen sein? Mangelnde Lust zu verhandeln? Ja und nein. Kein Investor verzichtet wohl einfach aus einer Laune heraus aufs Verhandeln.
Doch was Gründerin Anna hier geschafft hat, ist etwas ganz Besonderes: sie hat den Investoren durch ihre herausragende Persönlichkeit einfach unglaublich viel Lust darauf gemacht, mit Ihr zusammenzuarbeiten. Sie steht zwar noch relativ am Anfang, ruft aber auch eine sehr faire Bewertung auf. Das signalisiert Investoren auch, dass sie sich der Phase, in der ihr Unternehmen gerade steckt, bewusst ist, aber auch des Wertes der Investoren, und mit ihnen zusammen weiter nach vorne kommen will.
Sie reißt mit, ohne künstliches Storytelling, begeistert, ohne übertriebene Visionen aufzumalen. Man glaubt ihr einfach, was sie erzählt, glaubt ihr ihre Stories und ihre Visionen bis zum letzten Wort. Und eine solche Begeisterung, aber auch eine solche Nahbarkeit können jegliches Gefälle zwischen Gründer:innen und Investoren verhindern. So kann es passieren, dass schon längst über Strategien und nächste Schritte gesprochen wird, wo andere noch um die letzten Prozente feilschen.
Das ist nicht nur angenehmer, sondern lenkt die Energie in die richtige Richtung: alles fließt von Anfang an in das Wachstum des Unternehmens. Denn schließlich will man noch lange erfolgreich zusammenarbeiten, und nur die wenigsten richtig erfolgreichen Partnerschaften beginnen mit einem Gegeneinander.
Die Gründerin hält in diesem Fall zwar noch Rücksprache mit ihrem Mann, der sich anscheinend eher an den Zahlen festklammert, entscheidet sich aber schließlich doch für Ralf Dümmel, denn von ihm ist sie wohl schon immer ein Fan. Er freut und betitelt sich selbst als “Anna-Fan” bei der anschließenden Umarmung.
Einen passenderen Abschluss hätte dieser Fall wohl nicht bekommen können: denn Gründer:innen und Investoren müssen nicht Gegner sein, so lange sie noch verhandeln. Sie können auch als gegenseitige Fans von vornherein eine gute Zusammenarbeit starten.
Die Höhle der Löwen – Vom Pitch zum Deal
Startup-Expertin Ruth Cremer (die für uns regelmäßig über die Gründer-Show schreibt) berät in “Die Höhle der Löwen”, Gründer*innen bei der Vorbereitung auf ihren großen Auftritt. In ihrem Buch nimmt sie alle, die sich für die faszinierende Welt der Startups interessieren, selbst gründen wollen oder überlegen, erstmals zu investieren, mit hinter die Kulissen der erfolgreichen TV-Show. Sie zeigt, worauf es bei einem Pitch ankommt, entschlüsselt die Codes von Investoren und verrät, wie man vor ihnen besteht..
Ruth Cremer: “Die Höhle der Löwen – Vom Pitch zum Deal”, Goldmann, 336 Seiten, ab 12,99 Euro. Jetzt bei amazon.de bestellen
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