#Gastbeitrag
Der Staat ist nicht dein Boss
Als CEO und Gründer, der in ganz Europa und auch in Deutschland tätig ist, habe ich miterlebt, wie eine übermäßige und veraltete Gesetzgebung Start-ups ausbremst. Insbesondere solche, die sich dem globalen Wettbewerb stellen wollen. Das gilt derzeit für Unternehmen in Deutschland und Skandinavien. Besonders problematisch ist, dass z. B. amerikanische Unternehmen sich nur selten mit den gleichen strengen Regeln konfrontiert sehen. Dies könnte einer der Gründe sein, warum sie die meisten Branchen und Märkte im Technologiesektor dominieren.
US-Start-ups beherrschen die Tech-Branche
„Frag nicht, was dein Land für dich tun kann, sondern was du für dein Land tun kannst“. Dieses berühmte Zitat von John F. Kennedy hatte einst Gewicht. Im Jahr 2023 zeichnet sich allerdings ein anderes Bild: Skandinavien und Deutschland sind zwar gut entwickelte Länder, aber gleichzeitig stark reguliert. Die Gesetzgebung ist damit weit entfernt von dem liberalen Ansatz anderer Länder, wie beispielsweise dem US-amerikanischen.
Amerikanische Tech-Giganten bestimmen unser Leben – von iPhones über Netflix und Amazon bis hin zu Facebook. Währenddessen versteifen sich europäische Politiker:innen auf Themen wie die DSGVO und den Datenschutz. Damit behindern sie Start-ups. Daher plädiere ich dafür, ein Gleichgewicht zu finden. Denn wir brauchen Deregulierung, um das Wachstum europäischer Technologieunternehmen zu fördern.
Deutsche Gesetze hemmen das Wachstum
So ist beispielsweise der Umgang mit der deutschen Gesetzgebung für uns eine große Herausforderung. Dadurch werden unsere Produkte wie der CO-DRIVER, der Millionen von Autofahrer:innen mit Live-Verkehrsinformationen versorgt, sowie unsere elektronische Parkscheibe daran gehindert, ihr volles Potenzial zu entfalten und ein sicheres Fahrerlebnis für Millionen von Kund:innen zu schaffen. Es wäre wünschenswert, wenn Deutschland Unternehmen wie uns als Chance und nicht als Hindernis ansieht. Vor allem, weil wir über die Mehrwertsteuer und die Beschäftigung einen erheblichen Beitrag zur Wirtschaft leisten.
Wir haben mit 30 deutschen Politiker:innen gesprochen und die regulatorischen Herausforderungen erläutert. Die Standpunkte und Rückmeldungen variierten: Einige zeigten sich offen für Veränderungen, andere reagierten, trotz der gesellschaftlichen Entwicklungen, verschlossen und wollen an veralteten Gesetzen festhalten.
Ungeachtet der bereits exisitierenden Möglichkeiten unseres Produkts CO-DRIVER, Live-Verkehrsinformationen und elektronische Parkscheiben bereitzustellen, könnten wir noch viel mehr erreichen. Dazu müssten uns deutsche Politiker:innen allerdings als einen Katalysator für Wachstum und nicht als Hindernis verstehen.
Mit 10 bis 15 Mitarbeiter:innen in Deutschland und erheblichen Beiträgen zur Mehrwertsteuer setzen wir uns daher für eine Deregulierung ein. Um das Wachstum zu fördern, ohne für Gesetzlosigkeit einzutreten.
Fokus auf Bürger:innen und Unternehmen
Im Vergleich zu Deutschland ist Skandinavien bei der Digitalisierung bereits deutlich weiter. Und es ist eine Freude, daran teilzuhaben – als Bürger und als Unternehmer. Natürlich kann man argumentieren, dass es in einem Land mit 1/16 der Bevölkerung und kurzen Wegen einfacher ist, mit Systemen zu experimentieren. Wir haben viel probiert und getestet, mit dem Ergebnis, dass wir in Dänemark komplett digital sind. Die meisten dänischen Bürger:innen unter 60 Jahren verwalten ihr gesamtes Leben digital. Im Grunde ist alles digital: Führerschein, Zugang zur Bank, Steuern, medizinische Papiere, Dialog mit Behörden… Alles ist online. Die meisten Däninnen und Dänen erhalten keine physischen Briefe mehr, sondern nur noch eine digitale Version über ein staatlich implementiertes System.
In Skandinavien passen die Politiker:innen Rahmenbedinungen an, um die Bürger:innen und Unternehmen zu stärken. Denn vergesst nicht: Politische Vertreter:innen sind dazu bestimmt, euren Interessen zu dienen – und nicht umgekehrt.
Zudem liegen die größten Wachstumschancen darin, die bereits vorhandenen Straßen von Unwegbarkeiten und Hindernissen zu befreien. Und nicht etwa darin, neue Wege zu bauen.
Digitalisierung annehmen oder das Risiko abgehängt zu werden
Mit seinen mehr als 80 Millionen Einwohner:innen bietet der deutsche Markt hiesigen Start-ups ausreichende Wachstumschancen. Dennoch ist es wichtig, sich auch in ausländischen Systemen zurechtzufinden und die Möglichkeiten der Digitalisierung zu nutzen. Für Deutschland sollten daher folgende drei Punkte zentral sein:
- Von erfolgreichen skandinavischen Modellen zu lernen, kann dabei helfen die Lücke zu schließen.
- Deregulierung kann ein wirksames Mittel gegen die Tech-Dominanz der USA sein.
- Wachstum lässt sich beschleunigen, indem die Bundesrepublik die Digitalisierung priorisiert und sich von überholten Bedenken befreit.
Ebenso wichtig: Fordert Taten von euren Politiker:innen, fordert Fortschritt! Heißt den Wandel willkommen oder ihr werdet abgehängt. In einer sich immer schneller entwickelnden Welt muss Deutschland Veränderung annehmen, um den Zug namens Fortschritt nicht zu verpassen.
Und wenn ihr jetzt denken: „Dieser unkonventionelle, dänische Unternehmer versteht unser System einfach nicht! In Deutschland funktioniert das aus bestimmten Gründen nun mal so….“, dann möchte ich euch zum Abschluss sagen: Der Zug fährt ab – mit oder ohne euch!
Über den Autor
Christian Walther Øyrabø ist CEO des Tech-Unternehmens OOONO. Das dänischen Tech-Scaleups ist in Deutschland und verschiedenen europäischen Ländern tätig.
Startup-Jobs: Auf der Suche nach einer neuen Herausforderung? In der unserer Jobbörse findet Ihr Stellenanzeigen von Startups und Unternehmen.