Tinus: Meilensteine gibt es auch für Investoren
Vielen Gründerinnen und Gründern sind sogenannte Meilensteine bei einem Investment sehr geläufig. Doch fast alle bringen sie damit in Verbindung, dass ihr Startup bestimmte Ziele erreichen muss, um von den Investoren weiter Geld zu bekommen. Es geht aber auch andersherum. In der neuesten Folge von “Die Höhle der Löwen” kann man am Beispiel des Startups Tinus aus München sehr gut sehen, wie so etwas funktionieren kann.
Bei einem Startup-Investment gibt es bekanntermaßen noch andere Verhandlungsthemen als “nur” die Höhe der Investmentsumme und die Anteile, die der entsprechende Investor dafür bekommt. Auch in “Die Höhle der Löwen” kamen Dinge wie Meilensteine, Auszahlungstranchen oder Optionen auf Folge-Investments schon einige Male zur Sprache.
Das Startup Tinus lieferte uns am Montag Abend nun einen sehr ausführlichen Fall, in dem vor allem eine nicht allzu häufig vorkommende Nebenbedingung explizit verhandelt wurde. Auch ein paar wichtige Hinweise, worauf man bei einer solchen Verhandlung achten sollte, konnte man aus dem Auftritt von Tinus ziehen.
Das Startup stellte den Löwen ein besonderes Kissen vor, das insbesondere Tinnitus-Geplagten das Einschlafen erleichtern sollte. Denn Betroffene haben oft das Problem, das ständige Piep-Geräusch in ihrem Ohr übertönen oder sich zumindest ablenken zu müssen, um gut einschlafen zu können. So schauen manche Fernsehen, viele hören Musik oder Podcasts. Allerdings stört dies häufig den Partner, und mit Kopfhörern einschlafen zu wollen ist auch ein schwieriges Unterfangen.
Das besondere Kissen des Gründerteams aus München sollte hier Abhilfe schaffen: nicht nur war es so konzipiert, dass nur der darauf liegende die abspielende Musik oder den Podcast hören konnte, auch konnte es feststellen, wenn der Benutzer in den Schlaf fiel und das Einschlaf-Programm daraufhin langsam ausblenden.
Die Löwen sahen den Anwendungsfall sogar noch bei weiteren Gruppen und lobten Produkt wie Gründerteam eingängig.
Besonders Carsten Maschmeyer schien angetan und ging bald schon auf Ralf Dümmel zu, der jedoch Bedenken wegen der Premium-Strategie des Startups hatte. Denn der Verkaufspreis sollte sich auf knapp 800 Euro belaufen, eine günstigere Version – selbst bei fallenden Herstellungskosten – sahen die beiden Pitchenden zunächst nicht.
Doch Carsten Maschmeyer gab nicht auf, und überzeugte Ralf Dümmel, zumindest einmal ein Angebot abzugeben, auch wenn das in eine völlig andere Richtung zielte als vom Gründerteam gewünscht: Statt der angefragten 350.000 Euro für 10% wollte das Investoren-Duo 25% haben, dies aber auch nur, wenn sich das Startup einen Strategie-Wechsel vorstellen könnte. Statt der geplanten 4000 Stück wollte Ralf Dümmel direkt 50.000 Stück produzieren, und durch die gestiegene Menge die Herstellungskosten so weit drücken, dass man das fertige Kissen schließlich für 199 Euro verkaufen und so den Massenmarkt erschließen könnte.
Das Tinus-Team ging tatsächlich darauf ein – und ließ verlauten, die bisherige Strategie wäre eher dem Umstand geschuldet, dass man diese Mengen alleine nicht so schnell erreichen könnte, es also vor allem deswegen bisher keine Option war.
Doch die Power der Löwen sollte schließlich auch einiges kosten, und so stieg man in die Verhandlung ein: das Gründerteam sprach mit seinem Bestandsinvestor am Telefon, und kam – anders als von Ralf Dümmel erwartet – nicht mit einem reinen Gegenangebot bezüglich der Anteile zurück, sondern machte die Sache etwas komplizierter.
Die Löwen sollten zunächst weiterhin nur 10% Anteile des Unternehmens bekommen, aber weitere 10%, wenn eine bestimmte Menge an Kissen verkauft worden wäre. Zusätzlich wurde den Investoren noch eine Umsatzbeteiligung von 1% angeboten, bis das Investment zurückgezahlt wäre.
