#Interview

“Krisenzeiten dienen als Katalysator für zukunftsfähige Geschäftsmodelle”

Das FinTech Goldmarie Finanzen, von Caroline Löbhard und Jennifer Rasch gegründet, möchte sich als "zuverlässige Partnerin in Sachen Finanzen und nachhaltige Geldanlagen etablieren". Fünf Mitarbeitende arbeiten derzeit für das junge Unternehmen.
“Krisenzeiten dienen als Katalysator für zukunftsfähige Geschäftsmodelle”
Montag, 16. Oktober 2023VonAlexander

Das Berliner FinTech Goldmarie Finanzen möchte sich als “Geldanlage mit gutem Gewissen” etablieren. “Alle Aktien in den Goldmarie Portfolios erfüllen die strengen Nachhaltigkeitskriterien renommierter Ökofonds”, versprechen Caroline Löbhard und Jennifer Rasch, die Gründerinnen des Startups. In den kommenden Monaten möchte sich das Team als “zuverlässige Partnerin in Sachen Finanzen und nachhaltige Geldanlagen etablieren”. Künftig soll es auch “möglich sein, die eigene Geldanlage weiter zu personalisieren”.

Im Interview mit deutsche-startups.de stellt Goldmarie Finanzen-Gründerin Rasch ihr Startup einmal ganz ausführlich vor.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Goldmarie Finanzen erklären?
Meine Großmutter war übrigens eine sehr kluge Frau, die mir meinen ersten Anleihenfonds gekauft hat. Zur Beantwortung der Frage: Geld, das von Sparerinnen und Sparern auf der Bank eingezahlt wird, wird von dieser verwendet, um Investitionen zu tätigen. Damit verdient die Bank ihr Geld, sodass eine hohe Rendite oft dem gesellschaftlichen Mehrwert vorgezogen wird. Als Kund:in hat man also keinen Einfluss darauf, in welche Bereiche das eigene Geld investiert wird und welche Geschäfte damit gefördert werden. Deswegen bieten wir eine Alternative an: Privatanleger:innen können mit uns direkt in nachhaltige Aktien investieren. Hier wissen Anleger:innen genau, welche Firmen durch ihr Geld unterstützt werden. Um die Nachhaltigkeit zu gewährleisten, kooperieren wir mit der renommierten Nachhaltigkeitsratingagentur imug und verschiedenen NGOs. Die Unternehmen werden nach mehreren Nachhaltigkeitskriterien gefiltert. Aus diesem Pool ausgewählter Unternehmen wird mit Hilfe unserer eigens entwickelten Technologie dann ein Portfolio so zusammengestellt, dass das Risiko von Kursverlusten minimiert und die Rendite maximiert wird. Damit bieten wir Privatanleger:innen eine Geldanlage, die Gutes tut und transparent und dabei Risiko-Rendite optimiert ist.

Was waren die größten Herausforderungen, die Ihr bisher überwinden musstet?
Zur Verschlüsselung unseres E-Mail-Verkehrs und unserer Website verwenden wir Zertifikate eines renommierten Anbieters. Durch den Umzug unseres Firmensitzes, fragten wir bei dem Anbieter eine Adressänderung mit dem Hinweis an, dass wir uns im laufenden Geschäftsbetrieb befinden. Nach einer ausbleibenden Rückmeldung erreichte uns an einem Freitag die Nachricht, dass der Anbieter unsere Zertifikate widerrufen hat. Das Resultat war, dass weder unsere App, Website noch unser automatischer E-Mailverkehr mehr funktionierte. Es stauten sich die Kund:innenanfragen mit dem Hinweis, dass sie keine E-Mails zur Authentifizierung mehr erhielten. Mit unserem Kooperationspartner arbeiteten wir mit Hochdruck daran, die Zertifikate auszutauschen und über das Wochenende zumindest den Mailverkehr und die Webseite und schließlich auch die App wieder zum Laufen zu bringen. Zum Glück läuft jetzt alles wieder reibungslos.

