Von Alexander
Mittwoch, 22. März 2023

“Der Aufbau eines Startup ist nicht immer mit einem Raketenstart zu vergleichen”

Mehrere Jahre haben Gregory N. Vider und Markus Sinz apadua ohne externe Geldgeber hochgezogen. Nun aber erstmals Investoren an Bord geholt. "Unser Wachstumsplan kann organisch umgesetzt werden. Keine Frage. Dennoch wollen wir diesen Prozess beschleunigen", sagt Gründer Sinz.

Das Kölner ProcureTech-Startup apadua, das 2016 von Gregory N. Vider und Markus Sinz gegründet wurde, unterstützt “Unternehmen bei der kollaborativen Ausschreibung ihrer Projektanforderungen, der Identifikation geeigneter Dienstleister und dem datengestützten Produktgruppenmanagement”. Business Angels wie Sebastian Mertes, Michala Rudorfer, Manuel Müller, Christian Portz, Holger Felgner, Martina Pfeifer und Thomas Klews investierten zuletzt in das zuvor jahrelang gebootstrappte Unternehmen.

“Uns war es immer ein Anliegen, eine ausreichende Basis zu schaffen, bevor wir Kapital durch Investoren aufnehmen. Bootstrapping sollte aber nicht zum Selbstzweck werden und man muss den Stolz darüber, alles mit eigenen Händen erschaffen zu haben auch mal zur Seite legen, wenn man schneller weiterkommen möchte. Unser Wachstumsplan aus technischer, vor allem aber auch aus vertrieblicher Sicht, kann organisch umgesetzt werden. Keine Frage. Dennoch wollen wir diesen Prozess beschleunigen”, sagt Gründer Markus Sinz.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der apadua-Macher zudem über Nachholbedarf, Beziehungslebenszyklen und Fuckups.

Wie würdest Du Deiner Großmutter apadua erklären?
Lass mich die Szene erklären: Ich würde erst mal nahe an sie heransitzen, da die Beste mit Ihren 95 Jahren nicht mehr so gut hört. Dann würde ich sie fragen, wie sie in einer Großstadt, in der sie komplett neu ist, unter den hunderten niedergelassenen Ärzten einen kompetenten HNO-Arzt und anschließend einen Akustiker findet. Sie würde daraufhin wohl antworten, dass sie einige Personen aus ihrem Bekannten- und Freundeskreis befragen und mühsam die Gelben Seiten durchschmökern würde. Dann sage ich ihr, dass genau das unsere Software macht. Nur machen wir bei apadua das für über 30.000 weltweit agierende Unternehmen aus der Dienstleistungsindustrie. Und das alles online und automatisiert. Sie würde dann sicher fragen, wer unsere Software und Datenbank nutzt, woraufhin ich ihr antworten würde: Alle Unternehmen, die einen Dienstleister benötigen, also keine Ärzte oder Akustiker, sondern unter anderem Unternehmensberater, IT-Dienstleister, Marketingagenturen oder Rechtsberater. Neben dem Auffinden passender Dienstleister können unsere Nutzer dann gleich noch Projekte & Preise anfragen und Aufträge vergeben. Danach würde sie sagen, dass das eine tolle Idee ist und sicher vielen Unternehmen hilft. Ich stimme ihr zu. Anschließend würde sie mich herzlich umarmen.

War dies von Anfang an euer Konzept?
Wir hatten bereits 2015 erkannt, dass der Markt für Professional Services aus digitaler Sicht weitgehend „terra incognita“ war. Die Frage war also, mit was zu starten ist. Im ersten Wurf bauten wir mit einfachsten Mitteln eine Datenbank für Beratungsdienstleister, also eine Nische in der Nische, auf. Die Entscheidung war intuitiv, da sowohl Gregory als auch ich selbst aus dieser Branche kamen. Schnell wurde jedoch klar, dass die Datenbank technisiert und automatisiert werden muss. Zudem brauchte es eine Anbindung an ein Einkaufstool, das den wahren Wert der gesammelten Daten heben kann. Da keines der bekannten Tools – damals wie auch heute – den Ansprüchen des Einkaufs von Professional Services gerecht wurde, entwickelten wir unser eigenes Sourcing Tool und integrierten unsere Datenbank darin. Ob dies ein Pivot war? Eher nicht. Vielmehr der logische nächste Schritt. Die weiteren Funktionen und Features basierten meist auf Impulsen unserer Kunden. Ich würde sie also eher als Erweiterungen und nicht als Pivots bezeichnen. Inzwischen besteht die apadua Suite aus drei Modulen, die unabhängig voneinander genutzt werden können: EXPLORE, SOURCE und MONITOR. Damit decken wir den gesamten Beziehungslebenszyklus im Dienstleistungseinkauf ab.

