Von Ruth Cremer
Freitag, 12. Mai 2023

eSelly: Wann man nicht direkt ans Geld verdienen denken sollte

Am Montag stellte Gründer Olaf Zimmer in "Die Höhle der Löwen" eine App vor, die das Online Shopping revolutionieren soll. Die Löwen sind sichtlich angetan von der Vorführung, doch Ralf Dümmel fragt schon bald nach den Einnahmequellen.

In „Die Höhle der Löwen“ sind die Fragen nach Umsatz und Verdienst der jungen Unternehmen mit die wichtigsten. Oft nicht mit in der fertigen Version enthalten, aber ebenso wichtig sind die Zahlen-Fragen, die darauf abzielen, festzustellen, wann das jeweilige Startup denn vielleicht einmal Geld verdienen kann. Doch manchmal ist eben alles anders. Am Beispiel von eSelly konnte man sehr schön sehen, welche Voraussetzungen für einen solchen Sonderfall bei Investoren erfüllt sein müssen.

Am Montag stellte Gründer Olaf Zimmer in der Höhle eine App vor, die das Online Shopping revolutionieren soll. eSelly versteht sich als eine Art Kreuzung aus interaktivem Marktplatz und Social Media App, denn Nutzer können nicht nur Produkte online stellen, die dann von anderen Nutzern favorisiert, geliked, geteilt, kommentiert oder auch direkt gekauft werden können, es gibt auch die Möglichkeit, Video Calls zwischen Käufer und Verkäufer zu vereinbaren, um spezifische Fragen zu klären oder das Produkt noch einmal genauer zu zeigen. Das soll eine bessere Vertrauensbasis schaffen und so kleineren und privaten Verkäufern bessere Chancen bieten.

Außerdem will eSelly auf zwei großen Trends aufsetzen: die allseits geforderte Wieder-Erstärkung des lokalen Einzelhandels soll durch die Funktion „in der Nähe“ unterstützt werden. Ein Reiter, unter dem man Angebote nicht weit entfernter Anbieter findet, falls man sich nichts zuschicken lassen möchte. Die Möglichkeit für Live-Verkaufs-Shows soll den Trend des Live-Commerce und der Online-Verkaufs-Shows unterstützen.

Die Löwen sind sichtlich angetan von der Vorführung, doch Ralf Dümmel fragt schon bald nach den Einnahmequellen. Der Gründer erklärt, dass er die App für Privatleute noch gar nicht monetarisiert, gewerbliche Verkäufer aber eine Gebühr in Höhe von 7% des Kaufumsatzes zahlen. Als zusätzliche Einnahmequelle gibt es die Verlinkung auf die Shops der Gewerbetreibenden, die hierfür einen Preis für jeden Click bezahlen. Letzteres wird im weiteren Gespräch aber keine Rolle mehr spielen.

Denn schon bald gehen die Löwen genauer auf die Ist-Zahlen ein. Die ZuschauerInnen erfahren, dass eSelly bereits seit 3 Monaten online ist, ca. 3000 aktive Nutzer hat, von denen allerdings unter 1% Gewerbetreibende Verkäufer sind.

Judith Williams hatte zuvor nach dem Umsatz des jungen Unternehmens gefragt, daher schickt der Gründer diese Zahlen voraus, und erklärt dann, dass diese wenigen gewerblichen Verkäufer aber schon einen Umsatz von 19.000 Euro generiert hätten.

Da er damit nicht so wirklich auf die Frage geantwortet hat, wird er von Ralf Dümmel unterbrochen mit dem Hinweis, dass der Umsatz also 7% dieser 19.000 Euro sein müssten.

Mit dieser Herangehensweise ist es prinzipiell ok, und man steht vielleicht trotzdem ein bisschen besser da. Aufpassen sollten GründerInnen solcher Plattform-Provisionsmodelle aber grundsätzlich damit, auf die Frage nach dem Umsatz mit dem Gesamtumsatz zu antworten, der über die Plattform gelaufen ist. Dieser gerne mal als „Außenumsatz“ deklarierte Wert sollte nicht dazu benutzt werden, den bisherigen wirtschaftlichen Erfolg als besser verkaufen zu wollen, als er eigentlich war. Und nicht ganz unerfahrene Investoren werden das auch immer sofort merken und nachfragen, so dass man ohnehin zugeben muss, dass der tatsächliche eigene Umsatz deutlich geringer ist. Das kann schnell ein schlechtes Gefühl zurücklassen und so die weiteren Gespräche vielleicht sogar gefährden.

