Von Team
Mittwoch, 2. August 2023

Wie ChatGPT die Evolution des Verkaufens (nicht) verändern kann

Die Automatisierung von Teilprozessen der Customer Journey birgt gewaltiges Potenzial und könnte wesentliche Impulse geben, um den Sales-Bereich auf einem neuen Level zu denken. Interessant wird auch die Funktion der Sprachanalyse. Ein Gastbeitrag von Robin Engelbrecht.

Mit ChatGPT ist ein neuer Player für den Megatrend Künstliche Intelligenz auf der Bildfläche erschienen. Der Chat Generative Pre-training Transformer wurde von OpenAI entwickelt und erstmals im November 2022 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Der Prototyp eines hochentwickelten Chatbots auf KI-Basis begann seine Erfolgsgeschichte nahezu sofort und ist spätestens im Frühjahr 2023 zu einem regelrechten Hype geworden. Aber wo endet Hype ohne Substanz und was bleibt langfristig von der Innovation übrig? Gerade im Verkauf steckt noch viel ungenutztes Potential.

Welche Rolle das KI-Tool insbesondere im Vertrieb von z.B. Startups spielen kann, erläutert Robin Engelbrecht, Vertriebsleiter der Telefónica Germany Business Sales und Host des Podcasts Sales Circle.

Das kann ChatGPT

Die Möglichkeiten, die ChatGPT bietet, sollen den Chatbot für nahezu alle Lebensbereiche zu einem Gewinn machen. Durch die Analyse gewaltiger Mengen an Daten zu einer Vielzahl von Schwerpunkten soll das KI-Tool in der Lage sein, mit Nutzer in einen Diskurs zu beinahe jedem vorstellbaren Thema zu treten. Algorithmen, die auf Deep-Learning-Modellen und neuronalen Netzen basieren, unterstützen den Chatbot dabei, Texte zu generieren, die menschliche Sprache in einem Dialog so natürlich wie bisher noch nie dagewesen zu simulieren. 

Für Nutzer bedeutet das, dass sie ChatGPT Fragen zu unterschiedlichsten Themen stellen können und eine fundierte Antwort erhalten, die der eines menschlichen Gesprächspartners auf Expertenniveau gleichkommen. Den Entwicklern zufolge soll der Chatbot im Gespräch sogar Informationen aufgreifen können, die zu einem früheren Zeitpunkt innerhalb der Konversation eingeflossen sind und die zukünftige Antworten individueller gestalten können. 

Auch die Übersetzung von Texten in andere Sprachen soll ChatGPT revolutionieren. Während frühere Versuche wie der Google-Translator bei komplexeren Texten an ihre Grenzen stoßen und insbesondere idiomatische Formulierungen und einen natürlichen Sprachfluss vermissen lassen, soll der Chatbot von OpenAI in Zukunft die Aufgaben menschlicher Übersetzer weitgehend übernehmen können. 

Mit der aktuellen Version ChatGPT 4, die zum 15. März 2023 von dem US-amerikanischen Entwicklerstudio annonciert wurde, sind die Nutzungsmöglichkeiten noch einmal erweitert worden. So soll der überarbeitete Chatbot besser zwischen Fiktion und Fakten unterscheiden können und rein fiktive Inhalte seltener als Fakten darstellen. Auch die Fähigkeit des KI-Tools, Bilder zu analysieren, wesentliche Inhalte zu erkennen und mit Worten zu beschreiben, wurde verbessert. So soll es künftig möglich sein, in automatisch generierten Texten auch passgenaue Bildunterschriften einzufügen. 

Interessant dürfte auch die Möglichkeit sein, mit der Version 4 Text mit einer Länge von bis zu 25.000 Wörtern zu verarbeiten. Das könnte ChatGPT in die Lage versetzen, Dokumente zu analysieren und ihre Inhalte in die Generierung profunder Analysetexte einfließen zu lassen. 

