Gründen im Esports – über Chancen und Möglichkeiten
Ein Unternehmen zu gründen ist aufregend und herausfordernd. Meine Gründungsgeschichte beginnt mit meiner Leidenschaft für Games und Esports. Schon früh war ich an den Anfängen der ESL beteiligt, die heute die größte Esport-Liga der Welt ist. Was als Hobby begann, entwickelte sich immer mehr zu einem boomenden Geschäft mit Events, Zuschauern und den ersten Sponsoren. Der Esports wurde erwachsen und mit ihm auch ich. 2015 wagte ich eher zufällig den Schritt in die Selbstständigkeit, denn nach meiner aktiven Zeit bei der ESL kamen viele Leute aus meinem Netzwerk auf mich zu und baten mich um Rat. Es gab offensichtlich Beratungsbedarf, wie man als Unternehmen im Gaming- und Esports-Umfeld sinnvoll aktiv werden kann.
Chancen und Möglichkeiten im Esports
Wer heute im Esports gründet, muss sich breiter aufstellen. Der Trend geht klar in Richtung einer generalistischen Digitalberatung, in der Esports ein Baustein von vielen ist. Deshalb haben wir kürzlich die Content Creator Marketing-Agentur Tworeach übernommen.
Der Esports umfasst eine Vielzahl an Bereichen, die für Gründungen in Frage kommen. Grob betrachtet lassen sie sich folgendermaßen klassifizieren:
- Management von Esports-Teams: Esports-Teams konkurrieren in verschiedenen Spielen und Ligen auf professionellem Niveau und generieren Einnahmen durch Preisgelder, Sponsoring, Merchandising und Medienrechte.
- Organisation von Esports-Veranstaltungen: Esports-Events ziehen oft Tausende von Fans an und bieten Möglichkeiten für Sponsoring, Ticketverkauf, Merchandising und Medienrechte.
- Erstellung von Esports-Inhalten: Die Nachfrage nach Esports-Inhalten ist in den letzten Jahren stark gestiegen, wie z.B. Livestreams von Turnieren, Esports-News und -Analysen, Videoinhalte über Esportler und Teams, Podcasts oder Social-Media-Inhalte. Einnahmen können durch Werbung, Sponsoring, Abonnements oder Merchandising generiert werden.
- Entwicklung und Bereitstellung von Esports-Plattformen und -Technologien: Dazu zählen Plattformen, die Esports-Teams, Spieler, Veranstalter und Fans miteinander verbinden, wie z.B. Turniermanagement-Plattformen, Teammanagement-Tools, Fan-Engagement-Plattformen oder Esports-Marktplätze.
- Esports-Aktivierungen im Marketing: Spezialisierte Agenturen unterstützen Unternehmen dabei, mit Gamern und Esport-Fans zu interagieren und die wachsende Esports-Community als lukrative Zielgruppe zu erschließen.
Was braucht es, um heute im Esports erfolgreich zu sein?
Bevor ich auf meine eigenen Erfahrungen der letzten Jahre eingehe, möchte ich die besonderen Schwierigkeiten skizzieren, die Startups, Investoren und Teams berücksichtigen müssen, wenn sie erfolgreich am Markt bestehen wollen.
- Das Wichtigste zuerst, obwohl es eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung ist: Wer im Esport-Umfeld gründet, muss ein tiefes Verständnis der Esport-Industrie haben und eine Leidenschaft für das Spiel und den Wettkampf. Es ist wichtig, die Community zu kennen, zu wissen, wie sie kommuniziert und welche Bedürfnisse sie hat.
- Von Teamgründungen würde ich derzeit absehen, da es aufgrund der negativen Schlagzeilen schwierig ist, dafür Geld zu bekommen.
- Auch die großen Anbieter schaffen es aufgrund der Kosten nicht, profitable Geschäftsmodelle zu entwickeln. Events sind sehr teuer und die Medienrechte bringen nicht so viel ein wie im klassischen Sport.
- Ein weiterer wichtiger Punkt: Esports ist ein proprietäres System, abhängig vom geistigen Eigentum der Spielehersteller und damit in deren Rechtsraum angesiedelt. Dies führt zu Abhängigkeiten, die im Extremfall das eigene Geschäftsmodell bedrohen können. Wichtig sind ganzheitliche Modelle, die nicht von Lizenzen abhängig sind.
- Generell ist die Medialisierung stark reglementiert, selbst in der Fußball-Bundesliga muss für einen einzelnen Spot ein Rechtepaket erworben werden.
- Aber: Fußball „gehört“ zunächst einmal niemandem, das ist im Esports anders. Dort gehört jedes Bild einem Unternehmen, so dass es schnell zu Urheberrechtsverletzungen kommt.
