Von Alexander
Montag, 12. Februar 2024

“Als wir Raus gründeten, hatten uns Investoren reihenweise abgesagt”

Das Raus-Team, das "kleine, mobile Ferienunterkünfte auf dem Land" vermietet, konnte bereits 15 Millionen einsammeln. "Für neuartige Ideen braucht es immer ein paar Verrückte, im positivsten Sinne des Wortes, die an Dich und Deine Idee glauben", sagt Gründer Julian Trautwein.

Das Berliner Startup Raus, das 2021 von den Schulfreunden Christopher Eilers, Johann Ahlers und Julian Trautwein gegründet wurde, entwickelt “zeitgemäße Rückzugsorte außerhalb der Stadt mit smarten, nachhaltigen Cabins”. In den vergangenen Jahren flossen bereits rund 15 Millionen Euro in das Unternehmen – unter anderem von Roch Ventures, Speedinvest, 10x Founders, Rockaway Ventures, Dupuis Investment und Rivus Capital. Mehr als 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wirken derzeit für Raus.

Zuletzt expandierte das Unternehmen nach Österreich. “Österreich ist unser erster internationaler Markt über die Grenzen von Deutschland hinaus. Wir sehen Österreich als Sprungbrett für die Internationalisierung und planen definitiv, auch darüber hinaus in weitere Länder zu expandieren. Wir sind überzeugt, dass unser Konzept länderübergreifend erfolgreich sein wird”, sagt Gründer Julian Trautwein.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der Raus-Macher außerdem über Krisenzeiten, Netzwerke und Komplexität.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Raus erklären?
Da das Konzept von Raus im Grunde genommen recht simpel ist, würde ich gar nicht so weit ausholen: Raus vermietet kleine, mobile Ferienunterkünfte auf dem Land an Naturbegeisterte und Erholungssuchende. Mit komfortablen und durchdacht ausgestatteten Unterkünften schaffen wir Rückzugsorte inmitten der Natur für spontane und unkomplizierte Auszeiten vom Stadtleben mit minimalem Aufwand. Darüber hinaus können unsere GästInnen vielfältige Extras buchen: Aktivitäten wie Alpakawanderungen und Bauernhofbesuche oder kulinarische Erlebnisse mit Verpflegungspaketen lokaler Hofläden – für einen magischen Aufenthalt, von dem unsere GästInnen noch lange schwärmen.

War dies von Anfang an euer Konzept?
Unsere Vision für Raus ist seit Beginn identisch geblieben: Mit Raus wollen wir Menschen nahtlos in die Natur bringen – denn wir glauben fest an die erholsame Wirkung eines bewussten Aufenthalts im Grünen. Mit unserer Plattform für immersive Naturerlebnisse wollen wir Gelegenheiten schaffen, um die Aufmerksamkeit und Energie bewusst an unberührte Orte zu verlagern, sowohl körperlich als auch geistig. Wir sprechen immer von “Time Well Spent”, das ist unser Leitspruch. Wir wollen ermutigen und befähigen, sich Zeit zu nehmen, um alles oder gar nichts zu tun.

Wie hat sich Raus seit der Gründung entwickelt?
Binnen von etwas mehr als zwei Jahren seit unserer Gründung im Oktober 2021 haben wir mehr als 12.000 GästInnen in mehr als 50 Cabins in Deutschland geholfen, Erholung in der Natur zu finden. Das macht uns wahnsinnig stolz. Sowohl der Umsatz als auch die GästInnenzahl sind in den letzten 12 Monaten um das Fünffache gestiegen, unser Buchungsvolumen hat sich verdreifacht und unsere GästInnenzufriedenheit ist überdurchschnittlich hoch. Neben Österreich sind wir auch innerhalb Deutschlands neben Hamburg und Berlin auch in die Regionen rund um Frankfurt, Stuttgart und bald Köln expandiert und bieten unseren GästInnen inzwischen zwei Community-Standorte – unsere Lodge am See in Brandenburg und die Lodge Landsitz in Niedersachsen – mit bis zu 8 Cabins, an denen sie die Schönheit der Natur mit Gleichgesinnten genießen können. Zudem freuen wir uns über die enge Partnerschaft mit Land- und ForstwirtInnen sowie lokalen PartnerInnen, die über Raus ein erhebliches Zusatzeinkommen von durchschnittlich 1.500 Euro pro Monat erwirtschaften und sich so gegen die strukturellen Herausforderungen und die Auswirkungen des Klimawandels absichern können. Unser Team wächst kontinuierlich und es macht mir mega Spaß, Raus gemeinsam mit so vielen talentierten und motivierten Menschen weiterzuentwickeln.

