#Interview

“Wir haben den Pivot quasi im laufenden Betrieb gemacht”

Qunomedical startete einst als Marktplatz rund um das Thema Arztsuche im In- und Ausland. Inzwischen digitalisiert das Team Krankenhäuser. "Dass wir jetzt auch ein SaaS-Anbieter sind, mussten die Leute da draußen erstmal verstehen", sagt Gründerin Sophie Chung.
“Wir haben den Pivot quasi im laufenden Betrieb gemacht”
Dienstag, 26. März 2024VonAlexander

Das Berliner Startup Qunomedical, 2016 von Sophie Chung gegründet, startete einst als Marktplatz rund um die Arztsuche im In- und Ausland. Inzwischen digitalisiert das Unternehmen Krankenhäuser. “Viele Krankenhäuser haben uns gefragt, ob wir die Software, die wir für die Planung der Behandlungen, die via unseren Marktplatz gebucht werden, auch als White-Label anbieten. Das war der Start für unser B2B-SaaS-Produkt Qunosuite. Wir sind eine Art CRM-Lösung für Krankenhäuser”, sagt Chung. Derzeit arbeiten 70 Mitarbeitende für die Software-Firma.

Investoren wie Bertelsmann Investments, DvH Ventures, MS&AD Ventures, Calm Storm, Kima Ventures, Project A Ventures und 500 Startups investierten in den vergangenen Jahren rund 15 Millionen Euro in Qunomedical. Den Pivot machten die Geldgeber wohl gerne mit. “Wir haben tolle Investor:innen. Ganz nüchtern betrachtet, ist in den aktuellen Zeiten eine B2B-SaaS-Story im Healthcare für Investor:innen sicherlich auch einfach spannend, weil die Notwendigkeit und damit das Potential groß ist”, erzählt die Qunomedical-Macherin. 

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht die Jungunternehmerin einmal ausführlich über den Pivot von Qunomedical.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Qunomedical erklären?
Wir schaffen das Papier in Krankenhäusern ab. Wir sorgen dafür, dass sie immer wen erreicht oder sie zurückgerufen wird. Wir helfen, dass viele Dinge im Krankenhaus schneller passieren und dass Ärzt:innen wie Pfleger:innen mehr Zeit mit ihr verbringen können, falls sie mal ins Krankenhaus muss.

War dies von Anfang an euer Konzept?
Patients First. Patient:innen standen immer im Fokus von Qunomedical. Mit allem, was wir tun, möchten wir dafür sorgen, dass es Menschen, vor-, während und nach der Behandlung besser geht. Angefangen haben wir mit einem klassischen Marktplatzmodell. Wir haben Menschen dabei geholfen, die richtigen Ärzt:innen im In- und Ausland zu finden und haben ihre gesamte Patientenjourney digital begleitet und uns um den Patienten gekümmert. Dann kam Corona und unser Marktplatzmodell leider zum Erliegen. Das war keine einfache Zeit. Gleichzeitig stieg der Bedarf der Krankenhäuser nach digitalen Lösungen für die Patientenjourney. Viele Krankenhäuser haben uns zunehmend angesprochen und gefragt, ob wir die Software, die wir für die Planung der Behandlungen, die via unseren Marktplatz gebucht werden, auch als White-Label anbieten. Das war der Start für unser B2B-SaaS-Produkt Qunosuite, mit dem wir nun am Markt sind. Wir sind eine Art CRM-Lösung für Krankenhäuser. 

Wie genau hat sich Qunomedical durch diesen Pivot verändert – auch in Bezug auf die Mitarbeiter:innen?
Wir mussten natürlich neue Kompetenzen aufbauen, vor allem auch auf der kommerziellen Seite, also im Vertrieb, im Account Management und im B2B-Marketing. Denn als Marktplatz hatten wir diese B2B-SaaS-Positionen natürlich vorher nicht im Unternehmen. Gleichzeitig mussten wir auch unsere Produktentwicklung etwas verändern. Dafür haben wir alles für Patient:innen gebaut. Jetzt drehen sich unsere Fragestellungen auch um Systemintegrationen, um die User Experience für Ärzt:innen und das Krankenhauspersonal. Das ist deutlich komplexer, weil wir unsere Stakeholderanzahl immens vergrößert haben. Aber unser Impact ist dadurch natürlich auch größer.

Was war die größte Herausforderung, was die größte Schwierigkeit bei diesem Wandel?
Alle auf dieser Reise mitzunehmen, allen voran unser Team, die Investor:innen und natürlich auch die Öffentlichkeit. Dass wir jetzt auch ein SaaS-Anbieter sind, mussten die Leute da draußen erstmal verstehen. Wir haben den Pivot ja quasi als “fliegenden Wechsel” gemacht, d. h. im laufenden Betrieb haben wir das Marktplatz-Geschäft runtergefahren und das SaaS-Geschäft hochgefahren, ohne dabei an Produktivität zu verlieren. Das war ein Drahtseilakt, der uns am Ende aber sehr gut gelungen ist.

Wie haben Eure Investoren auf Euren Pivot reagiert?
Ich bin total dankbar für das Vertrauen und den Support, den wir fast ausnahmslos bisher erhalten haben. Wir haben tolle Investor:innen, die teilweise schon sehr lange unsere Wegbegleiter sind und uns zur Seite stehen. Ganz nüchtern betrachtet, ist in den aktuellen Zeiten eine B2B-SaaS Story im Healthcare für Investor:innen sicherlich auch einfach spannend, weil die Notwendigkeit und damit das Potential groß ist.

Welchen Tipp gibst du anderen Gründer:innen, die vor einem Pivot stehen?
Als Gründer:in muss man sich klar machen, dass man den Pivot sehr klar begründen und die Motivation dahinter verstehen muss. Machst du es, weil es eine Notlösung ist oder weil du fundamental daran glaubst, dass du einen besseren Weg gefunden hast, deine Vision zu erreichen? Natürlich spielen Faktoren wie Markt, Kund:innen, Investor:innen hierbei auch eine Rolle. Man sollte aber nur einen Pivot machen, wenn man 150% davon überzeugt ist, dass es das Wert ist, das aktuelle Business auf links zu drehen.

Derzeit herrscht wieder Krisenstimmung in der deutschen Startup-Szene. Mit welchen Erwartungen blickst Du auf die kommenden Monate?
Dass die Zeiten herausfordernd sind, merken natürlich auch wir. Auch bei uns schauen Investor:innen aktuell genauer hin und wir müssen unsere Kosten sehr genau im Blick haben. Gleichzeitig sind wir fest davon überzeugt, dass wir mit unserer Lösung Qunosuite einen großen Unterschied im Gesundheitssystem machen können und nicht nur die Patientjourney verbessern, sondern so auch Krankenhäusern zu mehr Wirtschaftlichkeit verhelfen. Ganz getreu unserem Motto: Happy patients, happy hospitals! Insofern: Es bleibt herausfordernd, aber ich bin optimistisch.

Wo steht Qunomedical in einem Jahr?
Wir werden einige größere Krankenhäuser mit unserer Software Qunosuite ausgestattet und den Funktionsumfang unserer Software nochmal enorm erweitert haben und über eine halbe Million Patient:innen mit unserer Software betreuen.

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Foto (oben): Qunomedical

Alexander

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.