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TheBlood: Skaleneffekte oder hohe Skalierbarkeit?

Frauengesundheit ist ein riesiger Markt, der gerade erst enttabuisiert und erschlossen wird. Auch das bei „Die Höhle der Löwen“ aufgetretene Startup TheBlood ist angetreten, diesen weiter voranzubringen. Doch ist ihr Modell wirklich so "hoch skalierbar" wie sie behaupten?
TheBlood: Skaleneffekte oder hohe Skalierbarkeit?
Mittwoch, 27. September 2023VonTeam

Die GründerInnen Miriam, Isabell und Lukas bekommen in der neuesten Folge von “Die Höhle der Löwen” viel Lob für ihr Produkt, aber auch als Team und ihr Business überzeugt fast alle Löwen. Szene-Kenner dürfte das kaum überraschen, sind sie doch mit ihrem Thema im Boom-Markt Frauengesundheit unterwegs.

Denn The Blood ermöglicht es Frauen, ihr Menstruationsblut mit Hilfe eines vorbereiteten Kits einfach zu Hause abzunehmen und zur Analyse direkt in ein Labor zu schicken. Hier werden dann verschiedene Maker wie z.B. Vitamine ausgewertet und in die zugehörige App übertragen. Je nach Problemstellung – zum Beispiel PMS oder Periodenschmerzen – gibt es dann Empfehlungen. So hat das Team bei seinen bisherigen Tests festgestellt, dass ca. 90% der Frauen Vitamin-Mängel haben, deren Ausgleich das bekannte prämenstruelle Syndrom – die so berühmten wie problematischen Tage vor den Tagen – abschwächen kann.

Trotz oft zitierter Krise in der Startup-Welt bekommen solche Themen in den letzten Jahren sehr viel Aufmerksamkeit, von Medien wie Investoren. Die Erklärung hierfür ist so simpel wie schockierend: das Thema Frauengesundheit wurde bisher praktisch verschlafen, selbst die als immer so gierig hingestellten Pharmaunternehmen konnten sich nicht denken, dass Millionen von Frauen gutes Geld für die Erleichterung ihres monatlichen Leidens in die Hand nehmen würden – trotz umfangreicher und kostspieliger Marktforschung und immer neuer fancy Methoden wie Fokusgruppen oder Lead-Customers. Es wäre amüsant, wenn es nicht so traurig wäre, dieses Zeugnis eines kollektiven Versagens.

Aber für solche Fälle haben wir ja Startups, die dieses Feld in den letzten Jahren auch ordentlich beackert haben. Und Investoren, die es dann auch sehr bald verstanden haben, dass hier tatsächlich etwas zu holen ist.

So wie die Löwen, die dann auch schnell ihre Ohren spitzen, allerdings bedeutet dies in der Regel auch, dass sie ziemlich schnell auf das Zahlenwerk zu sprechen kommen, und auch für The Blood machen sie da keine Ausnahme.

Nils Glagau läutet – zumindest in der fertig geschnittenen Version – den Zahlenreigen ein und fragt nach dem Verkaufspreis. So finden die ZuschauerInnen heraus, dass es praktisch zwei Varianten gibt: die Einmal-Variante mit einem einzelnen Kit für 42 Euro und die Abo-Variante, in der vier Kits innerhalb eines Jahres mit 150 Euro zu buche schlagen.

Nun wollen die Löwen aber natürlich noch wissen, was davon denn tatsächlich bei dem Startup „hängen bleibt“, also wie viel Geld mit so einem Kit verdient werden kann. Die GründerInnen müssen aber leider zugeben, dass das Labor zur Zeit noch rund 30 Euro für die Testkosten erhält, betonen aber, das diese bei mehr Tests noch deutlich heruntergehen, so dass die Marge dann bei circa 60% liegen könnte. Daraus folgern sie – vorbehaltlich eventueller sachlicher Lücken im Schnitt – dass ihr Geschäftsmodell eine “sehr hohe Skalierbarkeit” hat.

