Von Team
Freitag, 22. Dezember 2023

ZuFinG: Erleichterungen für junge Unternehmen am Kapitalmarkt?

Das Zukunftsfinanzierungsgesetz (ZuFinG) soll Deutschland attraktiver für Investoren machen. Aber hält das Paket, was es verspricht? Hier ein Überblick, welche Änderungen insbesondere für junge Unternehmen interessant werden können.

Am 14. Dezember 2023 wurde das Zukunftsfinanzierungsgesetz im Bundesgesetzblatt verkündet – ein Reformpaket, das durch eine Vielzahl gesellschafts-, finanzmarkt- und steuerrechtlicher Änderungen die Leistungsfähigkeit des deutschen Kapitalmarktes stärken und die Attraktivität des deutschen Finanzstandortes erhöhen soll. Hält das Paket, was es verspricht? Wir geben einen Überblick, welche aktien- und kapitalmarktrechtlichen Änderungen insbesondere für junge Unternehmen interessant werden können.

Aktien zukünftig auch elektronisch und auf der Blockchain

Das Zukunftsfinanzierungsgesetz (ZuFinG) digitalisiert nun auch das beliebteste Wertpapier der Deutschen: die Aktie. Bislang konnten in Deutschland lediglich Inhaberschuldverschreibungen und Investmentfonds-Anteilscheine elektronisch begeben werden. Aktiengesellschaften stehen damit zukünftig vor einer wegweisenden Entscheidung: Sie können ihre Aktien entweder weiterhin traditionell als herkömmlich verbriefte Aktien ausgeben oder auf die moderne elektronische Variante setzen.

Zentral ist hier die Unterscheidung zwischen Namensaktien und Inhaberaktien. Namensaktien sollen künftig in beiden der gesetzlich vorgesehenen Formen von elektronischen Wertpapieren begeben werden können, das heißt als sogenannte Zentralregisterwertpapiere oder als Krypto-Wertpapiere. Zentralregisterwertpapiere sind Finanzinstrumente, bei denen die Verwahrung und Abwicklung der Wertpapiergeschäfte über ein zentrales Register erfolgt, welches von Verwahrern (Depotbank) oder von Wertpapiersammelbanken (Zentralverwahrern wie Clearstream) geführt wird. Krypto-Wertpapiere werden demgegenüber in ein mittels der Blockchain-Technologie oder vergleichbarer Technologien geführtes dezentrales Krypto-Wertpapierregister eingetragen.

Inhaberaktien dürfen hingegen nur als Zentralregisterwertpapiere elektronisch ausgegeben werden, da hier bei der Verwendung von Krypto-Wertpapieren noch gesellschaftsrechtliche Unsicherheiten und geldwäscherechtliche Fragen bestehen.

Krypto-Aktien dürfen zudem nur dann ausgegeben werden, wenn die Satzung ausdrücklich die Eintragung in ein Krypto-Wertpapierregister erlaubt. Dies geschieht, um eventuellen Vorbehalten gegenüber Krypto-Aktien zu begegnen und die Technologie besser zu etablieren. Wird die Emission von Krypto-Aktien erwogen, sollte dies somit bereits im Entwurfsstadium der Satzung oder im Hinblick auf eine Satzungsänderung in der Hauptversammlung berücksichtigt werden.

Kontrollwahrung trotz Going Public – die Mehrstimmrechtsaktie

Durch die Änderung im Aktiengesetz werden künftig Mehrstimmrechtsaktien zugelassen. Für Start-ups und Wachstumsunternehmen eröffnet sich dadurch eine attraktivere Option, Eigenkapital über den Kapitalmarkt zu beschaffen, ohne dabei wesentliche Kontrolle und Einfluss auf die strategische Ausrichtung des Unternehmens zu verlieren. Die genauen Modalitäten dieser Mehrstimmrechtsaktien werden detailliert durch neue Vorgaben im Aktiengesetz geregelt. Wichtig zu wissen: Das maximale Stimmrecht einer solchen Aktie ist auf das Zehnfache begrenzt. Außerdem erlöschen diese Rechte automatisch spätestens zehn Jahre nach Börsennotierung oder Einbeziehung in den Freiverkehr (sog. Sunset Clause) – es sei denn, sie werden durch einen qualifizierten Mehrheitsbeschluss der Hauptversammlung verlängert.

Die Verlängerung der Mehrstimmrechte über die Zehnjahresgrenze hinaus benötigt die Zustimmung aller Aktionärsklassen in einem Sonderbeschluss. Das erfordert eine überzeugende Kommunikation und Strategie gegenüber den Investoren.