Wie genau funktioniert denn euer Geschäftsmodell?
Wir stellen mit unserer eigenen Software nachhaltige Portfolios zusammen, die Aktien und Anleihen beinhalten. Der Software basiert auf cutting edge mathematischen Algorithmen und künstlicher Intelligenz, die Aktien so kombiniert, dass das finale Portfolio nicht nur Risiko-Rendite optimiert, sondern auch auf Nachhaltigkeitsfaktoren abgestimmt ist. Die Aktien werden nach ambitionierten Kriterien ausgewählt, wobei wir auf die Daten einer renommierten Ratingagentur sowie auf die Auswertungen unabhängiger NGOs zurückgreifen. Unsere Kund:innen können zwischen den Strategien Goldmarie Essential und Goldmarie Impact wählen. Im Anschluss wird ein Fragebogen ausgefüllt, der Fragen zur finanziellen Situation, zu den Anlagezielen und der persönlichen Risikoneigung beinhaltet. Auf dieser Grundlage wird ein Risikoprofil erstellt, das in unseren Portfolio-Vorschlag einbezogen wird. Bei einer höheren Risikoneigung, ist der Aktienanteil im Anlagevorschlag entsprechend höher. Kund:innen erhalten also von uns ein Portfolio, das auf ihre individuellen Ziele und Ansprüche abgestimmt, transparent und nachhaltig ist, sowie einem laufenden Risikomanagement unterzogen wird. Unsere Kund:innen müssen sich nach Abschluss um nichts weiter kümmern, die Geldanlage wird laufend entsprechend unseres Algorithmus aktualisiert. Dafür verlangen wir eine jährliche prozentuale Gebühr um die 1,5 % – je nach Anlagesumme.

Wie ist überhaupt die Idee zu Goldmarie Finanzen entstanden?
Ich habe selbst nach einer Geldanlage gesucht, wobei mir nicht nur die Rendite, sondern auch der Impact der Investition wichtig war. Bei meiner Suche habe ich festgestellt, dass die Geldanlagen entweder nicht meinen Nachhaltigkeitsanforderungen oder meinem Verständnis von einem angemessen Preis-Leistungs-Verhältnis entsprechen. Auf der einen Seite gibt es günstige ETFs, die mir aber nicht grün genug waren. Das liegt vor allem an der Anwendung des sogenannten Best-in-Class-Ansatzes, wo die “nachhaltigsten” Firmen einer Kategorie ausgewählt werden, dabei aber unnachhaltige Kategorien nicht ausschließen. Bei konsequent nachhaltigen Ökofonds muss auf der anderen Seite das aktive Management der Fonds bezahlt werden, was den Preis in die Höhe treibt. Durch mein mathematisches Studium und meine Promotion in Informatik war es mir möglich, mich dem Optimierungsproblem selbst zu widmen. Gemeinsam mit meiner Mitgründerin Caroline Löbhard haben wir einen Algorithmus entwickelt, der nachhaltige Aktien und Anleihen Risiko Rendite optimiert zusammenstellt. Aus unserem Freundes- und Bekanntenkreis war das Interesse daran so groß, dass wir auf die Idee gekommen sind, Goldmarie Finanzen zu gründen.

Es herrscht derzeit Krisenstimmung in der deutschen Startup-Szene. Was ist Deine Sicht auf die aktuelle Eiszeit?
Die aktuelle Wirtschaftslage trübt natürlich die generelle Investitionsbereitschaft und somit die Finanzierungslage von Startups. Auf der anderen Seite sind Startups mit einem digitalen Geschäftsmodell unabhängig von beispielsweise Lieferengpässen. Durch unsere cutting edge Technologie waren wir in der Lage, öffentliche Fördermittel des Landes Berlin und der EU zu gewinnen, was uns finanziell enorm hilft. Als FinTech mit einer optimierten Geldanlage liefert uns zudem die gestiegene Inflation ein gutes Argument dafür, das Geld nicht weiter in niedrig verzinsten Produkten zu binden, da sie die Teuerungsrate nicht ausgleichen können. Außerdem koexistiert die aktuelle Wirtschaftskrise neben der Klimakrise, die uns weitaus länger beschäftigen wird und immer noch innovative Problemlösungen erfordert. Innovative Geschäftsmodelle mit einem positiven Impact versprechen auch jetzt Zukunftspotenziale, die sie in der aktuellen Wirtschaftsphase zu einer attraktiven Investition für Business Angels machen. Krisenzeiten dienen zudem als Katalysator für zukunftsfähige Geschäftsmodelle. Das Konzept der Nachhaltigkeit wird meiner Meinung nach ein tragender Faktor sein, der auch durch stürmische Zeiten trägt.