Es herrscht weiter Krisenstimmung in der deutschen Startup-Szene. Mit welchen Erwartungen blickst Du auf die kommenden Monate?
Gerade in Krisenzeiten ist es unglaublich wichtig, zuversichtlich und optimistisch zu bleiben. Natürlich ist das Funding-Umfeld ein ganz anderes, als es noch vor zwei bis drei Jahren der Fall war, aber es macht jetzt keinen Sinn, den Kopf in den Sand zu stecken. Es ist wichtig, diese neue Realität auch anzuerkennen und entsprechend diszipliniert zu handeln und selbstbewusst nach vorn zu blicken. Wir sind mit unserer Idee sehr nah am aktuellen Zeitgeist und bedienen keinen schnell vorübergehenden Hype, sondern decken den Bedarf an gesellschaftlichen und ökologischen Entwicklungen, die uns noch viele Jahre begleiten werden. Als Gesellschaft sind wir wesentlich sensibler geworden für Themen wie Selbstfürsorge und Nachhaltigkeit. Wir wissen um den Effekt, den die Natur auf unser Wohlbefinden hat – und welche wichtige Rolle sie im Kampf gegen den Klimawandel spielt. Achtsamkeit und die Wiederverbundenheit der Menschen mit der Natur ist ein Kernprinzip im Aufbau eines nachhaltigen Unternehmens, das alle Aspekte unseres Angebots umfasst.

Viele Travel-Startups konnten zuletzt trotz allgemeiner Krise wachsen. Denkst Du, dass diese Reiselust anhalten wird?
Die Lust der Menschen auf das Reisen wird definitiv anhalten und sich mehr und mehr in Richtung Nachhaltigkeit und Achtsamkeit verschieben. Viele Menschen fragen sich derzeit, ob die Kultur des Überkonsums, der Digitalisierung und der urbanen Umgebung sie tatsächlich glücklich macht oder ob eine Rückbesinnung auf die Natur und ein minimalistischer Lebensstil nicht der bessere Weg zu einem erfüllten Leben sind. Recherchen zufolge suchen fast 80 % der Reisenden nach einer Auszeit, die sich positiv auf ihr mentales und emotionales Wohlbefinden auswirkt, was sich bereits in aktuellen Urlaubstrends niederschlägt, etwa in Konzepten wie Silent Travel. Mit unseren Cabins bieten wir eine intelligente und nachhaltige Lösung für diese Bedürfnisse, ohne dass der Komfort oder das Erlebnis darunter leiden müssen. Viele unserer GästInnen zieht es in die Natur, sie wollen “einfach nur raus”, um in die Natur einzutauchen und sich mit ihrer Umwelt und sich selbst zu verbinden.

Zuletzt seid Ihr nach Österreich expandiert. Habt Ihr noch weitere Länder auf der Agenda?
Österreich ist unser erster internationaler Markt über die Grenzen von Deutschland hinaus, der uns mit der monumentalen Schönheit seiner Landschaft ein immenses Potenzial für die Entwicklung ganzjähriger, immersiver Naturerlebnisse bietet. Wir sehen Österreich als Sprungbrett für die Internationalisierung und planen definitiv, auch darüber hinaus in weitere Länder zu expandieren. Wir sind überzeugt, dass unser Konzept länderübergreifend erfolgreich sein wird.

