“Wie lange die Reise zum Erfolg tatsächlich ist, war mir vorher nicht klar”
Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Dieses Mal antwortet der Seriengründer Tino Keller von Accountable. Das deutsch-belgische FinTech positioniert sich als Steuer-App für Selbstständige.
Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Ich beginne immer mit einer Liste an top Prios für jeden Tag. Das brauche ich, um effektiv zu starten. Danach geht es in die Stand-ups. Wir haben ein Büro in Berlin und in Brüssel, daher ist die Abstimmung mit den Kollegen wichtig, um wirklich als Team zu arbeiten. Täglich teilen wir die Erfahrungen aus den verschiedenen Märkten, um voneinander zu lernen und gemeinsam zu wachsen. Seit letztem Jahr bin ich neben meiner Rolle als Co-Founder und Deutschlandchef auch für das gesamte Marketing verantwortlich. Daher versuche ich mir die Vormittage freier zu halten, um am Stück fokussiert an den verschiedenen Themen zu arbeiten. Am Nachmittag sind dann viele Meetings und Video-Calls.
Wie schaltest du nach der Arbeit ab?
Abzuschalten im Startup-Leben ist in der Tat schwierig. Abends Zeit mit der Familie zu verbringen, hilft mir dabei aber sehr. Die beste Methode für mich, um den Kopf freizubekommen, ist ganz klar Sport. Beim Training bin ich voll im Moment und das hat auch etwas Meditatives für mich.
Was über das Gründer:innen-Dasein hättest du gerne vor der Gründung gewusst?
Wie lange die Reise zum Erfolg tatsächlich ist, war mir vorher sicher nicht klar – da wäre ich im Nachhinein über einen Tipp dankbar gewesen. Gleichzeitig weiß ich heute, wie befriedigend es ist, die eigenen Ideen direkt selbst umzusetzen. Genau das motiviert dann auch wieder dranzubleiben, bis sich der Erfolg einstellt.
Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstest?
Zum Start muss ich immer erst mal mich selbst überzeugen. Wenn ich zu 100 % an den Erfolg glaube, kann ich auch andere überzeugen. Aktuell musste ich mich ganz konkret in das Thema Steuern einarbeiten – das war schon eine Hürde, aber es hat mir auch gezeigt, wie wertvoll unsere aktuelle Lösung für Selbstständige ist.
Vor der Markteinführung in Deutschland mussten wir für Accountable erst einmal SteuerberaterInnen finden, die uns als PartnerInnen auf unserer Reise begleiten. In der etablierten deutschen Steuerbranche war das anfangs gar nicht so einfach. Heute arbeiten wir mit tollen SteuerberaterInnen zusammen, die unsere Software nicht fürchten, sondern die Digitalisierung viel mehr als eine Chance sehen, sich auf ihr wesentliches Handwerk, die Beratung fokussieren zu können. Die andere große Herausforderung ist es, die Selbstständigen auch zu erreichen. Dafür müssen wir unsere Marketingkanäle sehr professionell aufstellen, um die richtigen potenziellen Nutzer und Nutzerinnen zu erreichen.
Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
Bei Accountable haben wir definitiv zu spät auf Content-Marketing gesetzt. Der Fokus war zum Start stark auf dem Produkt und den Performance-Marketing-Kanälen – und das, obwohl ich vorher im Medienbereich unterwegs war. Mittlerweile investieren wir massiv in Qualitätsinhalte und sehen auch, wie sich das auszahlt. Ein anderer klassischer Fehler war die Priorisierung von Features. Hier haben wir zum Beispiel als erste Steuer-App mit viel Aufwand auch die Gewerbesteuer integriert. Im Nachhinein waren aber andere Funktionen viel entscheidender für viele NutzerInnen. Heute priorisieren wir noch klarer auf Basis von User-Feedback.
Wie findet man die passenden Mitarbeiter:innen für sein Startup?
Ein motiviertes Team, das selbstständig Themen vorantreibt, ist für uns absolut entscheidend. Konkret hat für uns bisher LinkedIn immer gut funktioniert. Je nach Rolle sind auch andere Jobbörsen gut, z. B. das Auge für Kreative oder Deutsche Startups für typische Startup-Rollen. Daneben nutzen wir auch Netzwerke, wie zum Beispiel Factory Berlin und Mitarbeiterempfehlungen.
Welchen Tipp hast Du für andere Gründer:innen?
Dran bleiben, immer dran bleiben, beziehe so schnell wie möglich die Welt außerhalb der eigenen vier Wände ein und verliere Deine Vision dabei nicht aus den Augen. Was mir heute sehr wichtig ist, ist ein Umfeld von guten Leuten, denen ich vertraue und und von denen ich immer noch lernen kann.
Ohne welches externes Tool würde dein Startup quasi nicht mehr existieren?
Bei unserem internationalen Ansatz mit einem Team, das quasi von überall arbeitet, ist Kommunikation das A und O und somit sind Slack und Notion unsere zentralen Tools im Team.
Wie sorgt ihr bei eurem Team für gute Stimmung?
Ich glaube, das gesamte Team sieht, dass wir mit Accountable an einer echten Mission arbeiten: Selbstständigen in Europa zu helfen, ihren beruflichen Traum zu verwirklichen – ohne Stress mit Steuern. Das motiviert. Daneben fokussieren wir uns sehr auf die Ergebnisse und bieten viel Flexibilität. Es kommt also nicht darauf an, von wo jemand arbeitet oder wann genau. Zusätzlich sind unsere Teamweeks ein echtes Highlight für alle, z. B. auf Kreta, in den Ardennen oder zuletzt in Ägypten.
Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Es ist schon etwas länger her, aber die Erfahrungen mit meiner ersten Gründung Spickmich.de während meines Studiums war bisher der wildeste Ritt. Vor allem auf den Auftritt bei TV Total mit Stefan Raab werde ich immer noch angesprochen.
Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag aus? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.