Fördermittel 101 für Startups und Scaleups
Die deutsche Startup-Szene steht an einem Wendepunkt. Das einst unerschütterliche Streben nach dem nächsten Einhorn, getrieben von schnellem Wachstum und hohen Bewertungen, trifft auf ein zunehmend unsicheres Investitionsklima. Es ist nicht mehr selbstverständlich, dass junge Unternehmen problemlos an Kapital gelangen. Diese veränderte Landschaft führt bei vielen Gründerinnen und Gründern zu einem Umdenken. Statt sich ausschließlich auf Investorengelder zu verlassen, erkennen sie die Notwendigkeit, ihre Geschäftsmodelle nachhaltiger auszurichten. Dabei rücken eigene Umsätze wieder in den Fokus der Finanzierungsstrategien, die geschickt mit Venture-Capital und staatlichen Fördermitteln kombiniert werden können. Wir befinden uns in einer Phase des Wandels, die verdeutlicht, dass Nachhaltigkeit und strategische Planung die essenziellen Elemente für anhaltenden Erfolg darstellen.
Von Fördermitteln profitieren: Finanzierungsoptionen für Startups
Fördermittel haben sich in der Startup-Landschaft weit verbreitet. Die Herausforderung liegt darin, die geeigneten Programme für die jeweilige Entwicklungsphase des Unternehmens zu identifizieren und effizient zu nutzen. Bei fast allen Programmen sollte die Antragstellung VOR Beginn der geplanten Förderung erfolgen. Daher ist es entscheidend, sich frühzeitig um den Antragsprozess zu kümmern.
Gründungs- und Pre-Seed-Phase
EXIST-Gründungsstipendium: Hierbei handelt es sich um ein 12-monatiges Bundesprogramm zur Unterstützung von Gründungsteams bei der Businessplan-Entwicklung in Kooperation mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Gefördert werden innovative, technologieorientierte Ideen und auch Dienstleistungen. Für die Sicherung des persönlichen Lebensunterhalts stehen unterschiedliche Stipendienbeträge von bis zu 3.000 Euro pro Monat zur Verfügung. Darüber hinaus werden Sachausgaben gefördert, wobei Einzelgründungen bis zu 10.000 Euro (bei Teams maximal 30.000 Euro) erhalten können. Hier finden GründerInnen in der Regel an Hochschulen einen Ansprechpartner. Bei sehr technisch komplexen Vorhaben gibt es außerdem den EXIST-Forschungstransfer mit bis zu 500.000 Euro Förderung.
Es lohnt sich, während der Studienzeit den Gründungsansprechpartner an der Hochschule zu kontaktieren. Diese Person kann nicht nur auf interne Unterstützungsmöglichkeiten hinweisen, sondern auch bei der Antragstellung behilflich sein.
Regionale Förderprogramme: Deutschlandweit variieren die Programme zur Unterstützung von Startups je nach Bundesland. In Berlin steht beispielsweise der Gründungsbonus zur Verfügung, der besonders auf innovative Neugründungen und zukunftsfähige Wachstumsunternehmen abzielt. Im Raum München wiederum profitieren Startups vom sogenannten Start?Zuschuss!-Programm. Bei diesen Programmen werden bis zu 12 Monate die Ausgaben des Start-ups für bspw. Personal, Miete, Markteinführung des Produktes sowie für Forschung und Entwicklung bezuschusst. Dabei können bis zu 50.000 Euro Kosten mit 50 Prozent gefördert werden.
Business-Plan Wettbewerbe: In Deutschland gibt es über 160 Gründerwettbewerbe für Start-ups. Dabei handelt es sich um kostenlose Networking-Veranstaltungen, wo Startups sich bewerben und ihre Geschäftsidee und Vision einer Fachjury präsentieren können. Neben finanzieller Unterstützung erhalten Gründerinnen dort wertvolle Beratung und Coaching, um optimal auf ihren Weg in die Selbstständigkeit vorbereitet zu werden. Hier variiert die Unterstützung von 3.000 bis 80.000 Euro.
