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Mitarbeiterbeteiligungen: Deutsche Startups haben ganz andere Probleme

Die Startup-Strategie der Bundesregierung nennt explizit Mitarbeiterbeteiligungen als Mittel zur Personalgewinnung. Doch lassen sich dadurch wirklich die Probleme von Gründer:innen aus dem Weg räumen? Eher nicht! Ein Gastbeitrag von Florian Bogenschütz.
Mitarbeiterbeteiligungen: Deutsche Startups haben ganz andere Probleme
Freitag, 28. April 2023VonTeam

Wie gewinne ich die besten Mitarbeiter:innen für mein Startup? Diese Frage stellen sich viele Gründer:innen, gerade, wenn die finanzielle Situation (noch) keine Top-Gehälter zulässt. Oft kommt dann die Mitarbeiterbeteiligung als Anreiz ins Spiel. Dieses Incentive soll von staatlicher Seite verstärkt werden: So sieht die aktuelle Startup-Strategie der Bundesregierung eine Förderung von Mitarbeiterbeteiligungen vor. Doch: Der Fokus auf Mitarbeiterbeteiligungen lenkt nur von dringenderen Themen der Startups ab.

Die Startup-Strategie der Bundesregierung aus dem vergangenen Jahr bezieht sich explizit auf Mitarbeiterbeteiligungen als Mittel zur Personalgewinnung. So heißt es darin: Nach einer aktuellen Umfrage ist der Fachkräftemangel das zentrale Hemmnis für Startups in ihrer Geschäftstätigkeit. (…) Durch Mitarbeiterkapitalbeteiligungen können Gründende im Wettbewerb um Talente ein attraktives Gehaltspaket schnüren und ihre künftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Erfolg ihres Unternehmens teilhaben lassen. Studien zeigen, dass Unternehmen, die das tun, robuster und überlebensfähiger sind. Trotzdem ist die Mitarbeiterkapitalbeteiligung in Deutschland im europäischen Vergleich bisher wenig verbreitet. Das will die Bundesregierung ändern.“

Doch lassen sich durch veränderte Konditionen bei Mitarbeiterbeteiligungen wirklich die Probleme von Gründer:innen aus dem Weg räumen? Eher nicht, denn die wahren Probleme der Gründer:innen in Deutschland liegen aktuell ganz woanders. Der Fokus auf Mitarbeiterbeteiligungen wirkt eher wie eine Verzweiflungstat. Gründer:innen plagen sich vielmehr mit einem hohen Verwaltungsaufwand, bürokratischen Problemen, der nicht auf die Realität von Gründer:innen zugeschnittenen Gesetzgebung und einer mangelnden Vereinbarkeit von Gründer-Alltag und Familie. Diese Bereiche werden aktuell von der Politik noch vernachlässigt. 

Internationale Arbeitskräfte gegen den Fachkräftemangel

Ein zentrales Argument für Mitarbeiterbeteiligungen aus der Startup-Strategie der Bundesregierung ist die Gewinnung hochqualifizierter Arbeitskräfte trotz Fachkräftemangel.

Hier wären jedoch andere Maßnahmen deutlich vielversprechender: Zahlreiche Unternehmen würden gern Mitarbeiter:innen aus dem Ausland gewinnen. Doch die deutsche Verwaltung bremst solche Vorhaben teilweise aus: Gerade das Rekrutieren von Fachkräften außerhalb der EU ist mit zahlreichen Hürden verbunden, beispielsweise durch das Beantragen von Aufenthaltserlaubnissen, Arbeitserlaubnissen und anderen Dokumenten. Auch dadurch ist, wie die Wirtschaftswoche kürzlich berichtete, Deutschland für ausländische Fachkräfte deutlich unattraktiver geworden – das Image des Standorts sollte dringend aufpoliert werden.

Verwaltung: Wo bleibt das Verständnis für Gründer:innen?

Ein weiterer Stolperstein auf dem Weg zu einem erfolgreichen Business ist aktuell die deutsche Verwaltung, insbesondere, wenn man demgegenüber einen Blick auf die Verhältnisse für Gründer:innen in den USA wirft: Wollen US-Amerikaner:innen in den Vereinigten Staaten ein Unternehmen gründen, funktioniert das mit begrenztem finanziellen Aufwand, rein online. Der gesamte Prozess wird vollständig digital abgewickelt, beispielsweise durch Stripe Atlas. 

