#Interview
“Wir hätten früher UX-Expert:innen in die Entwicklung einbeziehen sollen”
Das Münchner MedTech-Startup deepc, das 2019 von Franz Pfister, Julia Moosbauer, Michael Meyerhoff und Paul Mayer gegründet wurde, entwickelt Software-Medizinprodukte für die bildgebende Diagnostik. “Wir haben eine Plattform entwickelt, die als eine Art App Store funktioniert. Ein Radiologe, der deepcOS nutzt, kann nach seinen Bedürfnissen auf zahlreiche Anwendungen zugreifen und diese unkompliziert nutzen, ohne dass er hierfür unterschiedliche technische Voraussetzungen erfüllen muss”, erklärt Gründer Franz Pfister das Konzept.
Sofinnova Partners, Bertelsmann Investments und Winning Mindset Ventures investierten zuletzt 12 Millionen Euro in das Unternehmen. “Wir haben verschiedene Wege genutzt, um mit potenziellen Investor:innen in Kontakt zu kommen. Einerseits haben wir natürlich unser Netzwerk aktiv genutzt, um Empfehlungen und Kontakte zu passenden Investor:innen zu bekommen. Andererseits haben wir uns auch gezielt auf relevanten Veranstaltungen präsentiert, um Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit zu erzeugen”, blickt Pfister auf die Investorensuche zurück.
Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der deepc-Macher außerdem über Schnittstellen, Entscheidungen und Qualität.
Wie würdest Du Deiner Großmutter deepc erklären?
Künstliche Intelligenz (KI) kann heute radiologische Daten systematisch durchsuchen und Auffälligkeiten automatisiert an den Arzt oder die Ärztin zurückspielen. Dafür gibt es zahlreiche Beispiele, wie die Erkennung von Knochenbrüchen in Röntgenaufnahmen, die Erkennung von Schlaganfällen in CT-Aufnahmen des Gehirns, oder die Bestimmung von Arthrose. Wir haben eine Plattform, deepcOS, entwickelt, die als eine Art “App Store” für solche Anwendungen funktioniert. Ein Radiologe, der deepcOS nutzt, kann nach seinen Bedürfnissen auf zahlreiche Anwendungen zugreifen und diese unkompliziert nutzen, ohne dass er hierfür unterschiedliche technische Voraussetzungen erfüllen muss. Dabei achten wir ganz besonders darauf, KI möglichst einfach und sicher in bestehende Arbeitsabläufe von Radiolog:innen zu integrieren.
War dies von Anfang an euer Konzept?
deepc hat zunächst selbst einen KI-Algorithmus zur Erkennung von Auffälligkeiten in Gehirn-CTs entwickelt. Dabei haben wir erkannt, wie komplex es für klinische Einrichtungen und damit auch für den Entwickler ist, eine einzelne KI-Anwendung in den klinischen Alltag zu bringen: Nicht nur die Auswahl der richtigen KI kann kompliziert und langwierig sein. Wichtige Themen wie regulatorische und rechtliche Anforderungen, Datenschutz und Informationssicherheit, Schulung von Mitarbeitern, sowie die Installation und das Hosting von KI müssen vorab geklärt werden. Und sobald ein Krankenhaus eine weitere KI-Anwendung nutzen möchte, müssen dieselben Fragen von Neuem geklärt werden. Die Vielzahl der Fragen, die sich mit jeder weiteren Anwendung wieder von neuem stellen, ist ein großes Hindernis für den Einsatz von KI. Wir haben daraufhin beschlossen, keinen einzelnen KI-Algorithmus zu entwickeln, sondern die unabhängige Plattform deepcOS gebaut, über die verschiedenste KI-Anwendungen für klinische Institutionen gebündelt werden und mit nur einer Schnittstelle einfach und sicher genutzt werden können.
Wie genau funktioniert denn euer Geschäftsmodell?
KI-Firmen können ihre Anwendungen auf unsere Plattform deepcOS bringen. Das gibt KI-Firmen einen schnellen Marktzugang und eine Vermarktungsmöglichkeit. Nach erfolgreicher Validierung und Testung dieser KI-Algorithmen lizenziert deepc diese Anwendungen und bietet sie klinischen Kunden an.
Wie ist überhaupt die Idee zu deepc entstanden?
