“Niemand weiß wirklich, was Venture Capital oder Startup bedeutet”
Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Dieses Mal antwortet Jan Leisse, Gründer von eleQtron. Das Unternehmen aus Siegen “entwickelt, produziert, betreibt und vermarktet Rechenzeit auf Ionenfallenbasierten Quantencomputern”.
Wie startest du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Ein guter Start in den Tag ist entscheidend für einen erfolgreichen Arbeitstag, insbesondere als Unternehmer:in oder Gründer:in. Mein perfekter Morgen sieht so aus: Früh aufstehen – 1,5 Stunden vor Arbeitsbeginn –, gesund frühstücken, Sport machen und dann den bevorstehenden Tag planen. Dafür setze ich mich mit einer Tasse Kaffee hin und überlege: Was sind heute meine Ziele und Aufgaben, welche Meetings habe ich und wo liegen meine Prioritäten? So starte ich maximal motiviert und vor allem mit klaren Zielen vor Augen in den Tag. Abends mache ich das Ganze dann rückwärts. Quasi den Tag gedanklich “aufräumen”. Natürlich funktioniert das aber nicht immer. Es gibt auch Tage, an denen ich morgens aus dem Bett falle, einmal schnell die Familie drücke, mit einer Banane in der Hand ins Auto springe, dort meinen ersten Call habe und sich das den ganzen Tag so durchzieht, bis ich abends wieder müde ins Bett falle…
Wie schaltest du nach der Arbeit ab?
Ich trinke mein abendliches warmes Wasser (soll helfen bei der Regeneration!) und gehe möglichst früh schlafen. Sechs Stunden sollten immer mindestens drin sein, damit ich mich am nächsten Tag voller Energie fühle. Oder das Kontrastprogramm: Auspowern. Ich mache mindestens zweimal pro Woche Sport und gehe entweder ins Fitnessstudio, das praktischerweise direkt unter unserem Office ist, oder zum Schwimmen. Ich würde sagen, dass meine Familie auf jeden Fall “zu spüren bekommt”, dass ich gerade mit einem nicht unwesentlichen Zeit- und Energieaufwand ein Startup aufbaue. Die Wochenenden sind aber größtenteils reserviert und das brauche ich auch, um abzuschalten und auf andere Gedanken zu kommen.
Was über das Gründer:innen-Dasein hättest du gerne vor der Gründung gewusst?
Da fällt mir so einiges ein, aber meine größten Learnings waren bisher: 1. Scheitern ist Teil des Prozesses. Man kann es auch positiv sehen: Als Gründer oder Gründerin kannst du so schnell Fehler machen und lernen wie in keiner anderen Position. 2. Wenn sich eine Chance auftut, muss man sie nutzen. Das ist wie, wenn du mit dem Rennrad vor einem Berg stehst: Ja, da hoch wird es anstrengend, aber die Aussicht wird sicher grandios. 3. Zeitmanagement ist ziemlich wichtig. Wenn du den ganzen Tisch voll mit To-dos hast, musst du Prioritäten setzen können und dich auch mal von Aufgaben verabschieden, die keinen Sinn oder Mehrwert haben. 4. Neue Ideen zulassen – immer wieder. Nicht zu sehr auf eine Lösung festfahren, sondern immer offen für etwas komplett anderes sein. 5. Niemand weiß wirklich, was Venture Capital oder Startup bedeutet. Das hört sich erstmal cool an, aber was damit einhergeht, weißt du eigentlich erst, wenn du es machst. Entsprechend viel Aufklärungsarbeit müssen wir stemmen. 6. Kommunikation ist King. Generell immer, aber besonders wenn du ein schnell wachsendes Startup bist und so viele Themen noch in der Luft hängen. Es gibt nicht zu viel Kommunikation! Neue Personen bringen auch immer neue Impulse mit – und neue Themen ebenso. Hier gilt es, größere Divergenzen und ein Auseinanderdriften zu minimieren. Besser man drückt zwischendurch “Reset” und setzt Dinge komplett neu auf.
Was waren die größten Fehler, die du bisher gemacht hast – und was hast du aus diesen gelernt?
So far so good – wir hatten bisher keine Riesenklatsche. Das liegt aber sicher auch daran, dass ich vieles nicht als “Fehler” verbuche, sondern eben als Learning. Klar: Es geht immer besser und daran arbeiten wir. Aber wir sind sehr zufrieden.
Wie findet man die passenden Mitarbeiter:innen für sein Startup?
Indem man sich zuerst einmal ganz genau überlegt: Wen will ich haben? Was muss diese Person mitbringen? Und dann die Stellenanzeige entsprechend der Zielgruppe verfasst. Mit 08/15-Stellenanzeigen kommst du nicht weit. Oder es gilt: Ausprobieren und mit den richtigen Schlüsselworten arbeiten, mit den richtigen Personen, Gruppen und Themen verlinken usw. Dann: LinkedIn für Stellenanzeigen nutzen. Da geht einiges. Wir bekommen ca. 70% unserer Bewerbungen über LinkedIn und ca. 20% über unsere Webpage. Beim Bewerbungsprozess finde ich am wichtigsten, sich nicht zu verstellen, sondern einfach ehrlich und authentisch zu sein. Am Ende geht es doch vor allem darum, sich kennenzulernen und ein Gefühl dafür zu bekommen: Will ich mit dieser Person zusammenarbeiten oder nicht? Dafür zählt nicht nur das Fachliche, sondern vor allem das Persönliche. Team-Fit ist sehr wichtig!
Welchen Tipp hast du für andere Gründer:innen?
Machen! Einfach machen und immer wieder aufstehen. Immer. Wieder.
Ohne welches externe Tool würde dein Startup quasi nicht mehr existieren?
Alle, die mich kennen, werden nur eine Antwort erwarten: Excel.
Als wichtigeres Tool oder vielmehr Inhalt unseres Werkzeugkoffers sehe ich den Lehrstuhl für Quantenoptik der Uni Siegen. Hier hat alles angefangen – mit der jahrzehntelangen Forschungsarbeit, die meine Mitgründer Christof und Michael hier geleistet haben. Wir arbeiten immer noch eng mit dem Lehrstuhl zusammen. Aus unserer Zusammenarbeit sind nicht nur brillante Lösungen, sondern auch echte Freundschaften entstanden.
Wie sorgt Ihr bei Eurem Team für gute Stimmung?
Es wird immer, ohne Ausnahme und auch wenn es nicht schön klingt, “Happy Birthday” gesungen. Wir gehen jedes Jahr für ein paar Tage zusammen an die Ostsee zum Segeln, inklusive in Zelten oder im Schlafsaal schlafen und zusammen kochen. Das schweißt uns als Team enorm zusammen. Wir haben generell viel Spaß miteinander – auch weil wir es eben so wollen. Natürlich ist nicht immer alles Friede Freude Eierkuchen. Aber das ist okay. Wir reden offen über alles, diskutieren, räumen Fehler ein und lernen daraus.
Was war dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Da war ich leider nicht dabei, aber die EleQtron GmbH wurde an einem regnerischen Sonntag im Parkhaus gegründet. Damals galten noch Abstandsregeln. Also kamen alle Beteiligten, inklusive der Anwälte und Ansprechpartner der Banken, einfach ins Parkhaus. Ich selbst bin dann ein paar Monate später mit ins Boot gekommen, als Christof und Michael gemerkt haben, dass Physik allein noch keine Company macht.
Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag aus? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.