Mehrstimmrechte verlieren nicht nur nach zehn Jahren ihre Gültigkeit, sondern können auch erlöschen, wenn die Aktien ihren Besitzer wechseln. Dies kann zu einer Verschiebung der Stimmgewichte führen und möglicherweise die Kontrollschwelle überschreiten, die grundsätzlich übernahmerechtliche Folgepflichten auslöst. Der Gesetzgeber sieht in seiner Begründung zum ZuFinG für diesen Fall jedoch ausdrücklich Möglichkeiten zur Befreiung von den damit verbundenen Pflichten nach dem Übernahmerecht vor.

Bei entscheidenden Unternehmensbeschlüssen wie der Bestellung von Abschluss- und Sonderprüfern zählen Mehrstimmrechtsaktien nur einfach. Dies gewährleistet, dass keine einzelnen Aktionäre übermäßige Macht bei derartigen Entscheidungen ausüben können.

Kapitalbeschaffung leicht gemacht?

Eine weitere Änderung betrifft die Vereinfachung der Kapitalbeschaffung. Bisher galt, dass Aktiengesellschaften nur bis zu zehn Prozent ihres Grundkapitals unter einem sogenannten vereinfachten Bezugsrechtsausschluss erhöhen konnten. Der vereinfachte Bezugsrechtsausschluss beschreibt die Möglichkeit eines Unternehmens, bei einer Kapitalerhöhung das grundsätzlich bestehende Bezugsrecht der Altaktionäre zu beschränken oder auszuschließen. Das Bezugsrecht gibt den Altaktionären für zwei Wochen das Vorkaufsrecht, zusätzliche Aktien zu erwerben, wenn das Unternehmen neue Aktien ausgibt. Dies kann den Wert der bestehenden Aktien schützen, da die Aktionäre die Möglichkeit haben, ihre Beteiligung im Verhältnis zur Gesamtanzahl der ausgegebenen Aktien aufrechtzuerhalten. Zugleich führt die Frist für die Ausübung des Bezugsrechts jedoch zu einer Verzögerung des Kapitalerhöhungsprozesses und steigert den administrativen Aufwand. Insbesondere bei Wachstumsunternehmen gilt die Grenze von zehn Prozent daher als zu niedrig, um dem hohen Finanzierungsbedarf gerecht zu werden.

Mit dem neuen Gesetz wird diese Grenze nun auf 20 Prozent angehoben. Das bedeutet, dass Start-ups nun mehr Flexibilität haben, um zusätzliches Kapital von Investoren zu erhalten, ohne ihre bestehenden Aktionäre zu stark zu belasten. 

Wenn eine Aktiengesellschaft sich mit einem anderen Unternehmen zusammenschließt, kann sie ferner zukünftig bis zu 60 Prozent ihres Grundkapitals als bedingtes Kapital verwenden, anstatt der bisherigen 50 Prozent. Diese Änderung eröffnet neue Möglichkeiten für Wachstum und Expansion.

Auch Mitarbeiterbeteiligungen im Rahmen von Kapitalerhöhungen (sog. Stock Options) werden einfacher. Früher konnten Arbeitnehmer und Mitglieder der Geschäftsführung Mitarbeiteraktien nur bis zu zehn Prozent des Kapitals erhalten. Jetzt wird diese Grenze auf 20 Prozent angehoben. Dies ist eine erhebliche Erleichterung für Startups, die ihre Mitarbeiter stärker am Unternehmenserfolg beteiligen möchten und im Wettbewerb um Talente bestehen müssen.

Eine weitere wichtige Änderung betrifft die Lösung von Meinungsverschiedenheiten im Zusammenhang mit dem Ausgabebetrag der neuen Aktien bei Kapitalerhöhungen der Gesellschaft. Bislang konnten Streitigkeiten über die Höhe des Ausgabebetrages zu langwierigen Anfechtungsverfahren führen. Mit dem neuen Gesetz sollen diese Streitigkeiten im Rahmen eines schnelleren Spruchverfahrens gelöst werden, was dazu beiträgt, Kapitalerhöhungen schneller und effizienter durchzuführen.

Auch wird durch das ZuFinG im Rahmen von Kapitalerhöhungen die Bestimmung des Ausgabebetrages der Aktien klarer geregelt. Der Wert der Aktien des Unternehmens wird nun hauptsächlich anhand des durchschnittlichen Börsenkurses bestimmt – vorausgesetzt, es besteht ein durchgehender und funktionierender Preismechanismus.

Börsenmantelaktiengesellschaft als deutsche Antwort auf die US-amerikanische SPAC

Das ZuFinG bringt eine neue Rechtsform auf den Kapitalmarkt: In einem neuen Abschnitt des Börsengesetzes wird die sogenannte Special Purpose Acquisition Company (SPAC) als eine besondere Rechtsform der Aktiengesellschaft eingeführt. Im Börsengesetz heißt die SPAC dann etwas sperriger „Börsenmantelaktiengesellschaft“ (BMAG). 