BAFA Invest: Hierbei handelt es sich um ein Förderprogramm, das junge innovative Unternehmen unterstützt, indem es bei der Suche nach Kapitalgebern hilft. Es soll vor allem private Investoren, wie Business Angels, ermutigen, Wagniskapital für diese Unternehmen bereitzustellen, da sie bis zu 50.000 Euro auf ihr Investment bekommen. Um am Programm teilzunehmen, sollten Unternehmen die Voraussetzung erfüllen, klein, innovativ und nicht älter als 7 Jahre sein.
Seed- & Series-A-Phase:
EIC Accelerator: Das europäische Förderprogramm unterstützt Startups, Spinouts und Scaleups mit bis zu 2 Mio. Euro, die innovative Ideen verfolgen und damit die Ziele der EU unterstützen. Im Jahr 2023 liegen die Schwerpunkte auf REPowerEU, Lebensmittelsicherheit, industriellen Technologie-Roadmaps, der Health Emergency Response Authority (HERA) und bestimmten Horizon Europe-Missionen. Trotz des lukrativen Charakters ist das Programm äußerst wettbewerbsintensiv, was die Erfolgswahrscheinlichkeit eher niedrig erscheinen lässt. Wenn Startups inhaltlich die EU-Schwerpunkte treffen, kann sich ein Antrag durchaus lohnen.
ZIM und BMBF-Progamme: Hier handelt es sich um nationale Programme zur Förderung innovativer Projekte. ZIM umfasst Förderprogramme des BMWi, die Innovationen im Mittelstand unterstützt. Die maximale Förderung beläuft sich je nach Programm auf bis zu 45 Prozent Förderung von 550.000 Euro Kosten pro Unternehmen. Das BMBF finanziert Programme, die die wissenschaftliche Forschung, Innovation und Bildung in verschiedenen Branchen in Deutschland fördern. Für Startups, die im Bereich neuer Technologien forschen, sind Programme wie KMU-innovativ definitiv eine interessante Option. Diese Programme konzentrieren sich auf spezifische Technologiesektoren und sehen eine Förderung von bis zu 60 Prozent der Kosten vor. Es lohnt sich auf jeden Fall, auf den Webseiten solcher Programme nach den Kontaktdaten von Ansprechpartnern zu suchen und einfach mal zum Telefon zu greifen. Auf diese Weise erfährt man am schnellsten, ob ein Programm zu den Entwicklungsaktivitäten des Startups passt, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen und wie hoch die Nachfrage nach dem Programm sowie die Wahrscheinlichkeit einer Bewilligung sind.
Forschungszulage: Insbesondere für technologieorientierte Startups ist diese Förderung ein Must-have. Sie ermöglicht es Unternehmen, einen Teil ihrer förderfähigen Forschungs- und Entwicklungskosten rückerstattet zu bekommen, was die Förderung von Innovationen und die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit unterstützt. Die Forschungszulage kann rückwirkend bis zu vier Jahre beantragt werden und ermöglicht bis zu einer Million Euro Fördergelder pro Jahr.
Bundesland-spezifische Programme: Abhängig vom Bundesland gibt es auch hier spezifische Förderprogramme, die Innovation und Technologie unterstützen. Mit ProFIT in Berlin können junge Unternehmen Zuschüsse sowie Darlehen erhalten und das Innovationsvorhaben mit einem Anteil von bis zu 80 Prozent finanziert werden. In Bayern gibt es BayTou mit einer Förderung von bis zu 40 Prozent und bei BayTP+ beträgt die Förderquote zwischen 25 Prozent und 50 Prozent bei Zuschüssen und bis zu 100 Prozent bei Darlehen. Auch hier empfiehlt es sich, auf den Webseiten der Programme die Ansprechpartner zu recherchieren und sich telefonisch zu erkundigen. Es ist besonders wichtig, einen freundlichen, sympathischen und kompetenten Eindruck zu hinterlassen und im besten Fall sogar etwas charmant zu sein. Diese Eigenschaften steigern die Erfolgsaussichten tatsächlich erheblich, insbesondere wenn man beim Ansprechpartner positive Sympathien weckt.
In der Anfangsphase können GründerInnen oft eigenständig Förderprogramme angehen. Mit der Internationalität und Komplexität der Programme steigen jedoch auch der Aufwand und die Konkurrenz, insbesondere bei europäischen Fördermitteln. Beim Entwickeln einer Public Funding Strategie sollten Startups daher überlegen, ob der Aufbau interner Expertise langfristig lohnend oder eine Zusammenarbeit mit professionellen Beratern sinnvoller ist. Speziell bei EU-Programmen können externe Profis die Erfolgschancen deutlich steigern.
