Veprosa: Wenn Investoren gegeneinander verhandeln
Viele Dinge aus “Die Höhle der Löwen” und normalen Investorenverhandlungen lassen sich recht gut vergleichen. Etwas ganz Besonderes ist jedoch die Situation, dass in der Höhle mehrere Investoren mit teilweise auch recht unterschiedlichen Investment-Strategien gegeneinander verhandeln können. Diese Art der offenen Verhandlung kommt im normalen Fundraising von Startups so praktisch nie vor. Und doch lässt sich eine Menge daraus lernen.
Das Ehepaar Dominik und Alissa hatte zusammen eine neue Food-Brand ins Leben gerufen, Veprosa. Es geht um gesunde und proteinreiche Saucen, die leckere Gerichte ohne schlechtes Gewissen, aber mit vielen guten Nährwerten ermöglichen sollen.
Die Probier-Runde mit den Löwen fängt allerdings zunächst verhalten an, die Pasta mit der Tomatensauce schient etwas trocken geraten zu sein und führen nicht gerade zu einem großen Jubel unter den Investoren.
Doch die anderen Variationen wie Thai-Curry oder Risotto überzeugen schließlich doch noch geschmacklich, so dass das Grundinteresse geweckt ist und es ziemlich schnell an die Zahlen geht. Zwar sind 15.000 Euro Umsatz in neun Monaten nicht unbedingt ein gigantischer Erfolg, aber vor allem das Statement von Lebensmittel-Experte Tillmann Schulz, dass es so etwas wirklich noch nicht gibt, scheint auch die anderen Löwen sehr für das Thema einzunehmen. Hier gibt es auch schon die erste Höhlen-Besonderheit, denn aufmerksame Zuschauer konnten schon häufiger beobachten, dass einzelne Löwen für bestimmte Themen bei den anderen in der Gruppe eine Art Expertenstatus zu haben scheinen und die Entscheidung der anderen durchaus beeinflussen können. So wurde schon in Apps investiert, die Carsten Maschmeyer gut fand, selbst aber wegen andere Faktoren nicht machen konnte oder wollte. Dagmar Wöhrl ist für ihre Expertise in der Gastronomie bekannt, Nils Glagau für Mikronährstoffe, und Ralf Dümmel kennt scheinbar sämtliche Endkonsumentenmärkte in- und auswendig. Ein klassischer Absagegrund, der andere Investoren jedoch wenig tangiert, ist der Portfoliokonflikt, das heißt, der- oder diejenige ist bereits in ein sehr ähnliches Startups investiert und möchte keine Konkurrenzsituation im eigenen Portfolio entstehen lassen.
Eine solche Situation entsteht außerhalb der Höhle eher selten, weil man hier mit Investoren immer einzeln verhandelt, ist allerdings auf Pitch-Events gar nicht so sehr auszuschließen. Und auch hier kann es natürlich von Vorteil sein, wenn man einen Investor, der von den anderen als Experte in dem Bereich angesehen wird, von seinem Thema überzeugt, selbst wenn er ein Investment aus anderen Gründen schon früh ausschließen kann. Doch auch abseits solcher Events reden Investoren, und es kommt nicht selten vor, dass sich ExpertInnen für bestimmte Themen und Geschäftsmodelle praktisch Szene-weit etablieren. Bei diesen wird dann gerne einmal nachgefragt, ob sie Startups XY denn schon kennen und wenn ja, ob sie investieren. Ein Urteil der Form „Ja, das sieht eigentlich gut aus, aber uns stört der Cap Table/die Team-Zusammensetzung etc.“ könnte bei einem Fragesteller, der bei den genannten Themen nicht so kritisch ist, durchaus einen sehr positiven Einfluss haben.
Doch bei Veprosa dachte Tillmann Schulz gar nicht daran, auszusteigen, auch wenn er Nils Glagau erst einmal den Anfang machen lässt. Dieser betont, dass er bereit ist, jegliche Versprechungen bzgl. der Regal-Anzahl zu liefern, und bietet genau den vorgeschlagenen Deal von 100.000 Euro für 13 % an.
Dies ist praktisch eine Kampfansage an Ralf Dümmel, ist dieser doch bekannt dafür, seine Listungs-Möglichkeiten im Einzelhandel mit in die Waagschale zu werfen. An dieser Stelle merkt man also schon, dass es höchstwahrscheinlich zu einem Bieter-Wettstreit kommt, denn Investoren – gerade wenn sie keine reinen Finanzinvestoren sind – betonen sehr gerne ihre Mehrwerte und möglichen Leistungen abseits des Geldes, wenn sie stark interessiert sind und Konkurrenz fürchten. So versuchen sie zu verhindern, dass die GründerInnen am Ende nur auf Basis der höchsten Bewertung entscheiden, es also eine Art Preiskampf gibt.