Eine SPAC ist eine Art von Unternehmen ohne eigenes operatives Geschäft. Sie wird gegründet, um über einen Börsengang Kapital einzusammeln, mit dem Ziel, ein nicht-börsennotiertes Unternehmen zu übernehmen und es somit indirekt an die Börse zu bringen.

SPACs sollen dabei mit der Akquisition von Unternehmen, die noch nicht reif für einen IPO sind, eine Brücke zwischen Private Equity- bzw. Venture Capital-Finanzierung und einem klassischen Börsengang schlagen. Als Vorteile gelten vor allem die Beschleunigung des Wegs zur Börsennotierung und ein Preisfindungsprozess, der weniger anfällig für unerwartete Marktschwankungen ist.

Im neuen Abschnitt werden zahlreiche Sonderregelungen für diese neue Rechtsform vorgesehen, die vor den allgemeinen Bestimmungen des Aktienrechts Vorrang haben. Einige dieser Regelungen umfassen die Pflicht, virtuelle Hauptversammlungen durch Satzungsregelungen zu ermöglichen und die zwingende Auflösung der Gesellschaft, falls innerhalb einer satzungsmäßig festgelegten Frist keine Zieltransaktion erfolgt. 

Es ist auch wichtig zu beachten, dass das ZuFinG ergänzend festlegt, dass die Zieltransaktion von erheblichem Umfang sein muss, um die Auflösung der BMAG zu verhindern. Dies bedeutet, dass das Volumen der Transaktion mindestens 20 Prozent des Werts der Einlagen einschließlich eines etwaigen Aufgelds erreichen muss.

Darüber hinaus ermöglicht das ZuFinG auch die Verwendung einer Europäischen Gesellschaft (SE) als BMAG. In diesem Fall müssen die Verhandlungen über die Beteiligung der Arbeitnehmer gemäß den Bestimmungen des Europäischen Gesellschaftsrechts im Rahmen der Gründung der Europäischen BMAG durchgeführt werden, sofern bestimmte Beschäftigungsschwellen erfüllt sind. Wenn das Verhandlungsverfahren im Rahmen einer arbeitnehmerlosen Gründung nicht durchgeführt werden konnte, muss es nachgeholt werden, sobald die BMAG eine ausreichende Anzahl von Arbeitnehmern beschäftigt, insbesondere nach Abschluss der Zieltransaktion.

Erleichterungen bei IPOs

Junge Unternehmen, die einen Börsengang in Betracht ziehen, können sich zudem zukünftig auf eine gewisse Erleichterung hinsichtlich der erforderlichen Mindestliquidität sowie der Zulassungskosten einstellen. Die Mindestmarktkapitalisierung, also der voraussichtliche Kurswert der zuzulassenden Aktien, wird durch das ZuFinG von 1,25 Mio. Euro auf 1 Mio. Euro herabgesetzt. 

Künftig sollen Börsen zudem die Möglichkeit haben, in ihren Ordnungen vorzusehen, dass Unternehmen die Zulassung zu bestimmten Marktsegmenten eigenständig beantragen können. Dies bedeutet eine Reduzierung der Zulassungskosten für den Emittenten und hilft, die Prozesse für Unternehmen, die den Kapitalmarkt betreten möchten, effizienter zu gestalten.

Ausblick

Das ZuFinG bringt für Startups Erleichterungen auf den Weg und macht Deutschland für nationale und internationale Investoren attraktiver. Der Großteil der Regelungen ist bereits am Tag nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft getreten. Ob die Änderungen weitreichend genug sind, um tatsächlich mehr Unternehmen auf den Kapitalmarkt zu bringen, bleibt abzuwarten. 

Über die Autoren
Philipp Grenzebach, Partner McDermott Will & Emery in Düsseldorf, berät Gesellschaften, Investoren und Organe zu allen Fragen des Gesellschaftsrechts und ist insbesondere auf aktienrechtliche und kapitalmarktrechtliche Themen und auf Compliance spezialisiert.
Annabelle Rau, Associate bei McDermott Will & Emery in Düsseldorf und Köln,  berät im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, Bank- und Finanzdienstleistungsrecht und Finanzaufsichtsrecht. Ihre Beratungspraxis reicht von der Regulierung traditioneller Finanzdienstleistungen bis hin zu neuen FinTech-Geschäftsmodellen, einschließlich der Krypto-Regulierung. 

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Foto (oben): Shutterstock