#Gastbeitrag
Welche Herausforderungen und Chancen 2024 für Startups bereithält
Ein angespanntes Finanzierungsumfeld, Downrounds und weniger IPOs: Die deutsche Startup-Landschaft sah sich 2023 mit einigen Herausforderungen konfrontiert. Doch die gesamte Branche über einen Kamm zu scheren, würde zu kurz greifen. Denn auch im vergangenen Jahr gab es durchaus Unterschiede. So stimmt etwa optimistisch, dass Wachstumssektoren wie Biotech, Pharma und Gesundheitstechnologie, nachhaltige Energien und digitale Infrastruktur für Venture-Capital-Investitionen durchaus weiter attraktiv waren. Denn trotz der unsicheren Marktbedingungen blieben sie resilient – mit langfristigen Wachstums- und Innovationspotenzialen.
Allgemein deutlich zu spüren war hingegen der Rückzug nicht-traditioneller Investor:innen in den vergangenen Monaten. Bei so manchem deutschen Startups in der Wachstums- und Scale-up-Phasen hat dies zu Liquiditätsengpässen und Downrounds geführt. Solche Finanzierungsrunden mit niedrigeren Unternehmensbewertungen kann die Attraktivität und das zukünftige Fundraising-Potenzial von Startups beeinträchtigen. Eine denkbare Folge auch für die kommenden Monaten: Um ihre Wachstumspläne zu realisieren, konzentrieren sich frühphasige Unternehmen stärker auf Bootstrapping und alternative Finanzierungsstrategien wie Revenue-based Financing, staatliche Fördermittel oder Venture Debt.
Konsolidierung von hohen Bewertungen
Ebenfalls differenziert zu betrachten, ist das Ende des Einhorn-Booms: Im vergangenen Jahr hat sich die Innovationstätigkeit nicht verlangsamt, sondern Investor:innen haben ihre Portfolios eher moderaterer und vorsichtigerer bewertet. Dafür ist das gehypte Fintech Klarna ein gutes Beispiel, das rund 85 Prozent seines Unternehmenswerts verlor. Der Fall zeigt die Konsolidierung der sehr hohen Bewertungen aus den Vorjahren. Solch eine Stagnation fand bei all den Jungunternehmen statt, die keine Downrounds hinnehmen mussten oder sich durch Entlassungen kosteneffizienter aufstellen mussten und ihre Runways verlängerten.
Die Abkühlung bei den Exit-Bewertungen, beeinflusst durch das gestiegene Zinsniveau, wirkte sich auch entscheidend auf die Investitionsdynamik aus. Sie führte zu Schwierigkeiten bei der Akquisitionsfinanzierung, denn mit steigenden Zinsen werden die Kosten für Kredite und Finanzierungen höher. Investor:innen, die eine Akquisitionsfinanzierung aufstellen möchten, um ein Unternehmen zu erwerben, mussten 2023 mit höheren Kosten und somit geringeren Margen rechnen. Allgemein kann dies dazu führen, dass potenzielle Käufer vorsichtiger werden und niedrigere Bewertungen ansetzen, um das Risiko zu minimieren. Auch die Zahl der fremdfinanzierten Übernahmen (Leveraged Buyouts) kann dadurch abnehmen, weil die Finanzierungsbedingungen ungünstiger sind.
Anleihen und Co. wieder attraktiver
Auf der anderen Seite sorgten die steigenden Zinsen in den letzten Quartalen dafür, dass traditionelle Anlageformen wie Anleihen oder Geldmarktinstrumente für Investor:innen wieder attraktiver wurden. Wer auf der Suche nach sichereren und stabileren Renditen war, könnte das Kapital aus den risikoreicheren Venture-Capital-Investitionen entsprechend umgeschichtet haben. Oder anders gesagt: Kapitalgeber:innen erwarten höhere Renditen für das übernommene Risiko und bieten niedrigere Preise bei Übernahmen und Exits an.
Weniger VC-Deals
Angesichts der aktuellen Marktbedingungen und der vorsichtigen Aussichten für Startups lassen sich folgende Prognosen für das deutsche Startup-Ökosystem in 2024 ableiten:
- Rückgang bei Börsengängen und anderen Exit-Möglichkeiten: Investor:innen und Unternehmen tendieren in einem unsicheren Marktumfeld zu mehr Vorsicht. In der Hoffnung, dass sich die Marktbedingungen in der Zukunft verbessern, könnten Startups dazu neigen, ihre IPO-Pläne zu verschieben. Unternehmen, die dennoch einen Börsengang anstreben, müssen möglicherweise ihre Bewertungserwartungen anpassen, um Investor:innen anzuziehen. Jedoch kann damit ein Börsengang weniger attraktiv werden.