- Mittlerweile werden Social Media und Matchmaking – zentrale Elemente jedes Esports – von den Entwicklern selbst in die Spiele integriert, was Drittanbieter überflüssig macht und Startups rund um den Aufbau von Matchmaking- und Community-Plattformen in ihrer Existenz bedroht.
Seit den ersten Tagen der ESL habe ich nur wenige Tech-Produkte gesehen, die eine wirkliche Innovation in den Bereichen Community Building, Matchmaking oder Teambildung und ein funktionierendes Geschäftskonzept geschaffen haben.
Trotzdem lohnt es sich, rund um Gaming und Esports aktiv zu sein. Damit kann man sich als Berater und Agentur ein Alleinstellungsmerkmal aufbauen.
Basierend meinen eigenen Erfahrungen gebe ich euch fünf Tipps mit auf den Weg, um Fettnäpfchen als Gründer zu vermeiden:
- Wartet nicht zu lange mit der Anmeldung eurer Marke. Ihr erspart euch viel Ärger und Geld!
- Ein großer Fehler der Esports-Szene allgemein: Overpromise, Underdeliver. Nennt keine Größenordnungen und Kennzahlen, die nicht umsetzbar und erreichbar sind.
- Auch wenn Esports wächst – und das schon seit 20 Jahren: Der Kosmos kann nur so schnell wachsen, wie die Infrastruktur und die digitale Entwicklung wachsen. Opfert unser langsames und nachhaltiges Wachstum nicht auf dem Altar der Profite und Investorenprognosen. Dadurch verliert das ganze Thema an Glaubwürdigkeit und Substanz und die gesamte Branche gerät unter Druck.
- Verliert die Community nicht aus den Augen – denn er ist wichtiger als das Spiel!
- Tipp für alle Gründer: Gebt nicht mehr Geld aus, als ihr habt.
Deutschland versus Ausland – wo gedeiht Esports besser?
Esports funktioniert weltweit. Es ist eine internationale Szene und in fast jedem Land gibt es Beispiele für erfolgreiche Unternehmen in diesem Kosmos.
Es war eher ein historischer Zufall, dass die Gründung der mittlerweile größten Esportsliga ESL in Köln stattfand. So entstand hier ein Gründer-Hotspot und ein Ökosystem, zu dem heute neben der ESL, der Uniliga und prestigeträchtige Esport-Organisationen wie SK Gaming auch Agenturen gehören. Unser Agenturmodell hätte auch funktioniert, wenn wir in Frankreich gegründet hätten. Aber in Köln hatten wir gute Bedingungen, weil es traditionell ein guter Standort für Esports und Gaming ist, sogar die weltgrößte Spielemesse gamescom findet hier statt. Wir haben eine große Medienindustrie und viele Talente in der Stadt.
Den größten Unterschied zwischen Deutschland und anderen Ländern wie z.B. den USA sehe ich bei der Gründung im Esports vor allem in allen Fragen der Finanzierung:
- Deutschland ist viel komplizierter, konservativer und risikoscheuer, wenn es um Kapital geht.
- Track Records sind wichtig, denn die Deutschen brauchen Belege für den Erfolg: Wie viele Unternehmen gab es schon mit erfolgreichem Exit?
- Europa ist generell weniger finanzierungsfreundlich als die USA – im Normalfall. Im Moment ist die wirtschaftliche Lage überall etwas angespannter.
- Förderung und Anerkennung: Im Vergleich zu einigen anderen Ländern befindet sich die staatliche Förderung und Anerkennung von Esports in Deutschland noch im Aufbau. Es gibt zwar bereits einige Initiativen und Verbände, die den Esports fördern, aber es besteht noch Raum für weitere Unterstützung auf staatlicher Ebene.
- Kulturelle Unterschiede: Es gibt auch kulturelle Unterschiede zwischen Deutschland und anderen Ländern in Bezug auf die Wahrnehmung und Akzeptanz von Esports. Während Esports in einigen Ländern als ernstzunehmende Sportart angesehen wird und breite Unterstützung erfährt, kann es in Deutschland immer noch zu Vorurteilen und Skepsis kommen.
- Rechtliche Rahmenbedingungen: Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Esports können sich von Land zu Land unterscheiden. Es ist wichtig, die spezifischen Gesetze und Vorschriften für Esports in Deutschland zu beachten, insbesondere in Bezug auf den Schutz der Spieler:innen und die Regulierung von Wettbewerben und Veranstaltungen.
