#Gastbeitrag

Chatbots sind kein Ersatz für echte Menschen

Guter Service ist das A und O sagte man früher im Einzelhandel. Doch je digitaler das Geschäft wird, desto schlechter wird der Service. Heute gilt es noch genauso wie damals: Guter Service braucht echte Menschen. Warum das (noch) so ist, berichtet Henriette Schinn von Capmo. 
Chatbots sind kein Ersatz für echte Menschen
Donnerstag, 1. Juni 2023VonTeam

Neulich bei einem Spaziergang durch die Stadt beobachtet: eine kleine Boutique, aus der die Kunden zufrieden herauskamen. Ein Blick durchs Fenster verriet: Die Verkäuferin gibt sich wirklich Mühe. Und diese Mühe zahlt sich offensichtlich aus. 

Dieses Gefühl, wirklich guten Service zu erfahren, vermisse ich häufig in der digitalen Welt. 

Eine Studie von Freshdesk zeigt: die durchschnittliche Antwortzeit auf eine Anfrage beim Kundenservice von Software-Unternehmen beträgt 1,5 Tage. Die Dauer bis ein Problem dann auch gelöst ist, liegt nochmal bei 1,5 Tagen.

Menschlicher Service ist besonders bei analogen Zielgruppen unersetzbar 

Sprechen wir über das B2B-Geschäft: Software wird in allen Branchen immer wichtiger. Läuft sie nicht, läuft nichts mehr. Umso wichtiger ist es, mithilfe eines guten Kundenservice für reibungslose Abläufe zu sorgen.

Ich habe es selbst schon häufig erlebt, mit Chatbots abgespeist zu werden, die mir nicht helfen können. Manch ein Anbieter scheint es bewusst zu erschweren, in diesem Fall mit einem echten Menschen verbunden zu werden. Fünf Klicks weiter finde ich vielleicht eine Service-Telefonnummer. Vielleicht. Manchmal weiß ich mir mit Google, Tutorials und Co dann irgendwie selbst zu helfen. Meine Stimmung: frustriert.

Unsere Zielgruppe bei Capmo ist im Gegensatz zu mir oft noch sehr analog unterwegs. Als Anbieter von Baumanagement-Software unterstützen wir mittelgroße Betriebe in der Baubranche dabei, das Projektmanagement digital durchzuführen. 

Trotzdem haben auch wir einen Chatbot im Produkt. Bei einfachen Fragen ist er hilfreich, aber im B2B-Geschäft kommen nun einmal auch komplexere Fragen auf als „Ich habe mein Passwort vergessen. Was nun?“.

Auf der Baustelle ist selten Zeit bis morgen 

Stellen Sie sich vor: Sie leiten ein großes Bauprojekt und dokumentieren ihre gesamte Arbeit in einer Baumanagement-Software auf dem Handy. Plötzlich sind Sie unsicher, wie sie einen erstellten Bericht am schnellsten an den Bauherren versenden können. Der Chatbot könnte nicht auf seinen individuellen Fall eingehen. Und würde unser Kundenservice drei Tage brauchen, wäre der Herr wohl maximal frustriert.

Doch welche Themen landen überhaupt beim Kundenservice? Es sind überwiegend diese drei Dinge: Fragen (á la Passwort vergessen), Herausforderungen im Produkt (neuen Subunternehmer zur Software einladen), technische Schwierigkeiten. Zwei von dreien sind aktuell ausschließlich mit menschlicher Unterstützung zügig lösbar. 

Deshalb bieten wir drei Kanäle an, um uns zu erreichen: Telefon, E-Mail und Live-Chat. Wir haben so mittlerweile eine Antwortzeit von unter 30 Minuten erreicht. Probleme sind im Durchschnitt innerhalb von weniger als 10 Stunden erfolgreich gelöst. Auf diese Werte sind wir stolz und wir investieren weiter Zeit und Mühe, um noch besser zu werden.

Kundenservice als Bezahlmodell? 

Neulich kam die Frage auf, wieso wir unseren Kundenservice nicht als Extra-Leistung verkaufen á la: Für einen kleinen Betrag, kriegst du innerhalb von Tagen eine Rückmeldung, für einen größeren Betrag helfen wir dir innerhalb von Stunden. Moment, Stunden?! 

Ich weiß, dass manch ein Anbieter diese Art Profit zu machen, nutzt. Ich bin der Meinung, dass wir als Software-Anbieter dafür verantwortlich sind, dass das Angebot intuitiv ist und technisch einwandfrei funktioniert. Kommen Fragen auf, ist einer dieser Punkte nicht zu 100% erfüllt. Und dass ich dann helfe, soll ich mir bezahlen lassen? Nein, danke.

Kundenservice kostet bei uns nicht extra, bringt aber extra Umsatz 

Das ist auch gar nicht nötig. Denn guter, kostenfreier Service macht sich auf ganz andere Weise bezahlt. Einige unserer heutigen Kunden sind von Konkurrenten zu uns gewechselt. Der Hauptgrund: Hier wird mir geholfen, wenn ich ein Problem habe. 

Das ist besonders in der Baubranche wichtig. Die Menschen haben so viel zu tun, dass sie es sich einfach nicht leisten können, mehrere Stunden oder gar Tage auf eine Antwort zu warten oder zwanzig Mal im Chat mit dem Bot auszuwählen: „Nein, mein Problem wurde nicht gelöst.“

Ich kann Ihnen versprechen: Der Einsatz von gut ausgebildetem Personal im Service rentiert sich. Und zwar spätestens dann, wenn Kunden mit einem zufriedenen Gesicht nach Hause gehen, die Software am nächsten Tag gerne wieder aufrufen und am Ende des Jahres den Vertrag verlängern. 

Über die Autorin
Henriette Schinn arbeitet als Vice President Customer Success beim B2B-SaaS-Unternehmen Capmo. Hier ist ihre Mission, die von Zettel und Stift geprägte Bauwirtschaft mithilfe einer Projektmanagement-Software für die Baustelle erfolgreich zu machen. Wie das gelingt, weiß sie dank zehn Jahren Berufserfahrung in Software-Unternehmen.

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Foto (oben): Shutterstock