#Interview
“Der Markt könnte derzeit schwieriger nicht sein”
Das Kölner PropTech aedifion, 2017 von Johannes Fütterer, Felix Dorner, Jan Henrik Ziegeldorf und Erik Brümmendorf gegründet, entwickelt eine Software, mit der Immobilienbesitzer die Betriebskosten analysieren und im besten Fall senken können. World Fund, BeyondBuild, das Family Office der SAP-Gründerfamilie Hopp, Bauwens, Drees & Sommer und Momeni Ventures, BitStone Capital und Phoenix Contact Innovation Ventures investierten zuletzt 12 Millionen Euro in aedifion.
Derzeit arbeiten 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Jungfirma. “Wir sind zwischenzeitlich in sieben Ländern weltweit operativ für Kunden:innen tätig und möchten unser Angebot vor allem auch in der DACH-Region und im europäischen Raum weiter ausbauen”, sagt Gründer Johannes Fütterer. Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der aedifion-Macher außerdem über Krisenphasen, mangelnden Fokus und Ressourcenverschwendung.
Wie würdest Du Deiner Großmutter aedifion erklären?
Wir machen Gebäude besser, indem wir digital neue Funktionen hinzufügen und so Energie, CO2 und Kosten einsparen.
War dies von Anfang an euer Konzept?
2017 wurde aedifion als Spin-Off der RWTH Aachen mithilfe des Exist-Forschungstransfers gegründet. Gestartet als Viererkette sind wir nun rund 50 Teammitglieder, die sich um den sicheren Betrieb der Plattform und die Weiterentwicklung unserer Dienstleistungen kümmern. Seit 2017 haben wir unter anderem unser Software-Angebot kontinuierlich erweitert und verbessert und können inzwischen den kompletten Prozess der Betriebsoptimierung von der Datenerhebung, über die KI-basierte Analyse bis hin zur autonomen Betriebsoptimierung abbilden. Dadurch helfen wir unserer Zielgruppe immer umfassender dabei, Gebäude nachhaltiger zu betreiben und dadurch ESG-Ziele schneller zu erreichen. Wir haben uns von der Generierung von Optimierungsempfehlungen zu einer One-Stop-Solution für den Gebäudebetrieb entwickelt und sind damit der erste Schritt, den Eigentümer und Betreiber gehen sollten, bevor größere Investitionen oder bauliche Maßnahmen ergriffen werden.
Wie genau funktioniert denn euer Geschäftsmodell?
Unsere Kund:innen bekommen mit unseren Bundles alles an die Hand, was sie benötigen, um den Gebäudebetrieb kontinuierlich optimal zu betreiben – immer im Verhältnis von Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit und Mieterzufriedenheit. Dafür rufen wir eine monatliche Lizenzgebühr von 10 Cent pro Quadratmeter ab, die einfach und transparent für unsere Kunden:innen ist. Darin enthalten sind unsere drei Cloud-Lösungen – .io, .analytics und .controls – die einen ganzheitlichen Optimierungsprozess abbilden. Erstens: Wir sorgen für eine umfassende Datenverfügbarkeit und Konnektivität und können die Datenbasis der TGA über offene Schnittstellen mit weiteren Daten ergänzen, zum Beispiel Wetterprognosen, Raumbuchungssysteme oder Mieter-Apps. Unsere künstliche Intelligenz strukturiert diese Daten zu Digitalen Zwillinge. Zweitens: Mit .analytics werden diese großen Datenmengen kontinuierlich analysiert auf Basis von über 100 ingenieurstechnischen Analysen. Die KI findet dabei Betriebsfehler der Anlagen und identifiziert automatisch Optimierungspotenziale, um Energie und CO2 einzusparen. Diese werden mit Hilfe einer Ampelmarkierung in unserem Frontend priorisiert, sodass die Betreiber:innen immer wissen, wo dringender Handlungsbedarf besteht. Drittens: In einem weiteren Schritt wird eine KI-basierte Regelung eingesetzt, die autonom, selbstlernend und vor allem dauerhaft den optimalen Betriebszustand des Gebäudes erreicht. Das SaaS-Angebot unserer Bundles wird um eine Service-Komponente ergänzt, bei denen unsere Ingenieure die Arbeit mit der Plattform unterstützen, zum Beispiel Handlungsempfehlungen kuratieren.
Wie ist überhaupt die Idee zu aedifion entstanden?
Die Grundidee war: Das muss doch besser gehen!? Gebäude sind für 40 % des Energiebedarfs verantwortlich und haben ein enormes Potenzial zur bedarfsorientierten Optimierung. Wir haben aedifion mithilfe des Exist-Forschungstransfers aus einem Forschungsprojekt an der RWTH Aachen heraus gegründet. Ich hatte vor der Gründung bereits über zehn Jahre lang in diesem Bereich geforscht und hieraus ist die Idee für die Überführung in ein Unternehmen entstanden. Mit unserem vierköpfigen Gründerteam waren wir sehr interdisziplinär aufgestellt, sodass wir verhältnismäßig schnell ein marktreifes Produkt hatten. Mit Unterstützung des Exits-Forschungstransfers konnten wir dann unmittelbar nach unserem umfänglichen Antrag und Businessplan sofort durchstarten.