Warum ich heute nicht mehr im Esports gründen würde
Esports, Content Creator und Social Media – alles wächst zusammen und fördert die digitale Wertschöpfung. Wir sind über den Punkt hinaus, über spezialisierte Esports-Startups zu sprechen, denn die Gründungen und Anforderungen werden generalistischer. Heute geht es im digitalen Bereich darum, was in der digitalen Wortschöpfung auch außerhalb des Esports-Ökosystems Sinn macht. Wir bewegen uns also jenseits von Turnierplattformen und den von Gamern intensiv genutzten Social-Media-Plattformen. Projekte werden mittlerweile generalistischer umgesetzt, die sich dann in das Esports-Ökosystem integrieren lassen. Eine reine Esports-Spezialisierung ist nicht mehr zielführend, dennoch braucht man die Expertise.
Mein Plädoyer heute: Keine Mikrolösungen schaffen, denn der gesamte Esports-Bereich bewegt sich in Richtung Gaming und Mainstream. Dort versucht er, seine Stärken einzubringen und Teil einer umfassenden digitalen Transformation zu sein. Heute ist der Esports-Bereich zu klein für eine Gründung, deshalb sollten Unternehmen und auch Wirtschaftsförderer in den einzelnen Startup-Standorten national und international größer denken.
Esports und Gaming sind zudem sehr agile Industrien, die sich permanent stark verändern. Man muss nah an den Zielgruppen sein, um deren Bedürfnisse richtig zu verstehen und die passenden Services und Produkte zu schaffen.
Phänomen Esports-Branche
Trotz aller Hürden und Hindernisse: Ich möchte in keiner anderen Branche arbeiten. Wie kaum ein anderer Bereich bietet der Esports Talente, Mitarbeiter und Mitstreiter, die für das Thema brennen und in der eine autodidaktische Lernkultur herrscht.
Esports ist ein guter Ort zum Bootstrappen – man findet viele kompetente und motivierte Leute und ist nicht auf den spezialisierten Entwickler angewiesen, der direkt das Budget ausreizt. Es ist ein Lifestyle und zieht daher Talente an, ohne dass diese übermäßig teuer sein müssen.
Dazu gibt es direktes Nutzerfeedback und kurze Wege innerhalb des Ökosystems – jeder ist erreichbar und hilfsbereit. Ein Proof of Concept ist schnell erstellt, sodass Gründer Produkte rasch entwickeln und dann national und international skalieren können.
Mittlerweile sind Gaming und Esports in fast jedem Marketingplan zu finden. Die Frage ist, wie man noch optimierter, datengetriebener und strategischer arbeiten kann. Hier mangelt es bisher an Standards – eine weitere große Chance für innovative Gründer.
Als ich meine Esport-Agentur gegründet habe, ist das Thema Esports durch den damaligen Verkauf der ESL an den schwedischen Sportsender MTG auch in den Chefetagen angekommen. Zusätzlich hat der Einstieg von Shaquille O’Neil dazu beigetragen, dass Esports weltweit in den Fokus gerückt ist und Aufmerksamkeit und Geld ins System gebracht hat.
Fazit: Für Überzeugungstäter geeignet
Keine Frage: Esports ist ein spannendes und dynamisches Umfeld, das Gründern viele Chancen bietet. Mitunter ist es aber auch schwierig. Manche sprechen vom Esport-Winter und von Ernüchterung, weil die finanzielle Tragfähigkeit vieler Geschäftskonzepte fraglich bleibt.
Deutschland ist gut aufgestellt, mit Global Playern und einem großen Pool an fähigen Talenten. Mit der Bedeutung der Szene wächst auch das Interesse der werbetreibenden Wirtschaft. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, zwischen diesen Welten zu vermitteln. Noch immer besteht großer Beratungsbedarf, aber es eröffnen sich auch neue Chancen für den Esports, weiter zu wachsen. Denn der Esports ist Vorreiter der digitalen Transformation, lebt seit Jahrzehnten das, was Unternehmen heute brauchen, um zu überleben. Agil und vernetzt arbeiten, über Kontinente hinweg Communities aufbauen, die gemeinsam Probleme lösen. Gerade in der Transformation großer, traditioneller Unternehmen bietet Esports eine der größten Chancen. Nicht zuletzt, um als attraktiver Arbeitgeber eine digitale Generation anzusprechen, die heute nicht mehr fernsieht, sondern sich die neuesten Esports-Streams auf Twitch anschaut.
Über den Autor
Alexander Albrecht ist mehrfacher Gründer und seit über 20 Jahren in führenden Positionen im Esports tätig. Er zählt zu den gefragtesten Branchenkennern in Europa und betreut mit seinem Team namhafte Unternehmen wie SAP, Disney und KitKat rund um Gaming und Esport. Bei seinem Unternehmen BUILD A ROCKET, einer auf Gaming- und Esports-Aktivierungen spezialisierten Agentur mit mittlerweile über 60 Mitarbeitenden.
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