#Interview
“Ein Schulfach ‘Unternehmertum’ hätte uns einiges erleichtert”
Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst, bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Dieses Mal antworten Uli Heintz und Larissa Walter, die beiden Gründerinnen von Zoé Lu. Das Startup aus München ist bekannt für wandelbare Designer-Handtaschen.
Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Heintz: Bei Zoé Lu spielt es eine große Rolle, unsere Community zu inspirieren und ihnen Styling-Ideen an die Hand zu geben. Daher startet unser Tag immer mit der sorgfältigen Auswahl des OOTD und der zum Look passenden Tasche mit Wechselklappe aus der Zoé Lu Kollektion. Da wir beide im selben Haus in zwei übereinanderliegenden Wohnungen leben, treffen Larissa und ich uns meist im Fahrstuhl und posten erstmal ein Selfie mit verlinkter Taschenkombination. Diesen persönlichen Touch unserer Brand schätzt unsere Community sehr. Es ist großartig, dass wir nicht nur zusammen arbeiten, sondern auch Nachbarinnen sind und uns dadurch jederzeit als Freundinnen aushelfen und unterstützen können. Nach einem Stopp in der Kita, wo ich meinen Sohn hinfahre, treffen wir uns im Büro wieder. Für den Start in den Tag darf natürlich der Cappuccino an unserer gemütlichen Theke nicht fehlen. Dort besprechen wir noch unsere Aufgaben des Tages – die ToDo‘s werden sortiert und neu priorisiert. Meist beginnen dann schon direkt die ersten Meetings, bei mir mit dem Content-Team, bei Larissa mit dem Design-Team.
Wie schaltest Du nach der Arbeit ab?
Walter: Mittlerweile können wir abschalten. Das war aber ein längerer Lernprozess. Als Gründerin eines Startups ist man eben nie “fertig”. Besonders, wenn man mit der besten Freundin gründet, so wie ich es getan habe, geht es selbst in der Freizeit fast immer um Zoé Lu. Neue Ideen, Erkenntnisse und Geschichten werden natürlich sofort geteilt – auch am Abend oder am Wochenende. Mit der Übergabe von Aufgaben und Verantwortung an unsere Mitarbeiter fällt es uns nun aber leichter, auch mal im Urlaub den Laptop im Schrank zu lassen. Die Zeit mit Familie, Kind und Freunden, aber auch Sport wie Mountain-Biken und Joggen oder Wochenend-Trips sind mir extrem wichtig, um auf andere Gedanken zu kommen und abzuschalten.
Was über das Gründer:innen-Dasein hättest Du gerne vor der Gründung gewusst?
Heintz: Wir sind ziemlich ins kalte Wasser gesprungen, da wir beide Design studiert hatten und keine von uns einen Business-Background hat. Ein Schul- oder Studiums-Fach “Unternehmertum” hätte uns sicher einiges erleichtert – angefangen bei der Wahl der richtigen Gesellschaftsform, über das Vertragswesen, Buchhaltung und Bilanzierung bis hin zur Mitarbeiterführung. Als Unternehmerin ist man plötzlich für die unterschiedlichsten Bereiche verantwortlich, mit denen man vorher noch nie in Berührung gekommen ist. Wir haben uns demnach vieles peu à peu selbst angeeignet – ich habe mich anfangs komplett um den Online-Shop gekümmert sowie um die Finanzen, Larissa hat allein unser Marketing verantwortet. Das hat es auf der anderen Seite aber auch spannend gemacht, da wir jeden Tag sehr viel Neues gelernt haben und bis heute noch lernen.
Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstest?
Walter: Eine der größten Hürden war definitiv die Lieferantensuche. Unsere Idee war da. Der Wille, etwas innovatives auf die Beine zu stellen, ebenfalls. Aber der Produzent hat gefehlt und die anfänglich sehr kleinen Produktionsmengen haben es extrem schwierig gemacht. Zu Beginn hatten wir noch das hehre Ziel, in Deutschland zu produzieren. Das ist jedoch an nicht mehr existenten Produktionsstätten gescheitert. Weiter ging die Suche. Zuerst in Italien, wo die Lieferanten jedoch sehr unzuverlässig waren und sich die Musterungsprozesse in die Länge zogen. Dann in Portugal – portugiesische Produktionsstätten waren bereit, unsere Aufträge anzunehmen, jedoch wurden die Taschen in Indien gefertigt und in Portugal lediglich gefinisht. Schlussendlich haben wir über einen guten Kontakt einen Lieferanten in Indien gefunden, der an uns und unsere Idee geglaubt hat. Wir sind sehr dankbar über diese nun schon langjährige und erfolgreiche Zusammenarbeit.
Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
Walter: Fehler gehören natürlich dazu und demnach sind auch wir nicht davon verschont geblieben. Ein impulsiv gesponsertes Event ohne klare Vereinbarungen? Das würden wir definitiv zu einem unserer ersten Lernmomente zählen. Rückblickend hätten wir hier nicht so blauäugig handeln und das ganze vorab besser durchdenken und schriftlich festhalten sollen. Keine einzige Instagram-Erwähnung haben wir erhalten; dafür waren 50 Taschen-Kombis an Influencerinnen „verschenkt“. Generell haben wir gelernt, dass es am Ende Zeit und Nerven spart, Verträge und Vereinbarungen (intern sowie extern) im Vorfeld ordentlich zu durchdenken, zu verhandeln und aufzusetzen. Verhandeln ist also auf jeden Fall eines unserer wichtigen und frühesten Learnings.
Wie findet man die passenden Mitarbeiter:innen für sein Startup?
Heintz: Für uns ist es extrem wichtig, motivierte Mitarbeiter:innen zu finden, die eigenverantwortlich und kreativ arbeiten. Die Arbeit bei Zoé Lu soll Freude machen – im Team unterstützen wir uns gegenseitig und schätzen die Ideen und vielfältigen Meinungen aller. Dies vermitteln wir schon in den ersten Gesprächen, wodurch wir herausfinden, ob die Bewerber:innen zu Zoé Lu passen. Über einen Case, den wir im Bewerbungsprozess ausarbeiten lassen, lässt sich die Arbeits- und Herangehensweise der Bewerber:innen beurteilen. Bisher hatten Larissa und ich meist das richtige Bauchgefühl und Urteilsvermögen und haben es geschafft, ein tolles Team zusammenzustellen.
Welchen Tipp hast Du für andere Gründer:innen?
Walter: Erstens: Wir hören immer auf unser Bauchgefühl. In den Fällen, wo wir es nicht getan haben, wurde es auch nicht gut. Zweitens: Es geht immer weiter – geht irgendwo eine Tür zu, geht woanders eine auf. Man muss nur die Augen und Ohren offenhalten, Chancen ergreifen, wenn sie sich bieten und vor allem auch flexibel bleiben. Drittens: Dinge einfach mal machen, auch bevor sie perfekt umgesetzt sind. Weg von der Perfektion hin zur kreativen Spontaneität.
Ohne welches externes Tool würde Dein Startup quasi nicht mehr existieren?
Heintz: Instagram! Ohne Instagram hätte es nie zu existieren begonnen – zumindest nicht so gut wie es für uns gelaufen ist. Durch Instagram und Influencer-Marketing konnten Larissa und ich viele Menschen für unsere Tasche begeistern und haben eine Wahnsinns-Community aufgebaut ohne ein riesiges Investment im Hintergrund zu haben. Durch dieses Tool konnten wir unser Startup aus dem Hobby-Raum von Larissas Eltern skalieren zu einem Unternehmen mit einem Millionen-Umsatz.
Wie sorgt Ihr bei Eurem Team für gute Stimmung?
Heintz: Einer unserer wichtigsten Werte ist Freude: Wenn Du etwas machst, dann mach es mit Freude. Wir haben unser Unternehmen mit Begeisterung für unser Produkt gegründet und dieser Spirit ist auch in unserem Team spürbar. Wir wollen, dass sich alle wohl fühlen, denn man verbringt tagsüber mehr Zeit in der Arbeit als zu Hause. Deshalb liegt uns eine angenehme Arbeitsatmosphäre für unser Team sehr am Herzen. Einige unserer Mitarbeiterinnen waren vorher sogar schon unsere Kundinnen. Sie haben die eigene Begeisterung für das Produkt also zu ihrem Beruf gemacht. Zuletzt natürlich das gemeinsame Arbeiten am Erfolg von Zoé Lu: Jeder ist ein Teil davon und kann sich täglich mit eigenen Ideen einbringen. So macht arbeiten Spaß. Abgerundet wird das ganze durch unsere Teamevents, gemeinsames Kochen im Büro, oder den täglichen Plausch an unserer schönen Bar.
Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Walter: Das war ganz am Anfang – im Jahr 2018 – nach einer langen Flaute ohne Verkäufe. Aus Verzweiflung, weil wir nichts verkauft haben, hatte ich im August 2018 mit einem Mini-Budget Instagram Ads geschaltet, ohne dabei wirklich Expertise zu haben. Diese Ads wurde zumindest von einer Person, einer Influencerin, gesehen. Sie war total begeistert von unserem Konzept und zufällig aus dem Raum München. Sie kam sofort im Büro vorbei, um die Taschen ihrer Community zeigen zu können. Das tat sie dann in einer fast 20minütigen Instagram-Story – heute unvorstellbar. Daraufhin hat ihre Community begeistert unseren Shop leergekauft. Das war für uns der Schlüsselmoment, dass die richtige Auswahl an Influencer:innen einen wahnsinnigen Impact auf unsere Brand hat und es einen Market-fit für unser Produkt gibt. Viele dieser Kund:innen sind bis heute Teil unserer Zoé Lu Community.
Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag aus? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.