Wie genau funktioniert denn euer Geschäftsmodell?
Wir bieten unser Tool in einem „two-sided market“ an. Das heißt sowohl Anbieter, also Dienstleistungsunternehmen, als auch Nachfrager, also auftraggebende Unternehmen aus der Wirtschaft, ziehen einen Mehrwert aus unserem Geschäftsmodell. Auftragnehmer zahlen eine Vermittlungsgebühr, wenn sie über unsere Software den Projektzuschlag erhalten, und Auftragnehmer zahlen eine Nutzungs- und Servicegebühr für die Software und die Datenbank. Beide Seiten teilen sich damit die Kosten fair auf. Dadurch tragen beide Seiten, zum Geschäftsmodell der apadua bei.

Wie ist überhaupt die Idee zu apadua entstanden?
Gregory kam 2015 mit der Grundidee auf mich zu. Die Initialzündung war weniger ein entscheidender Moment, denn vielmehr die Summe unserer Erfahrungen, die wir gemeinsam als Projektleiter in der Beratung gesammelt hatten. Der Ursprung war sicherlich eine Mischung aus Frust über die Art, wie die Unternehmensberatungen im Markt wahrgenommen wurden, und einem Verständnis davon, wo die Ursachen dafür lagen. Im Kern basierte die Idee damals darauf, dass Beratungsunternehmen ihre Sales-Kanäle optimieren und ins digitale Zeitalter heben mussten. Da aber ein Sales-Kanal ohne Kunden keinen Sinn macht, mussten wir den Industrieunternehmen diesen Markt besser zugänglich machen. Verallgemeinernd kann man sagen, dass wir auch ein wenig Glück hatten, dass genau der Markt, in dem wir uns damals befanden, einiges an Nachholbedarf hatte.

Wie hat sich apadua seit der Gründung entwickelt?
Der Aufbau eines Startup ist nicht immer mit einem Raketenstart zu vergleichen. Auch wenn viele dieses Bild verinnerlicht haben. Wir brauchten bis hierher einen langen Atem. Und wir stehen noch immer am Anfang der Reise. Der B2B Markt für Software ist ein schwerfälliger Markt. Kundenunternehmen haben lange Entscheidungswege und müssen sich noch immer an die neue Welt der Software-as-a-Service gewöhnen. Dennoch haben wir in den letzten drei Jahren substanzielles Wachstum verzeichnen können und konnten trotz allgemeiner wirtschaftlicher Krisenstimmung jeweils unsere Umsätze mehr als verdoppeln. Anfang 2023 haben wir zehn Mitarbeiter. Die Hälfte davon ist unser Entwicklerteam. Aktuell haben wir sechs offene Stellen und planen für 2023 einen siebenstelligen Umsatz.

