#Interview
“Wir waren vernarrt in die Idee, eigene Software zu entwickeln”
Das Bremer LegalTech rightmart, das 2015 von Marco Klock, Philipp Harsleben, Jan Frederik Strasmann, Philipp Hammerich gegründet wurde, setzt auf digitale Rechtsdienstleistungen. Zum Unternehmen gehören Marken wie hartz4widerspruch.
“Insgesamt beschäftigt die rightmart Gruppe 500 Mitarbeitende, davon circa 60 Rechtsanwält:innen. Wir werden 2024 einen achtstelligen Umsatz in der oberen Hälfte generieren, indem wir in etwa 700.000 Verbraucher:innen mit Rechtsproblemen helfen”, sagt Gründer Marco Klock zum Stand der Dinge bei rightmart.
Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der rightmart-Macher außerdem über Rechtsprobleme, schnelle Entscheidungen und den Standort Bremen.
Wie würdest Du Deiner Großmutter rightmart erklären?
Liebe Oma, die es leider nicht mehr gibt: Die Marke rightmart steht für eine Kanzlei für Verbraucherrecht, wir können Dir alle rechtlichen Probleme abnehmen, die du im Alltag hast – Deine Knöllchen, deinen Streit mit den Nachbarn oder deine strittige Pflegestufe bei der Sozialversicherung. Und wir haben es geschafft, die größte Verbraucherkanzlei in Deutschland zu sein. Frag mich nicht, wie.
War dies von Anfang an euer Konzept?
Dass wir uns als Kanzlei für Verbraucher:innen verstehen, ist ein neues Selbstverständnis. Das war für uns der größte Pivot. Wir sind – wie flightright, advocado, rightnow usw. – als LegalTech gestartet und haben uns auf Software und Produkt fokussiert. Und auch heute sind wir im Herzen noch eine LegalTech-Kanzlei. Ohne Daten und Software wären wir nicht da, dennoch war unser Fokus in den letzten Jahren, unsere Expertise in den verschiedenen Rechtsgebieten auszubauen. Gestartet sind wir mit Sozialrecht, mittlerweile vertreten wir fast alle für Verbraucher:innen relevanten Rechtsgebiete – von Mietrecht bis zu Verkehrsrecht. Was es in dieser Form in Deutschland bisher noch nicht gibt. Mit der Vision, wirklich jedes Rechtsproblem, auch die komplexeren, abzubilden, ist das Selbstverständnis als Dienstleister und Kanzlei für uns wichtig und fundamental.
Zuletzt konntet ihr 27,5 Millionen Euro einsammeln. Wofür braucht ihr all das Geld?
Wir haben fast im gleichen Atemzug das größte LegalTech übernommen, Legal One. Dies hat dazu geführt, dass wir uns verdoppelt haben. Aber auch darüber hinaus haben wir viele Potenziale, die wir heben wollen: Software und AI, Ausbau unserer BI, neue Produkte in Form von Rechtsdienstleistungen und vor allem neue Geschäftsmodelle, die am Ende dazu beitragen sollen, dass Rechtsdienstleistungen für Verbraucher:innen günstiger werden. Die Finanzierung dieser Modelle bindet Kapital. Es ist zusätzlich davon auszugehen, dass wir künftig mehr in Brand investieren werden.
Wie genau hat sich rightmart seit der Gründung entwickelt?
rightmart besteht aus vielen Gesellschaften und angegliederten Kanzleigesellschaften. Insgesamt beschäftigt die rightmart Gruppe 500 Mitarbeitende, davon circa 60 Rechtsanwält:innen. Wir werden 2024 einen achtstelligen Umsatz in der oberen Hälfte generieren, indem wir in etwa 700.000 Verbraucher:innen mit Rechtsproblemen helfen.
Es herrscht weiter Krisenstimmung in der deutschen Startup-Szene. Mit welchen Erwartungen blickst Du auf die kommenden Monate?
rightmart hat sich immer antizyklisch entwickelt, was auch daran liegt, dass der Rechtsmarkt stetig gewachsen ist. Heute ist der Rechtsmarkt, allein für Verbraucher:innen in Deutschland, bei einer Größe von circa acht bis zehn Milliarden Euro angekommen. Wenn Probleme entstehen, müssen Lösungen her. Darüber hinaus erwarte ich allerdings, dass Startups und auch Growth-Stories weiterhin das Geld erhalten, das sie brauchen. Dass weiterhin Geld für gute Ideen vorhanden ist, zeigt der Kapitalmarkt. Es ist eine gute Zeit zum Gründen, aber jeder und jede sollte sich darauf einstellen, etwas konservativer mit dem Cashflow umzugehen.
Euer Firmensitz ist Bremen. Was zeichnet die Startup-Szene vor Ort aus?
