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Lovelstar: Was wollen Investoren hören, wenn sie nach dem Markt fragen?
Am Montag war bei „Die Höhle der Löwen“ sogar ein echtes Pferd zu Gast. Mit „Torro“ führte das Startup Lovelstar beleuchtete Steigbügel vor, mit denen Pferd und ReiterIn leicht im Dunkeln erkannt werden können, um Unfälle zu vermeiden.
Gründer Patrick war vor 4 Jahren auf diese Idee gekommen, weil er selbst nachts mit dem Motorrad fast eine Reiterin übersehen hätte, die – wie es laut seiner Freundin und Reiterin Veronika leider üblich ist – völlig unbeleuchtet unterwegs war. Zwar sind ReiterInnen verpflichtet, entsprechende Leuchtmittel mitzuführen, wenn sie nach Einbruch der Dunkelheit ausreiten, allerdings macht dies in der Realität wohl kaum jemand.
Der LED-Steigbügel von Lovelstar soll dies in Zukunft verhindern, schließlich ist die Einlage schnell in jeden handelsüblichen Steigbügel geschraubt und kann einfach ein- und ausgeschaltet werden.
Für die Idee gibt es von den Löwen gleich zu Beginn viel Lob, mehrfach wird noch der Satz fallen, dass es das Produkt wert ist, wenn damit auch nur ein solcher Unfall verhindert wird. Auch die Qualität der Verarbeitung und Helligkeit kommen gut an.
Selbst der von vielen GründerInnen gefürchtete Zahlenteil fängt gut an: die Marge scheint für die Löwen passend zu sein, die Verkaufszahlen von 600 Stück in 2 Jahren sind kein Anlass zu riesiger Verzückung auf der Investoren-Seite, scheinen aber auch nicht für große Kritik zu sorgen.
Dann will Janna Ensthaler wissen, wie viele Steigbügel denn im Jahr in Deutschland verkauft werden, doch das Gründerteam hat darauf leider keine Antwort. Gründer Patrick nennt jedoch den Gesamtmarkt des Reitsporthandels in Höhe von 4,1 Milliarden Euro.
Prinzipiell ist das im Gespräch mit Investoren legitim – und sogar oft besser, als gar nichts zu sagen – nur sollte man ein paar Dinge beachten, wenn man eine andere Zahl anstatt der eigentlich gefragten nennt: zunächst ist die Formulierung des Gründers, dass sie da „selber nicht nachgeforscht“ hätten, sehr unglücklich. Wenn man die genaue Zahl, nach der ein Investor fragt, nicht weiß, sollte man eine etwas neutralere Formulierung wählen, die einen selbst nicht so schlecht dastehen lässt. Etwa „Leider lässt sich diese konkrete Zahl aus dem Gesamtmarkt der Reitsportartikel nicht abgrenzen.“, so dass man nicht allzu sehr betont, dass man selbst vielleicht noch mehr Anstrengungen hätte unternehmen können.
Der zweite Punkt ist die Wahl des gesamten Reitsportmarktes an dieser Stelle. Tatsächlich sieht man das bei vielen Startups: auch wenn sie nur ein recht spezielles Produkt platzieren, gehen sie bei der Frage nach dem Markt direkt ein paar Ebenen höher. Dabei wird ein Windel-Hersteller wohl nicht so schnell auch Schnuller und Baby-Kleidung produzieren, und ein Entwickler von neuartigen Bart-Rasierern wird nicht gleich den ganzen Herren-Körperpflege-Markt angreifen. Die Zahlen dieser übergeordneten Märkte – hier also Babyausstattung und Herren-Pflege – sind daher für das jeweilige Startup bis auf Weiteres noch völlig irrelevant.
So bemerkte auch Judith Williams bei Lovelstar, dass in die genannten 4,1 Milliarden auch Kleidung, Stiefel, Helme und vieles weitere mit hineinzählen.