In den vergangenen Jahren konntet Ihr bereits 15 Millionen einsammeln. Wie seid Ihr mit Euren Investor:innen in Kontakt gekommen?
Ich glaube, gute Ideen finden gute Investoren. Meine Co-Founder Christopher, Johann und ich konnten uns natürlich über die vergangenen Jahre auch ein Netzwerk aufbauen, das wir dann zur Gründung von Raus angesprochen haben. Aber da war nicht auch nur Sonnenschein – als wir Raus gründeten, hatten uns potenzielle Investoren reihenweise abgesagt. Davon darf man sich nicht unterkriegen lassen. Wir haben schließlich ja auch diejenigen gefunden, die sich genauso wie wir in die Vision von Raus verliebt haben. Für neuartige Ideen braucht es immer ein paar Verrückte, im positivsten Sinne des Wortes, die an Dich und Deine Idee glauben. Und im Nachhinein hat sich sicher der/die ein oder andere auch geärgert, nicht investiert zu haben.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Natürlich gab und gibt es einige Trial-and-Error-Momente, rückblickend kann ich aber wirklich nichts benennen, was so richtig schief gegangen ist. Was nicht heißt, dass wir uns täglich mit Herausforderungen konfrontiert sehen. Die Komplexität unseres Geschäftsmodells ist hoch; viel komplexer etwa als der Betrieb eines Hotels mit 200 Zimmern in der Stadt, insbesondere mit unserem hohen Anspruch an Qualität und Nachhaltigkeit. Wir haben viele Zimmer, die sich alle an unterschiedlichen, meist sehr abgelegenen Standorten befinden, meist ohne Zugang zur Infrastruktur. Wir stehen also vor vielen logistischen Aufgaben und betrieblichen Abläufen, um sicherzustellen, dass unsere GästInnen bei jedem Aufenthalt ein außergewöhnliches Erlebnis haben.

Und wo habt Ihr bisher alles richtig gemacht?
Im Glauben an unsere Idee haben wir in jedem Fall alles richtig gemacht. Am Anfang haben uns alle aus der Hotellerie und von der Produzentenseite gesagt, das würde nicht gehen. Es sei nicht möglich, alle unsere Vorstellungen unter einen Hut zu bringen. Trotzdem haben wir einfach weitergemacht. Wir haben einen Produzenten gefunden, der sich traute, die Cabins mit uns zu entwickeln: Cabins, die abseits jeglicher Infrastruktur nachhaltig funktionieren können. Ich freue mich zudem nach wie vor jeden Tag zu sehen, wie die Nachfrage nach lokalen Reisen ins Grüne weiter wächst und unsere GästInnen einzigartige Aufenthalte da draußen haben. Wir sind nach wie vor ziemlich obsessed mit der Zufriedenheit unserer GästInnen: Wir wollen nicht 100 Menschen mit einem mittelmäßigen Aufenthalt erreichen, sondern 1 Person mit dem schönsten Naturerlebnis ihres Lebens. Wir hatten mittlerweile über 12.000 GästInnen bei Raus. Johann, Christopher und ich lesen nach wie vor jedes Kundenfeedback – ist ein bisschen irre, aber zeigt vielleicht auch, wie wir unsere GästInnen in den Mittelpunkt stellen.

Wo steht Raus Startup in einem Jahr?
Wer weiß das schon so wirklich? Die Hauptsache ist für mich, dass wir auch weiterhin ein fantastisches, einzigartiges Erlebnis für unsere GästInnen schaffen, ob rund um Berlin oder Frankfurt, jetzt in Österreich und perspektivisch in ganz Europa. Raus steht noch am Anfang seiner Reise und wir haben viele Ideen. Nichtsdestotrotz werden wir immer unserer Mission treu bleiben, die Natur nahtlos zugänglich zu machen – egal ob man eine Nacht in einer Cabin in den Wäldern oder vielleicht sogar in einer schwimmenden Cabin auf der Spree verbringt.

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Foto (oben): Raus