Doch bei eSelly war es damit mit den Zahlenthemen noch längst nicht getan. Denn man konnte manche der Löwen schon leicht das Gesicht verziehen sehen bei dieser Umsatzdiskussion, bevor Neu-Löwin Janna Ensthaler mit einem beherzten Plädoyer dazwischen ging. Sie stellte die deutsche Fokussierung auf Umsatz und Verdienst heraus, und betonte, dass es eben Modelle gäbe, an die man anders heran gehen müsste. Dass die größten Unternehmen dieser Welt oft solche Modelle waren, die aber groß genug gedacht wurden.

Und damit trifft sie einen Punkt: die wirklich großen Modelle müssen sich eine ganze Zeit lang auf das Wachstum ihrer Nutzer fokussieren, um eben eine gewissen Größe zu erreichen. Sie sind hoch skalierbar, verdienen aber – wie z.b. durch ein Provisionsmodell – pro Nutzer oder pro abgewickeltem Verkauf gar nicht so wahnsinnig viel Geld. Doch eben wegen ihrer hohen Skalierbarkeit – einmal gebaut, sind die variablen Kosten oft sehr niedrig, und auch die Fixkosten wachsen oft nicht besonders schnell – addieren sich auch diese geringen Beträge irgendwann auf. Es läppert sich über die Masse dann doch recht viel zusammen, könnte man sagen. Aber eben erst ab einer gewissen Größe, vorher wird noch viel Geld gebraucht, wie die Löwen für eSelly auch feststellen.

Doch Gründer Olaf punktet mit seiner Historie als bereits erfolgreicher Gründer eines 75-Mitarbeiter-Unternehmens mit ca. 40 Millionen Euro Jahresumsatz.

Er weiß, wie Profitabilität geht, will aber jetzt etwas ganz Großes aufbauen, was auch schneller skaliert und vielleicht auch bald internationalisiert werden soll, und genau für diese Schnelligkeit braucht er die Unterstützung der Löwen. Er betont, dass er sogar selbst noch bereit wäre, weiteres Geld hineinzustecken, wenn er die richtigen Partner hätte.

Die Löwen sind natürlich höchst begeistert von dem Mann, der schon so viel erreicht hat aber so bondenständig geblieben ist, um zu erkennen, wo er mit seiner neuen Unternehmung doch noch Hilfe braucht. Doch trotzdem steigt einer nach dem anderen aus, weil sich keiner als richtigen Partner für ein solches Modell auszusehen scheint.

Nur Janna Ensthaler, die zuvor die Lanze für genau diese Art von Geschäftsmodell gebrochen hatte, schwankt noch und stellt ein paar letzte Fragen nach der Struktur der Anteilsverteilung und dem Entwicklungsstand der App.

Die Antworten scheinen sie zufrieden zu stellen, denn letztendlich bietet sie dem Gründer die gewünschten 250.000 Euro, will aber 30% statt der angebotenen 20%. Judith Williams und Janna Ensthaler stimmen überein, dass es sich tatsächlich über ein sehr risikoreiches Investment handelt, während der Gründer am Ende des Eingangstunnels mit einem seiner beteiligten Entwickler telefoniert.

Letztendlich kommt der Deal für 30% zu Stande, und sowohl Gründer als auch Investorin wirken sehr glücklich darüber. Leider platzte der Deal nach der Show.

Tatsächlich erlebten wir vor einigen Jahren gerade in der Tech-Gründerwelt eine wahre Inflation des Arguments „bei diesem Modell sollte man erstmal noch keinen Schwerpunkt auf die Monetarisierung legen“. Doch gerechtfertigt war das nicht immer. Denn tatsächlich handelt es sich eher selten um ein solches Volumenmodell, und es scheint auch unter Investoren nicht viele zu geben, die genau abgrenzen können, wann diese andere Strategie überhaupt sinnvoll ist. Und was auch viele gerne übersehen: selbst wenn es zutrifft, ist man damit nicht davon erlöst, Kennzahlen zu erheben, zu tracken und ständig im Blick zu haben, im Gegenteil. Volumenmodelle eröffnen eine wahre Kennzahlenschlacht, es sind eben nur andere, die die größte Rolle spielen. Statt Umsätze und Margen sind es hier eben Nutzerzahlen, -wachstum, -Coversions und vieles mehr. Fast bei jedem Modell sind auch diverse Aktivitätskennzahlen wichtig.

Volumenmodelle sind also keine Ausrede und erst recht nicht geeignet für zahlenfaule GründerInnen und Investoren. Sie sind komplex, harte Arbeit und sehr risikoreich. Aber wenn sie funktionieren, können sie riesig werden. Drücken wir Gründer Olaf die Daumen, dass seines dazu gehört.

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Foto (oben): RTL / Bernd-Michael Maurer