Seit dem Start habt ihr apadua gebootstrappt. Nun aber erstmals Geld eingesammelt. Warum habt ihr Euch entschieden Geld aufzunehmen?
Uns war es immer ein Anliegen, eine ausreichende Basis zu schaffen, bevor wir Kapital durch Investoren aufnehmen. Bootstrapping sollte aber nicht zum Selbstzweck werden und man muss den Stolz darüber, alles mit eigenen Händen erschaffen zu haben auch mal zur Seite legen, wenn man schneller weiterkommen möchte. Unser Wachstumsplan aus technischer, vor allem aber auch aus vertrieblicher Sicht, kann organisch umgesetzt werden. Keine Frage. Dennoch wollen wir diesen Prozess beschleunigen. Hierfür ist neben dem bestehenden Cash-Flow das frisch akquirierte (Fremd-)Kapital eine große Hilfe. Allerdings sind für uns die Personen hinter dem Investment viel entscheidender als das frische Kapital. Die Gruppe, die wir nun am Cap-Table haben, hätte besser und passender nicht sein können. Alle Investoren bringen neben den finanziellen Mitteln mindestens einen weiteren Mehrwert mit. Auf unserer Wunschliste standen vor allem folgende Eigenschaften: erfolgreiche Gründer, erfolgreiche Manager aus Anbieter- oder Nachfragerseite, großartige Netzwerker zu neuen Kunden, IT-technischer Background und vor allem starke und motivierte Persönlichkeiten. Unser Investorenkreis vereint all das und darauf sind wir sehr stolz.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Da gab es so einiges. Nichts davon hat uns aber das Genick gebrochen, sondern eher unseren Blick für das Wichtige geschärft. Als junges Unternehmen in einem neuen Marktumfeld werden wir auch in Zukunft Fehler machen, das gehört dazu. Auf meiner persönlichen Flop-Liste stehen wohl diese Fuckups. Erstens: Unser erster Gehversuch mit der Entwicklung eines MVPs ist zweimal innerhalb von wenigen Monaten gescheitert. Hauptsächlich am falschen Setup. Ursache waren zu komplexe Anforderungen für zu unerfahrene IT-Ressourcen. Zweitens: Wir haben zu früh die richtigen Leute eingestellt. Wir haben ständig neue Ideen und haben diese teilweise zu früh versucht mit Ressourcen, also neuen Mitarbeitern umzusetzen. Klar ist Agilität wichtig, aber nicht jede Idee kommt zur richtigen Zeit. Drittens: Professioneller Sales ist essenziell für ein junges, aufstrebendes Unternehmen. Wir haben mit verschiedenen Mitteln eine Vielzahl neuer Leads generiert; konnten diese aber häufig nicht wirklich bespielen, da wir beide als Gründer nur eine gewisse Menge an Beziehungen aufbauen und pflegen können. Hier sind sicher einigen Chancen verloren gegangen. Schon letztes Jahr haben wir aber gegengesteuert und eine Position für Sales und Marketing geschaffen. Zudem fließt ein Großteil des Investments in diese Unternehmensfunktion.

Und wo hat Ihr bisher alles richtig gemacht?
Gute Frage. Richtiges Handeln an einzelnen Situationen oder Entscheidungen festzumachen, ist glaube ich nicht so einfach. Ich denke vieles von dem, was man richtig macht, passiert intuitiv. So zum Beispiel die wohl grundlegendste Entscheidung: die des Gründungspartners. Gregory und ich ergänzen uns in jeder Hinsicht. Viel wichtiger ist aber, dass wir uns vertrauen. Auch wenn der andere Mal eine schlechte Entscheidung trifft, suchen wir immer nach der Lösung und verfallen nicht in Schuldzuweisungen oder ähnliches. Wir blicken stets nach vorne. Das hat schon fast etwas Dogmatisches – im positivsten Sinne. Eine weitere richtige Strategie war, lange genug mit eigenen Mitteln durchzuhalten, den richtigen Moment abzuwarten und genau jetzt die erste Seed-Finanzierung einzuholen. Auch wenn ich mich mit dem Begriff „seed“ etwas schwertue, da wir ja bereits ein funktionierendes, wenn auch noch kleines Unternehmen haben.
Gut – oder richtig – ist ja vor allem auch das, was von anderen als gut wahrgenommen wird. Dazu zählt auch unsere etwas andere Marketing- und Markenstrategie. Ohne uns hier einen konkreten Plan zurechtzulegen, haben wir bei der Vermarktung unserer Produkte einen „apadua-way“ aufgebaut. Wenn man “Professional Services” und “B2B-Software” hört, denkt man schnell an Konzerne wie SAP oder klassischen, angestaubten Softwarevertrieb. Genau das sind wir nicht. Wir machen so ziemlich alles anders als das, was man damit verbindet. Nicht nur im Sales, sondern auch in der operativen Kundenbetreuung. So haben wir kürzlich eine Eventreihe aufgesetzt, die “Butter bei die Fische” heißt. Ins nautische Thema eingebunden laden wir Kunden und Interessierte beispielsweise in einen Boxclub nach Hamburg ein, machen dort ein Sparring mit einem professionellen Boxtrainer und lassen den Tag in einer Bar im Schanzenviertel mit Networking und Hamburger Spezialitäten ausklingen. Eben ganz anders.

Wo steht apadua in einem Jahr?
Unser Startup hat in einem Jahr ein starkes Team für alle wichtigen Unternehmensfunktionen und erfüllt neben unseren eigenen Erwartungen auch die unserer Investoren. Soweit zur Top Line. Wo stehen wir konkret? Wir haben aktuell schon einige namhafte, potentielle Neukunden in der Pipeline. Diese wollen wir unbedingt von uns überzeugen und damit unserem Wachstum für 2023 eine gute Basis geben. Wir wollen aber vor allem auch unsere Marke „apadua“ als DER führende Software-Anbieter für Smart Professional Service Procurement weiter in unserer sehr eigenen Art aufbauen.