Wobei die Hälfte unserer Mitarbeitenden in Berlin sitzt. Wir sind also eine 50/50-Company. Wir Gründer wohnen größtenteils in Bremen und das hat uns gerade in den ersten Jahren auch die notwendige Ruhe gebracht. Bremen ist kleiner, weniger aufgeregt und norddeutsch. Hier zählen Zahlen und die Regeln der Kaufleute, das hilft und prägt ehrlicherweise auch. Mittlerweile gibt es in Bremen einige Erfolgsstories und es besteht ein regelmäßiger Austausch. Durch die starke Verwurzelung der Bremer:innen mit ihrer Stadt erleben wir auch oft, dass High-Potentials aus Berlin, Hamburg oder München zurück nach Bremen kommen und dann auf Tech-Companies wie unsere treffen, die dann im Vorteil sind. Das Problem daran ist, dass dies zeitlich kaum ohne Headhunter beeinflusst werden kann. Deshalb sind wir auch froh, seit letztem Jahr einen Standort in Berlin zu haben – die perfekte Mischung aus Ruhe und Lärm.
Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Am Anfang haben wir uns hauptsächlich auf die Entwicklung von Technologie konzentriert, noch bevor wir mit unseren Partnerkanzleien irgendeinen Fall bearbeitet haben. Das hat uns Jahre und Millionen gekostet. Wir waren vernarrt in die Idee, eigene Software zu entwickeln. Mittlerweile wissen wir: gute Software ist wichtig, aber noch wichtiger für ein erfolgreiches Unternehmen in unserem Markt sind Sales, Marketing, Business Development, Strategie und Operations. Wir haben dann über die Zahlen erst gelernt, was es heißt, Gründer und Unternehmer zu sein. Später haben wir das hart korrigiert und unsere Lehren daraus gezogen.
Und wo habt Ihr bisher alles richtig gemacht?
Wir haben uns nie über Prinzipien gestritten und uns immer wieder reflektiert. Das führte dazu, dass wir noch heute mit einem großen Spaß an die Sache rangehen und jeden Tag bei rightmart genießen. Wir fühlen uns fast als Familienunternehmer und möchten so auch noch lange weitermachen. Rückblickend würde ich sagen, dass rightmart nur deshalb so groß werden konnte, weil wir immer wieder die Energie aufgebracht haben, uns zu fragen, was wirklich sinnvoll ist, was wirklich funktioniert und wer von uns was einbringen kann, ohne dabei einer falschen Eitelkeit zu unterliegen. Persönlich bin ich immer happy darüber, die ganzen Jahre offen und ehrlich im Markt gewesen zu sein. Wir haben immer unsere Strategie geteilt, größtenteils auch unsere Zahlen und sind unseren Weg gegangen. Das fühlt sich gut an, wenn man darauf zurückblickt und ist leider auch nicht selbstverständlich.
Welchen generellen Tipp gibst Du anderen Gründer:innen mit auf den Weg?
Schnelle Entscheidungen, die auswertbar sind, sind besser als gar keine oder zu langsame Entscheidungen. Dieser Spirit muss im ganzen Team vorhanden sein. Dazu würde ich vor der typischen Gründerkrankheit warnen wollen, zu viel Komplexität aufzubauen. 80/20 beziehungsweise das Pareto-Prinzip gilt fast für jede Disziplin, insbesondere bei einer Wachstumsstory. Es kann nicht alles perfekt sein und das wird es auch nicht. Der Fokus muss auf den richtigen Prioritäten liegen und so schnell wie möglich wechseln, wenn der Nutzen ausgereizt ist. Kümmere dich nicht um die Kaffeebohne in der Teeküche, sondern darum, dass es Kaffee gibt. Du schaffst das durch knallhartes Fokussieren auf die wichtigen und dringendsten Prioritäten – Tag für Tag. Ach ja und: Finanzierung ist kein Selbstzweck. Ruhe bewahren. E-Mails auch mal liegen lassen.
Wo steht rightmart in einem Jahr?
Ich würde mir wünschen, dass rightmart 2025 eine klar erkennbare Brandstory verkörpert, die zeigt, wie wichtig unsere Vision, einen gerechteren Rechtsmarkt mitzugestalten, ist. Nach wie vor ist Recht eine Frage des Geldes, insbesondere für Menschen ohne Rechtsschutzversicherung. Mit Technologie, Daten und der richtigen Größe kann sich das ändern, Recht wird günstiger. Und das wollen wir den Verbraucher:innen in den nächsten Jahren vermitteln. Wir haben daneben aber noch ganz viel zu erledigen, von Post-Merger-Integration bis hin zur Brandpositionierung und dem Aufbau wesentlicher Dienstleistungen. Es ist wirklich ein Marathon.
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