Wie hat sich Dein Unternehmen seit der Gründung entwickelt?
Wir beschäftigen mittlerweile fünf Mitarbeitende und sind insgesamt zu siebt. Wir sind dabei, unsere Geschäftsbereiche auszubauen und weiter Stellen zu besetzen. Mitte dieses Jahres hatten wir zudem unseren ersten Produkt Launch und bieten seitdem die ersten nachhaltigen Geldanlagen an. Diverse Auszeichnungen und Förderungen zeigen zudem, dass die Innovationskraft und Zukunftsfähigkeit unseres Startups wahrgenommen wird und als unterstützenswert gilt. Im Jahr 2022 wurden wir bspw. mit dem Gründungspreis für digitale Innovationen vom BMWK ausgezeichnet. Auch die Aufnahme in das K.I.E.Z Accelerator Programm der Humboldt Universität hat uns in unserer nachhaltigen Mission bestärkt. Außerdem werden wir derzeit durch die Investitionsbank Berlin und im Rahmen des Woman TechEU-Programm für ausgewählte Deeptech-Startups gefördert.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist seit dem Start so richtig schief gegangen?
Es sind immer mal wieder Kleinigkeiten schief gegangen, aber bisher zumindest noch keine richtig schlimmen Sachen. Die GLS hat beispielsweise unseren neuen Drucker beim Transport beschädigt und sich dann tot gestellt. Das hatte eine lange Diskussion mit dem Verkäufer zur Folge, wie mit dem Problem umzugehen ist. Im Endeffekt hat die Versandfirma (eine dritte Partei) den Hauptschaden übernommen und wir bekamen nach sechs Monaten endlich unseren neuen Drucker. Sonst gab es natürlich immer wieder Hürden, die überwunden werden mussten, die zwar erst mal bangen ließen, aber bei einem letztendlichen Erfolg auch bestärken. Als FinTech mit einem nachhaltigen Geschäftskonzept ist die Absicht der positiven Einflussnahme zwar rühmlich, allerdings ist es insbesondere in Deutschland nicht so einfach, Geldanlagen anzubieten, da der Finanzmarkt streng reguliert ist. Und das natürlich aus gutem Grund. Es war somit mit einigen regulatorischen Schwierigkeiten verbunden, unsere Geldanlage marktfähig zu machen, sodass alle gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden und die Sicherheit für unsere Kund:innen garantiert wird. Dafür arbeiten wir mit einem lizenzierten Kooperationspartner zusammen. Außerdem übernimmt eine Depotbank die Verwahrung der Aktien und Anleihen und sorgt für die Einlagensicherheit. Der Start unserer Zusammenarbeit mit diesen beiden Partnern war ein großer Meilenstein auf unserem Weg zum Marktstart.

Und wo habt Ihr bisher alles richtig gemacht?
Eines der wichtigsten Aspekte beim Aufbau eines Startups ist das Vertrauen unter den Gründerinnen. Dadurch, dass Caroline und ich uns schon lange kennen, viel miteinander gearbeitet und auch einige Krisen durchgestanden haben, war das von Anfang an gegeben. Außerdem haben wir viel Wert darauf gelegt, alle unsere Verträge sehr sorgfältig durchzusprechen und uns juristisch beraten zu lassen. Das hat uns enorm geholfen, für alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Auch in Punkto Personal haben wir viel richtig gemacht: Wir achten bei unserer Personalakquise darauf, dass sich die Bewerber:innen mit unseren Werten und unserem Anspruch an Nachhaltigkeit identifizieren. Alle unsere Mitarbeiter:innen haben sich mit dem Wunsch nach einer sinnstiftenden Tätigkeit bei uns beworben. Mit dieser Intention fällt es leicht, eine gemeinsame Mission voranzutreiben, das Produkt weiterzuentwickeln und eine gezielte und transparente Kommunikation nach außen zu schaffen. Obwohl wir uns in Zeiten des Fachkräftemangels befinden, haben wir bisher oft sehr gute Bewerbungen bekommen.

Wo steht Goldmarie Finanzen in einem Jahr?
Wir möchten uns als zuverlässige Partnerin in Sachen Finanzen und nachhaltige Geldanlagen etablieren und unser Produkt stetig weiterentwickeln. Zukünftig soll es möglich sein, die eigene Geldanlage weiter zu personalisieren. Dazu können zusätzlich bestimmte Branchen oder Geschäftstätigkeiten ausgeschlossen bzw. verstärkt in das Portfolio einbezogen werden. Wir möchten mit unserem Angebot nicht nur einen Zugang zu nachhaltigen Investitionen verschaffen, sondern mit der Vermittlung von Finanzwissen auch für einen kritischen Umgang mit Geldanlagen sorgen bzw. Personen befähigen, sich aktiv mit ihren Finanzen auseinanderzusetzen. Insbesondere Frauen scheuen sich noch immer, ihre Finanzen in die eigene Hand zu nehmen und bewusst für die Zukunft vorzusorgen. Mit unserem digitalen Angebot und unserem integrierten Risikomanagement schaffen wir eine Anlagelösung, die auch für Börsenneulinge attraktiv ist. In einem Jahr möchten wir viele neue Kund:innen von uns überzeugt haben.

Startup-Jobs: Auf der Suche nach einer neuen Herausforderung? In der unserer Jobbörse findet Ihr Stellenanzeigen von Startups und Unternehmen.

Foto (oben): Goldmarie Finanzen

Alexander

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.