Lockcard: Das Studium als Gründer:in abbrechen?
Die dreizehnte Staffel von “Die Höhle der Löwen” startete direkt mit einem so beeindruckenden wie auch diskussionswürdigen Fall: Die jungen Gründer Aaron und Jonas überzeugten mit ihrer neuartigen Geld- und Kartenbörse die Löwen nicht nur mit dem Produkt selbst, sondern auch von sich als Gründer und mit ihren Zahlen. Dafür hatten sie – natürlich nicht zur Freude ihrer Eltern – ihr Studium geschmissen. Die Löwen beeindruckte dies aber nur noch mehr. Ist es Zeit für Eltern, umzudenken?
Fast jeder, der sich eine Zeit in der deutschen oder europäischen Startup-Szene bewegt, lernt ein oder mehrere Leute kennen, die nie ihr Studium abgeschlossen haben, trotzdem aber erfolgreiche GründerInnen geworden sind. Oder denken wir “falsch herum” und sie sind es nicht trotz fehlendem Studienabschluss geworden, sondern deswegen?
Schließlich ist ein Studium im Normalfall nicht nur ein riesiger Zeitaufwand und lässt viele gleichzeitige GründerInnen so “nebenbei” mit ihrem Startup kaum weiterkommen. Andererseits baut ein fehlender “Plan B” aber auch eine Menge Druck auf, schließlich setzt man ohne richtige Berufsausbildung alles auf eine Karte und MUSS praktisch erfolgreich sein – für viele vielleicht das letzte Quäntchen Motivation, das sie brauchen, um sich richtig reinzuhängen.
Außerdem: viele GründerInnen – ob mit Studium bzw. Ausbildung oder ohne – betonen ja ohnehin, dass sie nie so viel und so schnell gelernt haben, wie in der ersten Zeit mit dem eigenen Unternehmen. Hier kreieren die Notwendigkeit, aber auch der persönliche Wille zum Erfolg einfach ein Setup, in dem man oft gar keine Wahl hat und häufig gar nicht darüber nachdenkt, dass man gerade wieder etwas lernt. Der ständige Hormoncocktail in Hirn und Blut durch die Aufs und Abs des Startup-Lebens tut das seine dazu. So kennen sich viele Jung-CEOs oft bereits wenige Monate nach Markteintritt besser mit CACs und Conversions aus als viele AbsolventInnen nach Jahren des Studiums, selbst wenn dieses so einen fancy Titel wie “Entrepreneurship” hatte.
Und wie man nicht zuletzt am Lockcard-Beispiel gesehen hat, scheinen Investoren auf Studienabbrecher regelrecht zu fliegen. Die Löwen jedenfalls schienen tief beeindruckt und am Ende gab es für das junge Gründer-Duo sogar drei Angebote und alle fünf anwesenden Löwen wollte Teil ihres Startups werden.
Doch was genau gefällt Investoren an Studienabbrechern, und ist ein Abbruch – oder vielleicht gar nicht erst das Aufnehmen eines Studiums – wirklich die beste Wahl, wenn man ein Unternehmen gründen will? Wie fast immer ist die Antwort ein sehr entschiedenes: es kommt darauf an.
Denn schaut man sich die Geschichte der beiden Lockcard-Gründer an, startete auch diese ein wenig holprig: der Wille zum Gründen war schon länger vorhanden, nur das richtige Gründungsvorhaben an sich fehlte. Ideen gab es vor der platzsparenden Geldbörse schon einige, allerdings wurden diese auch wieder verworfen. Das Studium lief währenddessen weiter.
Auch noch, als die Idee zur Lockcard – einer Karte zur einfachen und platzsparenden Schlüsselaufbewahrung – geboren wurde. Daraus entwickelte sich dann das Lockcard Wallet, das Produkt, das sie auch den Löwen vorstellten. Doch auch Aaron und Jonas mussten lernen, dass ein Produkt, dass niemand kennt, eben auch niemand kaufen kann. Sie ließen sich aber auf die Startup-typische Lernkurve ein, tauchten ins Social Media Marketing ein und entwickelten schnell ein Gefühl dafür, was letztendlich funktioniert, um ihr Produkt zu bewerben.
So hatten sie bis zum Auftritt bei “Die Höhle der Löwen” bereits 15.000 Stück verkauft und einen Umsatz von rund 250.000 € erwirtschaftet. Und natürlich waren es nicht zuletzt diese Zahlen, die die Löwen dazu brachten, ganz besonders die Ohren zu spitzen. Denn wer genau hingesehen hat, konnte schon den Eindruck gewinnen, dass die Stimmung zu Beginn, als es nur um das Produkt selbst ging, noch eher neutral war, und erst die guten Antworten der Gründer und ihre beeindruckenden Zahlen die Begeisterung nach und nach immer mehr entfachten, bis es zum Wettbieten der drei Löwen-Konstellationen kam.
In dem Moment, als die Sprache auf den Studienabbruch der beiden Gründer kam, war also höchstwahrscheinlich bereits klar, dass das Produkt ein voller Erfolg war, und die beiden sowohl die Produktentwicklung als auch das Marketing gut im Griff hatten – und sich alles notwendige für die Unternehmensführung “unterwegs” angeeignet hatten. Hier handelt es sich also um die bei Investoren schon fast sprichwörtlichen “guten Gründer” – lernfähig, mit Übersicht und jeder Menge herausgebildeten Hard und Soft Skills.
So geschah auch die Aufgabe des Studiums erst zu einem Zeitpunkt, als Lockcard sich schon etwas entwickelt hatte, und die Arbeit im Startup vor allem wegen der großen Nachfrage kaum noch mit einem Studium vereinbar war.
Dies ist wohl ein entscheidender Punkt, den auch das Lockcard-Beispiel sehr gut unterstreicht: ein Studium zu schmeißen, nur weil man eine Idee hat, ist wohl in den seltensten Fällen wirklich sinnvoll.
Doch erst einmal anzufangen, die Grundlagen des Unternehmertums in der Praxis zu erlernen, dazu auf Grund der Doppelbelastung auch noch gezwungen sein, wichtige Soft Skills wie Priorisierung und ein herausragendes Zeitmanagement zu entwickeln, bis man wirklich an absolute Grenzen stößt, das ist etwas ganz anderes. Und genau diese Fähigkeiten, die man so bewiesen hat, sind es, die Investoren beeindrucken. Die bloße Aufgabe des Studiums wegen irgendeiner fixen Idee reißt bestimmt weder einen Löwen noch sonst irgendeinen Investor vom Hocker.
Natürlich ist der Zeitpunkt des richtigen “Absprungs” recht schwierig zu bestimmen: wechselt man zu früh in die Vollzeit-Gründung, ist das Risiko zu hoch, dass es dann doch nicht klappt und man ohne Plan B dasteht. Wechselt man zu spät, hat man wertvolle Zeit vergeudet, in der Konkurrenten einen vielleicht schon überholen konnten.
Die Lockcard-Gründer haben es wohl genau richtig gemacht. Und so mehr als nur eine Menge Lob bekommen, sondern von ihrem Wunsch-Investoren-Duo Carsten Maschmeyer und Ralf Dümmel nicht nur das angefragte Kapital, sondern auch noch eine zusätzliche Werbekampagne, Working Capital und persönliches Mentoring zugesagt bekommen.
Nun werden ihre Eltern wohl ganz bestimmt nicht mehr mit ihrem Entschluss hadern, das Studium abzubrechen.
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