Ersteres ist für viele Szene-Ohren wahrscheinlich etwas sehr Seltsames, schließlich sind es ja normalerweise die GründerInnen, die sich zur Erreichung bestimmter Meilensteine verpflichten. Dies geschieht typischerweise in eher großen Investitionsrunden und mit ambitionierten Wachstumszielen und verhältnismäßig hohen und eher spekulativen Bewertungen. Das heißt, es handelt sich oft um Bewertungen, die eher auf Basis eines Potenzials zu Stande gekommen sind, das beide Parteien im Markt sehen, als auf eher harten Faktoren wie bestimmten Kennzahlen, die man schon mit dem bestehenden Geschäftsmodell nachweisen kann. Hierbei senken dann die Investoren ihr Risiko, indem sie das Investment auf mehrere Tranchen aufteilen und die jeweilige Tranche erst ausbezahlt ist, wenn der entsprechende Meilenstein erreicht ist. Werden diese Ziele – meist Umsatz- oft aber auch Entwicklungsziele – grob verfehlt, kann es also sein, dass es die nächste, eigentlich vereinbarte Geldspritze gar nicht gibt. Dies alles gehört zu einem klassischen Szenario mit einem typischen Finanz-Investor.
Doch die Löwen bezeichnen sich gerne als strategische Investoren, und wollen damit ihren eigenen Mehrwert betonen, dass sie also auch aktiv zum Erfolg des Startups beitragen, in dem sie z.B. den Vertrieb stark unterstützen. Solche Investoren zahlen häufig wesentlich geringere Bewertungen – zumindest rechnerisch. Schließlich haben sie nicht nur selbst durch ihre Unterstützungsleistungen noch zusätzlichen Kosten, auch hängt ja ein Teil des geplanten Erfolgs an ihnen selbst. Daraus aber entsteht auch ein gewisses Risiko für das Startup: denn kann ein Investor seinen zugesagten Mehrwert über das finanzielle Investment heraus nicht liefern, hätte man die Anteile viel zu günstige weggegeben. Was also liegt da näher als eine Meilenstein-Vereinbarung für genau solche Investoren, wie sie eben auch Tinus angeboten hat.
Allerdings sollte man hier vorsichtig sein, und sich möglichst auf Faktoren beschränken, die ein Investor auch wirklich beeinflussen kann. Verspricht er z.B. auf Produktionsseite zu helfen, könnte man das Erreichen eines gewissen Herstellungspreises zu Grunde legen. Verspricht er, den Vertrieb zu unterstützen, könnten man je nach Vertriebskanal etwa eine Anzahl von Listungen in Filialien oder eine Anzahl von Leads in einem bestimmten Stadium zu als Meilenstein vereinbaren.
Eher schwierig sind aber Meilensteine, die eher in der Verantwortung des Startups liegen oder auf der Annahme des Marktes beruhen. Die von Tinus vorgeschlagenen 50.000 Verkäufe sind also ein wenig grenzwertig, schließlich kann selbst ein Ralf Dümmel zwar 50.000 Stück produzieren und in den Handel bringen, ob diese dann aber tatsächlich auch von den Kunden gekauft werden, ist eine andere Sache.
Kein Wunder also, dass die beiden Löwen direkt skeptisch wurden, wonach Gründer Simon auch einlenkte und die Zahl, die der Handelslöwe zuvor vor allem als mögliche Produktionszahl genannt hatte, nur einen ersten Gedanken nannte. Leider wurde die finale Einigung in diesem Punkt jedoch vertragt oder fiel dem Schnitt zum Opfer, so dass die ZuschauerInnen hier nur spekulieren können.
Die vier einigten sich schließlich auf 350.000 Euro Investment für zunächst 10%, bei Erreichen eines Meilensteins würden dann weitere 10% der Anteile fällig. Zusätzlich sollte es eine Umsatzbeteiligung von 2% für die Investoren geben, bis das Investment zurückbezahlt sei.
Schon vor Ausstrahlung wurde jedoch leider bekannt, dass Tinus zwischenzeitlich Insolvenz anmelden musste. Schon die Kontaktversuche der investionswilligen Löwen waren leider ins Leere gelaufen, was natürlich viel Raum für Spekulationen lässt.
Bleibt zu hoffen, dass den Tinnitus-Geplagten diese Welt bald ein anderes Produkt angeboten wird.
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