Auch wollen die Entwickler ihr KI-Tool in seiner neuesten Version noch kooperativer gestaltet haben. Das bedeutet, dass ChatGPT aus dem Diskurs mit Nutzern über hoch komplexe Deep-Learning-Modelle zusätzliche Fähigkeiten und Kommunikationsmöglichkeiten zieht. Das versetzt den Chatbot zum Beispiel in die Lage, den Schreibstil eines Gesprächspartners zu kopieren. So soll die KI fähig sein, Drehbücher zu erstellen, die aus der Analyse von Textbeispielen basieren. Selbst Musikstücke kann ChatGPT 4 den Entwicklertagebüchern zufolge komponieren und bedient sich dabei der Erfahrungen, die die Analyse umfangreicher Datenpool und Tonbeispiele ergeben hat. 

Die erweiterten Features, die ChatGPT 4 mitbringt, haben für einen wahren Hype um die Software geführt. Im Fokus standen dabei insbesondere die automatisierte Textgenerierung in Unternehmen und das Potenzial, das das KI-Tool damit auch für den B2B-Bereich mitbringt. In diesem Bereich steht die Nutzung von Chatbots noch ganz am Anfang und bietet viel Raum, um das neue Potenzial auszuschöpfen. 

ChatGPT und Vertrieb 2.0 

Bisher noch weitgehend unerschlossen sind die Möglichkeiten, die ChatGPT für den modernen Vertrieb in beispielsweise jungen Unternehmen eröffnen kann. Dabei könnte die Branche mittelfristig einer der wichtigsten Abnehmer für die Software werden. Die Automatisierung von Teilprozessen der Customer Journey birgt gewaltiges Potenzial und könnte wesentliche Impulse geben, um den Sales-Bereich von morgen auf einem neuen Level zu denken. 

Zum Beispiel soll der Chatbot automatisch Texte generieren wie die Beantwortung von E-Mail-Anfragen, Antworten im Beschwerdemanagement oder auf eine Zielgruppe zugeschnittene Newsletterinhalte. Auch die Automatisierung von Teilprozessen in der Akquise ist mithilfe von ChatGPT noch umfangreicher vorstellbar. 

Zum Beispiel ist das Tool in der Lage, selbstständig Recherchen in hoch komplexen Marktumfeldern durchzuführen und durch eine detaillierte Analyse der erhobenen Daten passgenaue Zielgruppen und darauf zugeschnittenen Content zu erstellen. Im Rahmen der Customer Journey könnten personalisierte Empfehlungen für unterschiedlichste fein abgegrenzte Zielgruppen in Zukunft größtenteils durch ChatGPT erfolgen. 

Interessant wird für den Sales-Bereich auch die Funktion der Sprachanalyse. So ist KI-Software schon heute in der Lage, Gespräche mit Kunden anhand der Stimmlage zu analysieren und eine Kalkulation zu erstellen, die prognostiziert, wie wahrscheinlich oder unwahrscheinlich eine Kaufentscheidung oder die Zusage für ein Kooperationsangebot ist. 

Nicht minder interessant dürfte sich die Fähigkeit des Chatbots entwickeln, durch seine hoch komplexen Algorithmen Kurse an der Börse zu berechnen und damit in gewissen Maße die Entwicklungen am Markt zu antizipieren. Im Zusammenhang mit dem hoch digitalisierten Kryptohandel, aber auch mit klassischen Tradingprodukten könnte ChatGPT damit in Zukunft eine wichtige Beratungsfunktion am digitalen Aktienmarkt zukommen und damit einen wichtigen Beitrag zur Digitalisierung der Branche leisten. 

ChatGPT in Startups: Können Gründer von dem KI-Tool profitieren?

Ein wesentlicher Faktor, der ChatGPT für Startups interessant macht, ist das enorme Potenzial, das das KI-Tool für die Automatisierung von Teilprozessen birgt. Durch automatisch generierte Prozesse in der Akquise und in der Kundenbetreuung kann ChatGPT Startups dabei unterstützen, sich schnell am Markt zu etablieren und sich einen festen Kundenstamm aufzubauen. Intelligente Softwarelösungen zur Analyse von Kundendaten und zur maßgeschneiderten Kommunikation sparen dabei Zeit und Geld und optimieren das Ressourcenmanagement. 

