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Molly Suh und das gefürchtete Konzern-Argument
In der Weihnachtsfolge von “Die Höhle der Löwen” musste das Gründerpaar von Molly Suh erleben, was so vielen Gründerinnen und Gründern schon weit vor der Existenz der Sendung immer wieder passiert ist: sie stellten ihre Produkte vor, und ihre nachhaltig hergestellten Teelichter und Duftkerzen kamen bei den Löwen auch ziemlich gut an.
Doch dann gingen die Fragen und Kommentare der Fernseh-Investoren sehr schnell Richtung USP und der Frage, wie man sich gegenüber der scheinbar übermächtigen Konkurrenz von Großkonzernen durchsetzen könnte, sollten diese das Produkt kopieren. Schließlich würden diese ja auch immer öfter auf Nachhaltigkeit setzen und die Molly-Suh-Produkte wären so pauschal nicht schützbar.
Tatsächlich ist und bleibt ein Schutzrecht – wenn auch oft leider sehr teuer – gerade für junge und kleine Firmen eine der stärksten Waffen gegen Großkonzerne, die ein erfolgreiches Produkt einfach kopieren wollen, weil sie selbst mal wieder die Innovation verschlafen haben.
Daher haben vor allem Patente und Gebrauchsmuster, aber auch andere Schutzrechtarten, in Investorenverhandlungen einen hohen Stellenwert und schlagen sich normalerweise auch auf die Bewertung nieder.
Wenn das aber nicht möglich ist – schließlich ist bei Weitem nicht jedes Produkt irgendwie schützbar, selbst, wenn es insgesamt eine echte Innovation darstellt – ist oft die Angst vor den Kopien der Marktteilnehmer mit den großen Marketing-Budgets groß. Denn es scheint die Meinung vorzuherrschen, dass sie alles, was irgendwie erfolgreich sein könnte, dann mal eben kopieren. Und die kleinen, innovativen Startups mit den großen Träumen einfach mal überrollen.
In der Tech-Branche war es lange Zeit Google. Immer, wenn ein Startup mit einer App oder Plattform pitchte, schien es irgendeinen Schlaumeier zu geben, der die Frage stellte: Und was, wenn das Google morgen kopiert?
Pitch-Trainer werden oft gefragt, was man auf diese Frage Kluges antworten kann. Das Ding ist: man kann nicht klug auf eine Frage antworten, die an sich schon nicht besonders klug gestellt ist. Denn ganz ehrlich, was passiert denn, wenn Goliath David’s Steinschleuder kopiert? Eben, er hat jetzt wahrscheinlich die wesentliche krassere Waffe und David kann sich einfach nur noch einen schnellen Tod wünschen. So scheint es zumindest zu sein.
Denn auch das Molly-Suh-Gründerpaar musste zugeben, dass hierin eine große Herausforderung besteht. Trotzdem schlagen sie sich ganz gut, denn sie bleiben ihrer Strategie trotz kritischer Fragen treu und betonen, dass sie sich nicht im Supermarkt sehen, sondern ihre Kunden eher online bedienen wollen sowie Geschäftskunden wie Hotels und Gastronomie adressieren wollen. Sie wollen im hochwertigern, mittleren Preissegment bleiben und haben sich dafür auch die richtigen Kanäle ausgesucht.
Das passt nicht zu Tillman Schulz, und auch Hotel-Expertin Dagmar Wöhrl sieht es als schwierig an, der Marke genug Bekanntheit zu verschaffen, um die entsprechenden B2B-Kunden zu überzeugen. Nils Glagau ist der USP nicht stark genug.
Doch der bewusste Verbraucher kann gerade online recht zielgerichtet und effektiv überzeugt werden, nicht wenige nachhaltige Marken haben schon gezeigt, dass sie mit verhältnismäßig geringen Customer Acquisition Costs auskommen, wenn sie mit gezielten Ads und den richtigen Influencern auf Kundenfang gehen. Auch Affiliate-Programme können hier sehr gut funktionieren. So lässt sich durchaus aus einer Nische heraus eine Marke aufbauen, wenn man langfristig seine Kunden überzeugen kann.
Und tatsächlich hat gerade dieses Kundensegment, für das man gerne die „LoHaS“-Kategorisierung der Sinus-Milieus heranzieht, einen gewissen Hang zur Suche neuer nachhaltiger Lieblingsmarken. Dieser „Lifestyle of Health and Sustainability“ einer besserverdienenden Bevölkerungsschicht kann von großen Unternehmen oft nicht glaubhaft dargestellt werden. So haben es gerade bekannte Marken mit ihren nachhaltigen Produktversionen in diesem Segment schwer und suchen sich oft eher eine Positionierung im preislichen Segment darunter – hier werden dann eher Kunden angesprochen, die ihr Gewissen beruhigen wollen, aber nicht bereit sind, substantiell mehr Geld auszugeben. Dafür sind sie aber auch nicht ganz so genau, was die Nachhaltigkeit angeht.
Tatsächlich haben in der Vergangenheit viele Großkonzerne schon erleben müssen, dass die gerade aufgekaufte, bei Verbrauchern hoch im Kurs stehende Nachhaltigkeits-Marke extreme Vertrauenseinbrüche erleidet, sobald der Kauf bekannt wird. Nicht wenige haben sich hier schon entscheidend verkalkuliert.
Auch das Beispiel Nestle und Ankerkraut verdeutlicht, was passieren kann, wenn der in den Augen der Verbraucher „falsche“ Konzern der neue Eigentümer wird: nicht der Konzern wertet sein Image auf, sondern das Image der aufgekauften Marke scheint zu verlieren.
Natürlich ist es immer noch schwierig, als kleines Startup neben Platzhirschen um die Gunst der Kunden zu buhlen. Aber David hat etwas, was Goliath längst verspielt hat: die Chance, seinen Namen mit dem Vertrauen der Verbraucher in echte Nachhaltigkeit zu verknüpfen. Seine größte Waffe verliert in den Händen von Goliath sofort an Wirksamkeit: sie wird kleiner, weniger zielgerichtet, ungefährlicher. Aber in Davids Händen ist die Steinschleuder umso effektiver, wenn sie an der richtigen Stelle trifft.
Ralf Dümmel schien das genauso zu sehen, und so werden seine 75.000 Euro sowie seine Vertriebspower Molly Suh’s Steinschleuder die Chance geben, Konzern-Goliath ganz empfindlich zu treffen. Ein Weihnachtswunder, das dem sympathischen Paar sehr zu wünschen wäre.
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