- Alternative Exit-Wege: Anstatt sich auf den öffentlichen Markt zu verlassen könnten beispielsweise strategische Akquisitionen wie die Übernahme der Berliner Softwareentwickler Immerok durch das US-Unternehmen Confluent, private Verkäufe oder längere Investitionszeiträume zunehmen. Bevor sie einen Exit anstreben, könnten Startups zudem nachhaltiges Wachstum anstreben und die eigenen Finanzgrundlagen stärken.
- Konsolidierung und Selektion: Die Wahrscheinlichkeit nimmt zu, dass nur die stärksten und anpassungsfähigsten Unternehmen bestehen. Startups, die ein nachhaltiges Geschäftsmodell und einen klaren Weg zur Profitabilität aufzeigen können, werden vermutlich besser positioniert sein, um Finanzierung zu sichern und zu wachsen.
- Rückgang der High-Valuation Deals: Weil Investor:innen vorsichtiger geworden sind und sich stärker auf Fundamentaldaten konzentrieren, wird die Zahl der Deals mit sehr hohen Bewertungen vermutlich abnehmen. Mit dem Ergebnis von realistischeren Bewertungen und einem stärkeren Fokus auf langfristige Wertschöpfung.
- Rückgang von Venture-Capital-Finanzierungen: Startups könnten sich zunehmend auf Bootstrapping (Selbstfinanzierung) oder alternative Finanzierungsformen wie Venture Debt oder staatliche Förderprogramme konzentrieren, um ihre Wachstumspläne zu unterstützen.
- Liquidationspräferenz als Hebel: Bei Anschlussfinanzierungen könnten Gründer:innen und Gesellschafter:innen beispielsweise durch zwei- oder dreifache Liquidationspräferenzen versuchen die alten Unternehmensbewertungen künstlich hochzuhalten, um mögliche Downrounds abzuwenden.
- Stärkung der Resilienz und Innovation: Startups, die sich anpassen und innovative Lösungen in diesen schwierigen Zeiten bieten, könnten gestärkt aus der Krise hervorgehen. Dies könnte zu einer Welle von Innovationen und neuen Geschäftsmodellen führen, die auf langfristige Nachhaltigkeit und Effizienz ausgerichtet sind.
- Fokus auf Schlüsselsektoren: Sektoren wie Gesundheitstechnologie, Biotech, nachhaltige Energien und digitale Infrastruktur, könnten weiterhin starkes Interesse und Investitionen anziehen. Denn sie weisen auch in den kommenden Monaten strukturelles Wachstum und Stabilität auf.
- Regionale Unterschiede: Es könnte regionale Unterschiede im deutschen Startup-Ökosystem geben, wobei einige Regionen möglicherweise besser positioniert sind, um in einem schwierigen Marktumfeld zu florieren. Die Bundesländer Berlin, Bayern und Baden-Württemberg sind etwa führend in der Startup-Förderung, was auch an starken Startup-Ökosystemen, umfangreichen Finanzierungsmöglichkeiten und der Präsenz innovativer Industrien liegt.
Insgesamt ist davon auszugehen, dass 2024 für das deutsche Start-up-Ökosystem eine herausfordernde Zeit wird. Gleichzeitig bieten sich aber Chancen: Unternehmen, die sich darauf fokussieren ihre Anpassungsfähigkeit zu verbessern sowie auf nachhaltiges Wachstum und Innovation setzen, könnten gestärkt aus den kommenden Monaten hervorgehen.
Über den Autor
Kai Hesselmann ist Co-Founder und Managing Partner von DealCircle, einer ganzheitlichen Technologielösung mit der weltweit größten Datenbank von Such- und Kaufprofilen. Die überlegende Matching-Technologie macht das 2018 gegründete Hamburger Fintech bei der Käuferidentifikation und der Marktansprache zum präferierten Partner von hunderten M&A-Beratern. Sie erhalten Zugriff auf eine Big-Data-gestützte Käuferdatenbank mit über 250.000 Profilen (Family Offices, Private Equity, MBI und Unternehmen).
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