Doch was heißt das eigentlich, und kann man das aus dem einen Faktor einer einzelnen sinkenden Kostenart so direkt überhaupt herleiten?

Normalerweise spricht man von einem hoch skalierbaren Geschäftsmodell, wenn es einfach ist, schnell große Mengen zu produzieren, und vor allem, wenn exponentiell steigende Verkäufe maximal linear steigende Kosten nach sich ziehen. Einfach ausgedrückt: explodieren die Umsätze, explodieren die Kosten nicht mit, auch wenn sie natürlich ebenfalls ansteigen. Ein wichtiger Faktor hierbei sind meistens die Personalkosten: wenn ich zum Beispiel mit einem Team von 20 Leuten 1000 Produkte im Monat herstellen und verkaufen kann, brauche ich bei 10000 Produkten keine 200 Leute, sondern vielleicht nur 40. Der Umsatz wächst also um den Faktor 10, während mein Personaleinsatz nur um den Faktor 2 wächst. Bei 100.000 Produkten brauche ich dann aber vielleicht auch nicht einmal mehr 80 Leute, sondern komme sogar mit 60 aus. Das kann also nur klappen, wenn möglichst wenig Personal in die direkte Herstellung oder den Verkauf involviert ist.

Doch darüber erfahren wir bei The Blood nicht allzu viel. Der Gründerin geht es an der Stelle vor allem darum, dass die Kosten pro Laboruntersuchung sinken, ein wesentlicher Bestandteil der Herstellungskosten bei größeren Mengen also sinkt und so die Marge beträchtlich steigt. Dies nennt man Skaleneffekt, mit einem skalierbaren Geschäftsmodell hat das aber recht wenig zu tun. Denn schließlich ist in diesem Fall händische Arbeit – die Auswertung im Labor – Teil des einzelnen Produkts, was sich normalerweise eher negativ auf die Skalierbarkeit auswirkt. Denn wenn das Startup stark wächst, könnten einzelne Labore schnell an ihre Grenzen geraten, man muss also weitere hinzuholen oder selbst welche Aufbauen. Diese Strukturen brauchen immer ein wenig Zeit, man kann nicht nur einen Knopf drücken, um die Kapazitäten zu verdoppeln, was eine klassische Hürde bei der Skalierung ist – wenn auch keine unüberwindbare. Zusätzlich muss man erwähnen, dass die Kosten pro Labor-Auswertung zwar sinken können, aber immer noch substantiell sind – soll heißen, es sind variable Kosten, die immer pro Stück anfallen.

Da der Markt aber wahrscheinlich riesig und die Labor-Infrastruktur in Deutschland und angrenzenden Ländern wohl auch nicht gerade schlecht ist, würde Investoren die Machbarkeit wohl schon eher positiv bewerten, aber sicherlich unterschiedlicher Meinung sein, ob ein solches Modell wirklich als “hoch skalierbar” durchgeht.

Aber skalierbar mit guten Margen reicht in den meisten Fällen aus – gerade mit einem genügend großen Markt und effizienten Möglichkeiten der Kundengewinnung, über die wir allerdings leider nicht viel erfahren.

Das Thema allein und das fähige Gründerteam haben es aber sicherlich verdient, seine Skalierbarkeit auf dem Markt zu beweisen, und das Engagement der Löwen Nils Glagau und Carsten Maschmeyer zeigt, dass sie dies wohl ähnlich sehen. Auch wenn der Deal – scheinbar von GründerInnen-Seite aus – nicht zu Stande gekommen ist, dürfen wir gespannt sein, wie viele solcher spannenden Startups dieses Marktsegment in Zukunft noch hervorbringt. Die dann hoffentlich so stark wie möglich skalieren und so vielen Frauen, die seit so vielen Jahren von der Medizin und Pharmazeutik praktisch ignoriert werden – endlich helfen.

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Foto (oben): RTL / Bernd-Michael Maurer