Vor deepc war ich als Arzt klinisch tätig. Patienten helfen zu können, war immer mein Haupt-Antrieb, aber meine Arbeitszeit begrenzte logischerweise die Anzahl der Patienten, denen ich helfen konnte. Im Masterstudiengang Data Science habe ich dann die Mathematikerin Julia Moosbauer kennengelernt. Wir haben erkannt, dass wir beide den Zugang zu Gesundheit mithilfe von KI und cloud-basierten Technologien skalierbar machen möchten. Julia und ich haben dann gemeinsam mit Paul Mayer und Michael Meyerhoff deepc gegründet, Julia wurde COO und ich CEO.
Trotz allgemeiner Krisenstimmung in der deutschen Startup-Szene konntet ihr zuletzt 12 Millionen einsammeln. Wie seid ihr mit euren Investor:innen in Kontakt gekommen?
Wir haben verschiedene Wege genutzt, um mit potenziellen Investor:innen in Kontakt zu kommen. Einerseits haben wir natürlich unser Netzwerk aktiv genutzt, um Empfehlungen und Kontakte zu passenden Investor:innen zu bekommen. Andererseits haben wir uns auch gezielt auf relevanten Veranstaltungen präsentiert, um Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit zu erzeugen. Wir haben eine ganze Reihe von Gesprächen und Verhandlungen mit verschiedenen Investoren geführt. Schließlich haben wir uns mit Sofinnova Partners und Bertelsmann Investments für VCs entschieden, die uns nicht nur finanziell unterstützen, sondern auch durch ihr jahrzehntelanges Know-how und großes Netzwerk einen Mehrwert für deepc darstellen.
Wie hat sich deepc seit der Gründung entwickelt?
Wir sind stolz darauf, ein herausragendes Team von mittlerweile mehr als 40 Mitarbeiter:innen aufgebaut zu haben. Bei deepc arbeiten Menschen mit mehr als 20 verschiedenen Nationalitäten, und unterschiedlicher Ausbildung – unter anderem Software Engineering, Cybersecurity, Medizin, AI, MedTech. Diese Vielfalt macht den Arbeitsalltag nicht nur spannend, sondern ermöglicht es uns auch, innovative Lösungen zu entwickeln und kontinuierlich voneinander zu lernen. Kommerziell sind wir aktuell in Europa aktiv und zählen sowohl große Klinikketten und Universitätskrankenhäuser als auch kleine Einzelpraxen zu unseren Kunden.
Blicke bitte einmal zurück: Was ist seit der Gründung so richtig schief gegangen?
Wir hätten früher Produktmanager:innen und UX-Expert:innen in die Entwicklung miteinbeziehen sollen, anstatt direkt mit der Produktentwicklung zu beginnen. Wir haben mittlerweile drei Produktmanagerinnen sowie einen Design- und UX-Experten, welche Workflows kennenlernen und Hypothesen sorgfältig validieren, bevor neue Features in die Entwicklung gegeben werden. Dadurch lässt sich viel Zeit sparen, was gerade in einem frühen Stadium sehr wichtig ist, und das Risiko minimieren, am Markt vorbei zu entwickeln.
Und wo habt Ihr bisher alles richtig gemacht?
Für uns stand es immer an erster Stelle, eine Möglichkeit zu finden, Zugang zu Gesundheit mithilfe von KI und Cloud-Technologien zu skalieren. Wir waren an einen Punkt gekommen, an dem wir erkannten, dass es eine KI-Plattform braucht anstelle weiterer Einzelanwendungen. So haben wir die Entwicklung unseres KI-Algorithmus eingestellt. Das war eine mutige, aber wirklich wichtige Entscheidung für uns.
Welchen generellen Tipp gibst Du anderen Gründer:innen mit auf den Weg?
Als Gründer sollte man seine Annahmen immer wieder hinterfragen und den Status Quo zusammen mit dem Team “challengen”. Manchmal braucht es auch mutige Entscheidungen.
Wo steht deepc in einem Jahr?
In einem Jahr wird unsere Lösung nicht nur in Europa, sondern auch in weiteren Ländern der Welt verfügbar sein. Wir werden Millionen von KI-Auswertungen an Ärztinnen und Ärzte übermittelt haben, mithilfe derer diese eine noch höhere Qualität in der diagnostischen Versorgung von Patient:innen erzielen können.
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