Davon ist die deutsche Verwaltung mit ihren analogen Prozessen immer noch weit entfernt: Gänge zum Notar oder zum Kreisverwaltungsreferat sind ebenso erforderlich wie eine Sozialversicherungsprüfung. Auch Recht und Verwaltung sind vornehmlich auf mittlere bis große Firmen und deren Mitarbeiter:innen ausgelegt. Das spiegelt sich auch im Verhalten der Ämter wider: So sind Behörden oftmals mit den Anliegen von Gründer:innen überfordert und können diese – nicht zuletzt aufgrund mangelnder Digitalisierung – nicht optimal erfüllen. 

Fehlende Vereinbarkeit von Beruf und Familie erschwert das Gründer:innen-Leben

Das Gründer:innen-Leben wird zudem häufig durch eine fehlende Vereinbarkeit von Beruf und Familie erschwert, insbesondere in Metropolen wie Berlin, Hamburg oder München.

Doch nicht nur fehlende Kita-Plätze sind das Problem, sondern auch die Öffnungszeiten sind wesentlich zu kurz. Oftmals schließen Kindertagesstätten schon gegen 16.00 Uhr – eine Uhrzeit, zu der die lange To-do-Liste von Gründer:innen meist noch lange nicht abgearbeitet ist. Darüber hinaus können auch die Schließtage von Kindertagesstätten  zum Problem werden, wenn  während der Schulferien keine Kinderbetreuung gewährleistet ist. 

Gerade eine wirtschaftlich starke Nation wie Deutschland, die über die finanziellen Mittel verfügt, um eine deutlich bessere Betreuungssituation zu gewährleisten, spart hier eindeutig an den falschen Ecken. Eine bessere Kinderbetreuung wäre nicht nur eine wichtige Stellschraube im Kampf gegen den Fachkräftemangel, sondern ermöglicht auch eine gerechtere Aufteilung von Care-Arbeit, eine Verringerung des Gender Pension Gap und eine Entlastung von Familien.

Gesetzgebung fernab der Gründer:innen-Realität

Ebenfalls an der Lebensrealität von Gründer:innen vorbei geht die deutsche Gesetzgebung, insbesondere das Arbeitnehmerschutzgesetz. Das Gesetz orientiert sich in seiner derzeitigen Form an den Bedürfnissen von Konzernangestellten. Der größte Haken: Die Regelungen sind viel zu wenig flexibel, insbesondere bei Ruhe- oder Wochenendarbeitszeiten. In den ersten Jahren nach der Gründung eines Startups müssen jedoch eine Vielzahl von Gründer:innen auch am Wochenende arbeiten, um ihr Arbeitspensum zu bewältigen und ihrer Vision zum Erfolg zu verhelfen.

Es braucht dringend eine Regelung, die allen Unternehmensgrößen und -phasen gerecht wird.

Erfolgreich trotz Hindernissen

Trotz all dieser Stolpersteine werden jedes Jahr zahlreiche erfolgreiche Startups in Deutschland gegründet. Der Grund dafür liegt auch darin, dass Gründer:innen Wege finden, um die Probleme geschickt zu umschiffen. Für den Arbeitnehmer:innenschutz kann es beispielsweise einfacher sein, Unternehmen unter einer Größe von zehn Mitarbeiter:innen zu halten, um als Kleinunternehmen vereinfachten Regeln zu unterliegen. Spezielle Hilfestellungen, die in anderen Ländern bereits gängige Praxis sind, könnten das Gründen deutlich unkomplizierter gestalten: In einigen Ländern zahlen Gründer:innen in den ersten Jahren keine Unternehmenssteuer. Dadurch werden nicht nur die oft knappen Ressourcen der jungen Unternehmen geschont, Gründer:innen profitieren auch von der Arbeitserleichterung. 

So beispielsweise in Estland: Dort entfällt in den ersten Jahren, wenn Gewinne oft vollständig wieder investiert werden, ein Großteil der Steuern. Zudem kann via dem e-Residency-Programm mit begrenztem Aufwand eine estnische Staatsangehörigkeit erworben und Online-Business aufgebaut werden.

Die Politik sollte sich fokussieren und die zentralen Handlungsfelder priorisieren

Kurz zusammengefasst: Mitarbeiterbeteiligungen sind ein gutes Mittel, aber funktionieren in ihrer derzeitigen Form bereits als Anreiz für (potenzielle) Mitarbeiter:innen in Startups. 

Daher sollte sich die Politik auf dringendere Handlungsfelder fokussieren: Auf das Schaffen von Steuererleichterungen und den Abbau von Bürokratie, auf digitalere Abläufe sowie auf eine Förderung einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit Ämtern und Behörden. Dies würde Gründer:innen in Deutschland wesentlich mehr zugutekommen.

Über den Autor
Florian Bogenschütz ist CEO von
Wayra Deutschland.

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Foto (oben): Shutterstock