Reden wir über Köln. Wenn es um Startups in Deutschland geht, richtet sich der Blick sofort nach Berlin. Was macht den Reiz der Startup-Szene in Köln aus?
Vielleicht sind wir auch nicht das typische Startup – um mit einem Störer zu starten. Wir sind keine Studenten, die während oder direkt nach dem Abschluss eine Idee hochziehen. Wir haben selbst keinen IT-Background. Vielmehrblicken wir beide auf jeweils mehr als 10 Jahre Erfahrung im Einkauf und in der Unternehmensberatung zurück und wir haben Familien und eine soziale und familiäre Homebase. Das mag spießig klingen, ist aber einfach nur pragmatisch. Ich selbst komme vom bayerischen Bodensee, habe aber auch schon ein Jahr in Köln gewohnt. Die Stadt hat uns bisher nichts vermissen lassen, was es für ein erfolgreiches Startup braucht. Auch sind wir von Anfang an als virtuelles Unternehmen gestartet und versuchen das im Rahmen der Möglichkeiten beizubehalten. Das heißt wir suchen die Ressourcen, die wir brauchen, dort wo wir sie finden. Ortsungebunden. Ob uns der Vibe von Berlin fehlt? Absolut nicht: Köln bietet als Stadt eine der besten Mischungen in ganz Deutschland, wie ich finde.

Was ist in Köln einfacher als in Berlin – und umgekehrt?
Ob hier in Köln die Dinge wirklich einfacher sind oder andersherum, können wir kaum qualifiziert beantworten. Wir haben Berlin noch nicht aus Sicht unseres Startups erlebt. Ich denke entscheidend ist das Netzwerk. Unser persönliches Netzwerk ist in Köln um Längen stärker als im Berliner Raum. Davon profitieren wir bis heute. Mit den Investoren, die wir nun aufgenommen haben, konnten wir unser Netzwerk mindestens um die Hotspots Berlin, Frankfurt und München erweitern. Ich denke damit haben wir Zugang zu allen wichtigen Ressourcen, vor allem auch außerhalb der Startup-Industrie. Wir sind in einer Wachstumsphase. Wenn regionale Ökosysteme bei Online-Software eine Rolle spielen, dann sind industriestarke Regionen wie das Rhein/Ruhrgebiet wichtiger als der Erfahrungsaustausch im Accelerator oder beim Startup-Pitch.

Zum Schluss hast Du drei Wünsche frei: Was wünscht Du Dir für den Startup-Standort Köln?
Es ist gut und wichtig mit Berlin ein starkes Startup-Cluster in Deutschland etabliert zu haben. Ich denke Deutschland verträgt neben Berlin aber auch weitere Startup-Hubs. Wenn wir uns dabei einig sind, wäre mein erster Wunsch, dass Köln mit allem, was es kulturell, demographisch und an Authentizität zu bieten, hat auch so wahrgenommen wird. Ich wünsche mir aber auch von Neugründern, dass sie sich neben der Entscheidung, innerhalb eines Startup-Ökosystems wie Berlin zu gründen, noch stärker darüber Gedanken machen, wo ihre potentiellen Kunden sitzen und wie sie diese besser ansprechen können. Kundenzentrische Unternehmensgründungen sind ggf. nicht so cool wie andere, versprechend vielleicht aber langfristig mehr Erfolg.

Durchstarten in Köln – #Koelnbusiness

In unserem Themenschwerpunkt Köln stellen wir das Startup-Ökosystem der Rheinmetropole vor. Wie sind dort die Voraussetzungen für Gründer:innen, wie sieht es mit Investitionen aus und welche Startups machen von sich reden? Mehr als 550 Startups haben Köln mittlerweile zu ihrer Basis gemacht. Mit zahlreichen potenziellen Investoren, Coworking-Spaces, Messen und Netzwerkevents bietet Köln ein spannendes Umfeld für junge Unternehmen. Diese Rubrik wird unterstützt von der KölnBusiness Wirtschaftsförderung. #Koelnbusiness auf LinkedInFacebook und Instagram.

Foto (oben): apadua