BIOTherma-Pad: Gibt es eine “falsche Phase” für die Investorensuche?
Die Voraussetzungen waren eigentlich nicht die schlechtesten, denn schon die Entstehungsgeschichte des BIOTherma-Pad ist eine von der Sorte, die Investoren normalerweise am liebsten hören: Gründerin Friederike Freifrau von Rodde ist mehrfache Mutter und machte bei kleinere Blessuren ihrer Kinder häufig Gebrauch von den üblichen Kühl- bzw. Wärmepads mit Gelfüllung. Einmal platzte ihr jedoch eines auf, weshalb sie sich daran machte, herauszufinden, was eigentlich darin enthalten ist und wie gefährlich es ist, sollten sie oder ihre Kinder damit in Berührung kommen oder sogar etwas davon verschlucken. Ihre Erkenntnisse über Industrie-Alkohole und Frostschutzmittel beruhigten sie überhaupt nicht, weshalb sie sich vornahm, eine Alternative zu entwickeln, um endlich umweltfreundliche und ungiftige Kühl- und Wärmepads in die Haushalte zu bringen.
Mit dem Ergebnis trat sie nun schließlich vor die Löwen, und Investoren mögen bekanntlich GründerInnen, die ihr eigenes Problem gelöst haben. Denn wo jemand ein Problem im Alltag hat, ist er normalerweise nicht alleine und gerade ein Elternteil, dass sich bei bestimmten Dingen Sorgen um die Gesundheit seiner Kinder macht, ist normalerweise bei Weitem nicht das einzige. Die Chancen stehen also gut, dass eine sinnvolle Lösung auch auf weitere Interessenten trifft.
Doch nicht nur die Entstehungsgeschichte selbst ist ein gutes Vorzeichen, der Pitch ist auch hervorragend strukturiert und vorgetragen. Denn die Gründerin nutzt eine Struktur, die bestens dafür sorgt, dass ZuhörerInnen das Gesagte gut aufnehmen können und auch emotional gerne folgen, weshalb sie von Überzeugungs-Experte Daniel Pink für alle möglichen Arten von Pitches empfohlen wird. Er nennt sie die „Pixar-Struktur“, weil der Aufbau dem Ablauf der Geschichten in den berühmten Filmen entspricht: „Es war einmal…“ führt in eine Situation ein, „Jeden Tag…“ beschreibt eine Alltagssituation. „Bis eines Tages…“ dann ein ungewöhnliches Vorkommnis geschieht, woraufhin normalerweise der Held oder die Heldin etwas unternimmt, was mit „Deswegen…“ eingeleitet wird. Hier ist das die Recherche der Inhaltsstoffe eines herkömmlichen Geldpads, was dann noch einmal die Entwicklung eines ungefährlicheren Produktes nach sich zieht, und tatsächlich ist in dieser Struktur auch ein weiteres „deswegen…“ vorgesehen, um schließlich mit „Bis schließlich…“ das endgültige Ziel oder eben „Happy End“ einzuleiten.
So weit ist das Therma-Pad zwar an diesem Punkt noch nicht, aber man merkt den Löwen ihr Interesse deutlich an. Dagmar Wöhrl fragt dann jedoch die Gründerin, wo genau sie gerade steht, was leider eine Art Wendepunkt einleitet. Denn das Produkt ist noch nicht vollkommen marktfertig, auch wenn ein Professor für Umweltbiologie an der Entwicklung beteiligt ist, der sich sicher ist, dass es funktionieren wird.
Janna Ensthaler, Dagmar Wöhrl und auch Carsten Maschmeyer steigen daraufhin bald aus, vor allem, weil diese Situation und auch die Konstellation mit wahrscheinlich fälligen Lizenzgebühren an den Mit-Entwickler ihnen zu unsicher ist.