Abseits der Höhle lässt sich das nicht immer so klar ausmachen, da im Einzelgespräch natürlich jeder Investor schon einmal rein vorsichtshalber seine Mehrwerte nennt – aber wenn bestimmte Dinge besonders betont werden und vor allem, wenn die Argumentation auf das eigene Startup zugeschnitten scheint, die GesprächspartnerInnen also entsprechend vorbereitet sind, kann man davon ausgehen, dass zumindest vermutet wird, dass andere auch noch interessiert sind.
Die Löwen laufen sich an dieser Stelle jedoch gerade erst warm, obwohl Dagmar Wöhrl aussteigt, da ihr wohl die Anteile, um die verhandelt wird, zu niedrig sind und sie den Bieter-Wettstreit auch schon zu ahnen scheint.
Der offene Austausch der Argumente erlaubt nun Ralf Dümmel, eine etwas andere Strategie zu wählen: statt ebenfalls seine Möglichkeiten zur breiten Listung der Produkte im Handel zu betonen, geht er auf die Aufbau-Strategie für ein solches Unternehmen ein und betont, dass es noch um einiges Mehr an Geld brauchen wird als die 100.000 Euro, um es groß zu machen. Gleichzeitig deutet er aber auch an, dass das Startup von ihm das nötige Working Capital bekommen wird und so keine weitere Finanzierungsrunde machen werden muss. Allerdings möchte er 18% statt der angebotenen 13% haben und betont zusätzlich, dass er normalerweise nicht unter 20% geht.
Tillmann Schulz schließlich, der an der Stelle mit dem Working Capital deutlich hörbar zugestimmt hatte, betont schließlich seine Expertise mit Lebensmitteln, dass er ebenfalls eine große Regalanzahl erreichen kann, aber vor allem auch langfristig eine Marke aufbauen will. Er erhöht dann sogar die Bewertung, in dem er 200.000 € für 13% bietet.
Gründerin Alissa nutzt anschließend die offene Konkurrenzsituation und fragt Ralf Dümmel, ob er mit den 13% gleichziehen will, was dieser auch tatsächlich tut. Der Schachzug ist geschickt, da sie sich nicht anmerken lässt, wen der Löwen sie tatsächlich favorisiert.
In Einzelgesprächen kann man natürlich auch versuchen, die jeweiligen Investoren die Konkurrenz-Situation spüren zu lassen. Mit Sätzen wie „XY hat aber AB geboten“ sollte man allerdings aufpassen, denn, wie bereits erwähnt, kann man nicht wissen, ob die jeweiligen Investoren nicht miteinander reden, und vor allem sollten solche Angebote, wenn man sie denn erwähnt, wirklich fix sein – etwa, in dem ein Term Sheet vorliegt. Sonst riskiert man schnell, als unglaubwürdig zu gelten.
In einer so offenen Situation wie in der Höhle hat man es – wenn es denn gut läuft – also tatsächlich wesentlich einfacher, ein wirkliches Investoren-Battle zu erzeugen.
Als sich das Gründerpaar dann mit ihrem Telefonjoker berät, wird den ZuschauerInnen allerdings schnell klar, dass Ralf Dümmel der auserkorene Favorit ist – bzw. schon von Anfang an war. Denn zum Beispiel erwähnen sie das Working Capital-Versprechen, hatten sich aber – insofern der Schnitt uns nicht wichtige Informationen vorenthalten hat – bei den anderen beiden Löwen nicht erkundigt, ob sie dieses auch mitgehen würden. Zumindest bei Tillmann Schulz gab es ja auch eine entsprechende Äußerung in dieser Richtung, so dass es ein wenig so wirkt, als hätten die beiden sich nicht wirklich die Mühe gemacht, die Angebote tatsächlich zu vergleichen und das Gesamtpaket des jeweiligen Löwen zu verstehen.
Natürlich ist es – ob in der Höhle oder außerhalb – völlig legitim, einen Favoriten zu haben. Auch bei diesem könnte es allerdings weniger gut ankommen, wenn der Verhandlungsverlauf irgendwann erkennen lässt, dass man mit den anderen nur gesprochen hat, um bei der Verhandlung Vorteile zu haben. Denn kommt so etwas vor der finalen Unterschrift heraus, kann einem der entstehende Vertrauensverlust noch einmal ganz schön auf die Füße fallen.
Als Startup inmitten einer Investoren-Battle zu sein, birgt also auch seine Gefahren. Man sollte hier unbedingt ehrlich und transparent sein – und sich selbst darüber im Klaren, was man will und warum. Dann kann man eine Konkurrenzsituation – ob offen oder nicht – nicht nur für das aktuelle Verhandlungsergebnis, sondern auch mit Weitblick am Besten für sich nutzen.
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Foto (oben): RTL / Bernd-Michael Maurer