#Interview
“Wir verdienen Geld, indem wir unsere Software verschenken”
Das junge Unternehmen Pionix aus Bad Schönborn, 2021 von Marco Möller, Johanna Claussen, Benjamin Mosler und Cornelius Claussen gegründet, kümmert sich um E-Auto-Ladeinfrastruktur und das lokale Energiemanagement. “Eine Ladestation für Elektroautos ist eigentlich ein Computer, auf dem jede Menge Software läuft. Und die macht Pionix: Wir entwickeln die Software, aber nicht nur für eine Tankstelle bzw. Ladestation, sondern für alle Ladestationen auf der ganzen Welt”, erklärt Gründer Möller das Konzept.
yabeo Impact und Pale Blue Dot Investments investierten zuletzt 5,5 Millionen in Pionix. “Das Investment wird dazu beitragen, die Open-Source-Anwendung EVerest als weltweite Initiative für eine standardisierte und schnellere Entwicklung von Ladeinfrastruktur zu etablieren”, heißt es kürzlich dazu in einer Presseaussendung. Einige Investoren akquirierte das Gründerteam dabei “kalt”. “Die Mehrheit aber durch persönliche Vorstellung durch andere Investoren”, sagt Möller.
Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der Pionix-Macher außerdem über Fehlerbehebungen, Transformationen und Anbindungen.
Wie würdest Du Deiner Großmutter Pionix erklären?
Elektroautos brauchen Strom, und den gibt es an speziellen “Tankstellen”, den Ladestationen. Eine Ladestation für Elektroautos ist eigentlich ein Computer, auf dem jede Menge Software läuft. Und die macht Pionix: Wir entwickeln die Software, aber nicht nur für eine Tankstelle bzw. Ladestation, sondern für alle Ladestationen auf der ganzen Welt.
Wie wollt Ihr Geld verdienen, also wie genau funktioniert euer Geschäftsmodell?
Geld verdienen wir, indem wir unsere Software verschenken. Klingt zunächst komisch, funktioniert aber. Bekanntestes Beispiel ist Google Android. Unser Ansatz ist derselbe: Unsere Software ist frei verfügbar und dadurch für viele Hersteller attraktiv. Mit Pionix bieten wir Support rund um Implementierung, Pflege und Wartung über den gesamten Lebenszyklus der Ladestationen. Gleichzeitig teilen wir uns die Arbeit der Weiterentwicklung und Fehlerbehebung mit vielen Partnern aus der ganzen Industrie.
Wie ist die Idee zu Pionix entstanden?
Das Gründerteam hat bereits vor Pionix gemeinsam ein Startup, die MAVinci GmbH, erfolgreich aufgebaut und an Intel verkauft. Bei MAVinci ging es um das Thema Landvermessungsdrohnen. Und wir hatten schon damals die Herausforderungen, die wir heute mit Pionix lösen wollen: Jeder Drohnenhersteller hat die Software selbst entwickelt – bis 2017/2018 ein Open-Source-Betriebssystem für Drohnen entstand, das in Sachen Qualität und Innovationsgeschwindigkeit nicht zu schlagen war und alle Homemade-Lösungen verdrängt hat. Nach dem verlassen von Intel waren wir Gründer im Consulting-Bereich unterwegs und haben während eines Projekts das Thema Ladeinfrastruktur kennengelernt – mit einem Deja-Vu-Erlebnis: Auch hier stand das Thema “Industrieübergreifende Softwarebasis” kurz vor der Disruption. Und wieder ist Open Source die treibende Kraft. Da war es nicht weit zu unserem Entschluss, die Transformation des Bereich EV Charging selber anzuführen.
Wie oder wo hast Du Deine Mitgründer:innen kennengelernt?
Wir Gründer kennen uns teilweise schon rund 20 Jahre und arbeiten seit dem Studium in verschiedenen Projekten zusammen. Johanna Claussen war meine Kommilitonin. Und Cornelius Claussen kenne ich über den Bundeswettbewerb “Jugend forscht”. Benjamin Mosler schließlich war der erste Produktionsleiter bei MAVinci.
Was reizt Dich, wieder ein Startup hochzuziehen?
Als Physiker sage ich: Beim letzten Mal hat das gut geklappt mit dem Exit. Aber lag das am Können oder war es Glück? Um das herauszufinden, brauche ich größere Stichproben, damit das Ergebnis repräsentativ ist. Aber Spaß beiseite: Uns Gründern macht es einfach wahnsinnig viel Spaß, etwas Neues aufzubauen und unorthodoxe Wege zu gehen. Das können wir in unserem eigenen Startup besser als beispielsweise in einem Konzernumfeld.
Ist beim erneuten Gründen wirklich alles einfacher, als beim ersten Mal?
Wir haben natürlich mehr Erfahrung als beim ersten Mal. Und auch bessere Möglichkeiten, am Anfang selber zu finanzieren als wir das während der Studienzeit konnten. Erfahrung schützt vor übereilten Entscheidungen und hilft, Sackgassen rechtzeitig zu erkennen. Aber man muss trotzdem offen an die neue Sache herangehen und tunlichst vermeiden zu glauben, dass alles so wie beim ersten Mal funktioniert.
Was waren die größten Herausforderungen, die Ihr bisher überwinden musstet?
Open Source als Businessmodell ruft bei manchen Kunden und Investoren immer noch Verwunderung hervor. Da braucht es zu Beginn vielleicht ein bisschen mehr Überzeugungsarbeit, bis die großen Stärken und Chancen in Sachen Skalierungspotenzial, Innovationsfähigkeit, Kostenvorteile und Qualität erkannt werden.
Ihr konntet bereits Investorengelder einsammeln. Wie seid ihr mit euren Geldgebern in Kontakt gekommen?
Einige unserer Investoren haben wir “kalt akquiriert”. Die Mehrheit aber durch persönliche Vorstellung durch andere Investoren.
Euer Firmensitz ist Bad Schönborn in Baden-Württemberg. Ist das ein Vor- oder ein Nachteil?
Zugegeben: Niemand kennt Bad Schönborn. Aber das ist kein Problem für uns. Wir haben Pionix während der Corona-Pandemie gegründet und arbeiten von Anfang an virtuell und verteilt. Mit der Metropolregion Rhein-Neckar und Karlsruhe gleich um die Ecke, liegt Bad Schönborn beinahe perfekt. Wir haben eine super Anbindung – Mannheim, Heidelberg oder Karlsruhe sind weniger als 30 Minuten entfernt – und eine lebenswerte Umgebung. Das sind dann doch echte Vorteile für uns.
Wo steht Pionix in einem Jahr?
Wir sind gerade dabei, ein großes Ökosystem aus Herstellern, Betreibern und Komponenten-Zulieferern von Ladestationen aufzubauen. Da sind spannende Namen dabei, die wir aktuell noch nicht nennen dürfen. Und es werden immer mehr. Das ist unser Ziel: Wir wollen mit dem gesamten “Who’s who” der weltweiten Ladeinfrastrukturindustrie zusammenarbeiten.
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