Tatsächlich ist eine solche Phase im Konsumgüter-Bereich oft eher ungünstig, um sich an Investoren zu wenden. Denn diese wollen meist ein fertiges Produkt sehen – oder zumindest eines, dass man schon im gewissen Umfang am Markt ausprobieren kann. Das hat vor allem den Hintergrund, dass in der Entwicklungsphase noch viel schief gehen kann: die gewünschten Eigenschaften sind vielleicht doch nicht so einfach hinzubekommen oder die Inhaltsstoffe müssen noch verändert werden, was die Preisstruktur völlig durcheinanderbringen kann – gerade in den momentanen Zeiten, in denen bestimmte Rohstoffe enormen Preissteigerungen unterliegen, ist dieses Risiko nicht zu unterschätzen. Für viele Investoren ist daher eine solche Phase tatsächlich ein Ausstiegsgrund, und außerhalb der Höhle fällt dann oft der berühmte Satz „Es ist noch etwas früh für uns, aber lasst uns in Kontakt bleiben“. Was natürlich nicht komplett negativ ist, aber in einem Moment, in dem man Geld für die Produktfinalisierung braucht, auch nicht wirklich weiterhilft.
Doch die Gründerin hat noch Einiges zu bieten, was bei den wenigsten Startups in der Entwicklungsphase so vorliegt: Ihr Produkt besteht nicht nur aus dem Gelpad, sondern sie will dieses im Bundle mit den vor allem für Kinder passenden Stoffhüllen verkaufen. Diese sind nicht nur Lizenzgebühr-frei, sondern werden vor allem auch in ihrer eigenen sozial und nachhaltig arbeitenden Textilmanufaktur hergestellt. Sie hat also schon bewiesen, dass sie ein Unternehmen aufbauen und managen kann – ein riesen Vorteil aus Investorensicht. Außerdem bergen die zwei Teile des Geschäftsmodells – das eine leicht herstellbar, aber nicht schützbar, das andere wahrscheinlich patentierbar, aber noch nicht fertig und mit eventuelle schwankenden Herstellungskosten – eine gewissen Chance, sich auch ein wenig auszugleichen.
So ringen sich auch schließlich zwei Investoren zu einem Angebot durch – mit Tillmann Schulz und Nils Glagau auch tatsächlich genau die beiden, die beim größten Risiko-Faktor Entwicklung auch mit eigenen Ressourcen noch unterstützen können.
Nachdem auch die Gründerin mit sich ringen muss, um zu einer Entscheidung zu gelangen, geben sie sogar ihre Konkurrenz auf und tun sich zusammen, so dass Friedrike für 30% statt der ursprünglich angebotenen 20 % nicht nur die gewünschten 60.000 Euro, sondern sogar zwei neue Partner bekommt.
Damit es auch in frühen Phase bei der Investorenverhandlung zu einem Happy End kommen kann, gibt es also durchaus ein paar Einflussfaktoren, die man sich bewusst machen sollte. Zunächst sollten GründerInnen sich klar machen, dass man da, wo das Risiko hoch ist, auch wieder Faktoren braucht, die es abdämpfen. Gibt es zum Beispiel ein hochqualifiziertes Team-Mitglied, dass die Gefahr einer Fehlentwicklung maßgeblich bannt? Oder gibt es Erfahrungswerte in Management und Gründung? Oder gibt es besonderen Zugang zu Ressourcen oder Produktion, die eine gewisse Stabilität in kritischen Beschaffungsteilen gewährleisten? Zukunftsvisionen und Begeisterung fürs eigene Produkt helfen hier leider kaum weiter, möglichst harte und in irgendeiner Form belegbare Fakten sind hier gefragt.
Entdeckt man auf Seiten des Investors Faktoren, wodurch er selbst seinem Risiko wieder ein Stück entgegenwirken kann, wie zum Beispiel, dass er eine entscheidende Expertise hat, die bei der Entwicklung stark unterstützen kann, darf man das Thema auch ruhig selbst anschneiden.
In der Höhle haben das dieses mal die Löwen selbst getan, doch hat die Gründerin hier auch noch einmal nachgehakt. Wieder einmal mehr eine gute Demonstration, dass Investorenverhandlungen eben auch vor allem ein Gespräch über die künftige Zusammenarbeit sein sollen, und keine knallharte Verhandlung mit einem starken Autoritätsgefälle. Und obwohl die beiden Löwen den Deal dann letztendlich doch nicht gemacht haben, stehen alle Zeichen darauf, dass es für Friederike und ihr Bio Therma-Pad zu einem „Happy End“ kommen wird… oder vielmehr einem „Happy Beginning“.
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