Tatsächlich hätte man sich in diesem Fall sogar Fragen können, ob man überhaupt den richtigen übergeordneten Markt gewählt hatte. Denn würden in die 4,1 Milliarden Euro auch die Umsätze direkter Reit-Utensilien wie Sättel und Zaumzeug mit hineinfallen, würde wohl ein großer Batzen für Lovelstar relativ unerreichbar sein, denn so ein Sattel kann schließlich locker eine 4-stellige Summe kosten. Wenn nicht, müsste man sich aber die Frage gefallen lassen, ob man mit einer Steigbügel-Einlage nicht eigentlich diesem Markt zuzuordnen wäre. Schließlich könnte man sich vorstellen, dass der Lovelstar ein gewisses Potenzial als Upselling-Artikel bei Sätteln hätte.
Man sieht also schnell: die Frage nach der Marktgröße ist gar nicht so einfach, wie sie auf den ersten Blick erscheint, und bietet viel Potenzial für Antworten, die dann bei den Investoren so gar nicht gut ankommen. Wählt man den Markt zu groß – wie in den obigen Beispielen – ist die genannte Zahl schlichtweg irrelevant, wählt man ihn zu klein, steht man als Nischenprodukt da, was gegebenenfalls der eigenen Business-Strategie auch gar nicht entspricht. Zum Beispiel könnte Lovelstar auch noch weitere Leucht-Produkte entwickeln wollen und so schon mittelfristig ebenfalls den Markt für Reitbekleidung adressieren.
Vielleicht hätte eine solche Bemerkung auch noch ein wenig retten können, denn Janna Ensthaler betonte noch einmal, dass es ein wichtiger Fakt gewesen wäre, zu wissen, wie viele Steigbügel man denn potenziell ausstatten könnte.
Nils Glagau, der sich anschließend sogar als ehemaliger Reiter outet, betont auch noch einmal, dass es für einen Investor wichtig ist, das Potenzial abschätzen zu können. Da ein Investment ohne dieses Wissen ihm zu risikoreich ist, steigt er aus.
Doch genau dieser Fakt kann GründerInnen helfen, die richtige Zahl zu recherchieren: Investoren wollen bei der Marktgröße eine Art Obergrenze hören, eine Zahl, was maximal möglich wäre, wenn man den ganzen Markt beherrschen würde. Dass dies natürlich immer nur ein theoretischer Wert ist, muss klar sein, aber es ist eben ein Indiz dafür, ob noch ein entsprechend großes Wachstum mit diesem Produkt möglich ist.
Doch wie findet man diese Zahl, die für die üblichen Quellen oft ein wenig zu speziell ist? Im konkreten Fall könnte man bei ein paar Reitsport-Händlern – oder eben auch Sattlereien – fragen, wie viele Steigbügel sie so im Jahr verkaufen. Hat man verschiedene Zahlen, kann man einen Durchschnittswert bestimmten und diese mit der Anzahl der Händler – die sich ermitteln lassen sollte – multiplizieren. So bekommt man zumindest einen ungefähren Anhaltspunkt.
Ist der ermittelte Wert dann eher gering – viele Investoren wollen zumindest in einen Markt von einigen hundert Millionen Euro Jahresvolumen investieren – kann man noch zukünftige Expansionsmärkte hinzunehmen. Hier sollte man aber dann zumindest schon die Produkte in der Schublade haben oder diese Expansion sollte eben entsprechend naheliegend sein. Gerade viele Business Angels bestehen aber gar nicht so auf eine bestimmte Mindest-Marktgröße, wenn man klar machen kann, warum man glaubt, schnell einen großen Marktanteil in einem Nischenmarkt erlangen zu können.
Für einige andere Löwen schien die fehlende Marktabschätzung auch noch nicht das Ausstiegs-Argument zu sein, allerdings kommt im weiteren Gespräch noch ein Problem mit der Patentsituation auf, so dass Lovelstar am Ende ohne Deal wieder aus der Höhle gehen muss.
Bleibt zu hoffen, dass nun viele Käufer zeigen werden, dass der eigentlich anvisierte Markt doch gar nicht so klein ist, damit dieses Produkt noch viele Unfälle vermeiden kann.
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