Mit seinen vielseitigen Einsatzmöglichkeiten in der Analyse und der Erstellung von hochwertigem und zielgruppenorientiertem Content zur Automatisierung von Prozessen entlang der Customer Journey kann ChatGPT als Komplettlösung vor allem die neu entstandenen Unternehmensstrukturen eines Startups sinnvoll zusammenwachsen lassen und zur Effizienzsteigerung beitragen. 

Insbesondere im Sales-Bereich können Startups durch den Einsatz des Chatbots ihre Vertriebsprozesse optimieren. So kann der Kundenservice 24/7 als kompetenter Ansprechpartner und Verkaufsassistent zur Verfügung stehen und durch lückenlose Unterstützung die Kundenzufriedenheit steigern. Mit einem intuitiv und natürlich agierenden Chatbot kann der Kundenservice ohne Mehraufwand auf personeller Seite zum Aushängeschild eines Startups werden und dabei helfen, die Geschäftsidee rasch am Markt zu etablieren. 

Die Analysefähigkeiten von ChatGPT können sowohl in der Kundenansprache als auch im Verhandlungsprozess einen wesentlichen Unterschied machen und da ansetzen, wo die nicht automatisierte Akquise und Kundenbetreuung an ihre Grenzen stößt. 

Insbesondere in konjunkturschwachen Geschäftsphasen kann die automatisierte und damit lückenlose Kundenansprache die Gewinnung von Neukunden bereichern und die Bindung von Bestandskunden verstärken. Dadurch lässt sich eine stabile Profitabilität erreichen, ohne den personellen Input verstärken zu müssen. Für Startups ist ChatGPT ein wertvoller Baustein, mit dem die Möglichkeiten der Digitalisierung unternehmerisch effizient ausgeschöpft werden können. 

ChatGPT bleibt auch langfristig eine Ergänzung 

Auf der virtuellen Bühne wird ChatGPT sicher die Hauptrolle behalten. Die branchenübergreifende Digitalisierung hat automatisierte Teilprozesse zu einem unerlässlichen Faktor im internationalen Wettbewerb gemacht. 

Doch die Möglichkeiten künstlicher Intelligenz bleiben begrenzt. Die kognitiven Prozesse des menschlichen Gehirns lassen sich nur teilweise durch KI-Tools abbilden. Insbesondere im Bereich der emotionalen Intelligenz werden Chatbots immer hinter den Fähigkeiten des Menschen zurückbleiben. Die menschliche Intuition als Grundlage von Kommunikation bleibt eine Kernkompetenz, die im Sales-Bereich nicht vollumfänglich ersetzt werden kann. Das gilt besonders für die Antizipation von Gedankengängen als Basis für Entscheidungen. 

Auch wenn KI bereits in der Lage sein soll, anhand von stimmlichen Elementen Wahrscheinlichkeiten für Entscheidungen zu analysieren, bleibt es doch der menschlichen Intuition vorbehalten, tiefer in die sozialen Prozesse entlang der Customer Journey einzudringen. 

Auch in Zukunft werden elaborierte Tools wie ChatGPT als Krone der künstlichen Intelligenz nicht mehr als eine wertvolle Ergänzung für den Vertrieb darstellen. 

Über den Autor
Robin Engelbrecht ist Vertriebsleiter bei Telefónica Germany Business Sales und Host des Sales Circle Podcasts. Im Sales Circle Podcast präsentieren jede Woche Deutschlands Experten aus Marketing, Betrieb und Erfolg im Gespräch mit ihm die neuesten Trends & Tipps zu Sales, HR, Marketing & Growth und gewähren die relevantesten Insights rund um die Themen B2B Sales & Business.

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Foto (oben): Shutterstock