Effizient durch den Förderdschungel: Unsere 80/20-Empfehlung
Wenn Startups die Pareto-Regel im Förderdschungel anwenden möchten und nach dem effizientesten Weg suchen, um mit 20 Prozent des Aufwandes 80 Prozent des Ergebnisses zu erzielen, haben wir klare Empfehlungen dafür:
BAFA INVEST: BAFA ist besonders attraktiv, wenn Startups auf der Suche nach Business Angels sind. Denn diese Investoren erhalten 25 Prozent ihrer Investitionssumme zurückerstattet, was das Investment deutlich attraktiver macht.
EXIST: Dieses Programm lohnt sich nicht nur wegen der Finanzierung. Die für den Antrag benötigten Unterlagen wie ein Businessplan sollten ohnehin im Gründungsprozess erstellt werden. Es ist also eine Win-win-Situation.
Forschungszulage: Dieses Juwel im deutschen Fördersystem gibt Startups 25 Prozent der Personalkosten und 15 Prozent der externen Kosten für förderfähige experimentelle Entwicklungsprojekte zurück. Wenn Startups also VC-Gelder für EntwicklerInnen einsetzen, ist das ein immenser Hebel. Die drei wesentlichen Vorteile:
Unbegrenzter Topf: Da es sich um ein Gesetz und nicht um ein begrenztes Fördertopf-Programm handelt, hat jedes Unternehmen, das die Förderkriterien erfüllt, ein Anrecht auf die Mittel.
Breites Spektrum: Ob Deep Tech, Softwareentwicklung oder Food-Innovationen – die Bandbreite an förderfähigen Projekten ist enorm.
Flexibilität in der Antragstellung: Ein absolutes Alleinstellungsmerkmal ist, dass Startups zu jedem Zeitpunkt des Projektstatus einen Antrag stellen können. Ob vor, während oder nach Abschluss eines Projekts. Dieser Komfort ist bei anderen Programmen in der Regel nicht gegeben und bietet jungen Unternehmen die Flexibilität, die sie in dynamischen Phasen benötigen.
Die Forschungszulage ist ein leistungsstarkes Instrument, um VC-Gelder effizienter einzusetzen und möglicherweise die “Run Rate” eines Startups zu verlängern. Als Moonshot können Startups sich zusätzlich überlegen, eines der EU Programme anzugehen – hier müssen der hohe Aufwand und die geringen Bewilligungsquoten jedoch im Blick behalten werden.
Fördermittel als strategischer Motor für Startups
In der sich wandelnden deutschen Startup-Landschaft ist die kluge Kombination von VC-Finanzierung, Fördermitteln und stabilen Einnahmen der Schlüssel zum nachhaltigen Erfolg. Fördermittel bieten eine strategische Chance zur Stärkung der Finanzierungsbasis. Obwohl der Prozess herausfordernd ist, sind die finanziellen Vorteile und das nachhaltige Wachstum unbestreitbar. In den kommenden Jahren wird eine durchdachte Fördermittelstrategie entscheidend für den Erfolg jedes Startups sein. Wir empfehlen GründerInnen, proaktiv zu handeln, sich umfassend zu informieren und sicherzustellen, dass ihr Unternehmen nicht nur überlebt, sondern in dieser neuen Ära florieren kann. Es ist an der Zeit, die finanzielle Strategie neu zu überdenken.
Tipp: The Big Four of Funding: Wie vier Bundesländer Startups effektiv fördern
Über den Autor
Pierre Dominique Ostrowski ist Managing Partner bei der Zebra Embassy GmbH, einem 2021 in München ins Leben gerufenen Beratungsunternehmen. Zebra Embassy hat mehr als 150 Startups und Scaleups erfolgreich unterstützt und dabei ein öffentliches Fördervolumen von über 50 Millionen Euro mobilisiert. Mit der klaren Vision, nachhaltiges Wachstum, Effizienz und öffentliche Finanzierungsmöglichkeiten zu stärken, setzt sich das Unternehmen entschieden für die Förderung von “Zebra Werten” ein – und damit für eine nachhaltige und zukunftsfähige Startup-Kultur in Deutschland.
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