Es herrscht derzeit Krisenstimmung in der deutschen Startup-Szene. Was ist Deine Sicht auf die aktuelle Eiszeit?
Der Markt könnte bedingt durch die verschiedenen weltweiten Krisen und Kriege derzeit schwieriger nicht sein. Aber gerade solche herausfordernden Zeiten sind es, die smarte Ideen und kreatives Vorgehen hervorbringen. Von daher bin ich überzeugt, dass auch Startups diese schwierige Zeit gut überstehen und sogar gestärkt daraus gehen können. Wer hierbei schon strategische Partner an seiner Seite hat sollte diese umso stärker einbinden und wer derzeit auf der Suche danach ist sollte zeigen, dass es eine echte Vision und eine Strategie gibt, diese zu erreichen. Ich glaube, so können Startups auch die aktuelle Krisenphase meistern.
Wie hat sich aedifion seit der Gründung entwickelt?
Seit der Gründung 2017 hat sich einiges getan. Wir sind historisch bedingt mit aedifion in Aachen gestartet und haben uns nach kurzer Zeit bereits für den Standort Köln entschieden. Mit den vier Gründern – zwei Gebäudetechnikern, einem Informatiker und einem Ökonom – hatten wir die optimale Basis, um direkt loslegen zu können. Inzwischen sind wir auf ein rund 50 Personen starkes Team angewachsen, das sich um die Entwicklung der Plattform, unsere Produkte, den Vertrieb sowie die Kommunikation und Verwaltung kümmert. Wir sind zwischenzeitlich in sieben Ländern weltweit operativ für Kunden:innen tätig und möchten unser Angebot vor allem auch in der DACH-Region und im europäischen Raum weiter ausbauen.
Zuletzt konntet ihr 12 Millionen einsammeln. Wie seid ihr mit euren Investor:innen in Kontakt gekommen?
Hinter dem großartigen Investment stehen Monate intensiver Vorarbeit. Wir haben uns in einem aufwändigen Auswahlprozess und auf Basis hunderter Gespräche mit VCs immer weiter an unser jetziges Set aus Investoren angenähert. Neben dem neu hinzugekommenen Lead-Investor World Fund oder dem Family Office Hopp – kam über Beyondbuild dazu -, sind das vor allem auch Bestandsinvestoren, die von Beginn an bereit waren, ihr Engagement in aedifion zu erneuern – Drees & Sommer, Momeni, Bauwens, BitStone Capital und Phoenix Contact Innovation Ventures). Zu jedem unserer jetzigen Investoren bestanden jahrelange persönliche Beziehungen. Diese dürfen Gründer:innen niemals vernachlässigen und müssen sie von Anfang an aufbauen und pflegen.
Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Aller Anfang ist bekanntlich schwer. Durch unsere jahrelange Forschungsarbeit und unser interdisziplinäres Gründerteam hatten wir jedoch eine gute Basis für einen erfolgreichen Start geschaffen. Vor allem zu Beginn war sicherlich eine der größten Herausforderungen, die wissenschaftliche Arbeitsweise aus der Forschung abzulegen. Wir mussten wirtschaftlicher denken und pragmatischer vorgehen. Wir haben vor allem in unserer Anfangszeit viel ausprobiert, Fehler gemacht, dazugelernt und aus jedem Fehler heraus etwas verbessern können. Allein die Tatsache, dass wir zwischenzeitlich vier verschiedenen MVPs hatten zeigt eines unser größten Probleme in der Anfangszeit: Mangelnder Fokus.
Und wo habt Ihr bisher alles richtig gemacht?
Wir haben mit der Ausrichtung unserer Lösungen auf die Themen Nachhaltigkeit steigern, Ressourcenverschwendung verringern und Gebäude bedarfsgerecht betreiben schon bei unserer Gründung einen Nerv getroffen. Dieser uns seither immer weiter begleitet und wird sich auch in den nächsten Jahren und durch mehr regulatorische Anforderungen an den Markt verstärken wird.
Wo steht aedifion in einem Jahr?
Wir haben eine ganz klare Vision und eine strategische Roadmap, die unsere nächsten Wochen und Monate determiniert. In einem Jahr werden wir also vor allem unsere Produkte in Richtung aktives Energiemanagement erweitert haben. Außerdem möchten wir noch intensiver mit unseren Bestandskunden zusammenarbeiten, um Portfolio weite Einsparungen für diese realisieren zu können, nicht nur in Deutschland, sondern vor allem auch mit Fokus auf die gesamte DACH-Region. Dazu werden wir unser Team nochmals erweitern und hoffen, dass wir weitere Mitarbeiter finden, die genauso hinter unserer Sache stehen, wie alle Kollegen.
Reden wir über Köln. Wenn es um Startups in Deutschland geht, richtet sich der Blick sofort nach Berlin. Was macht den Reiz der Startup-Szene in Köln aus?
Man kennt sich in Köln, ich glaube, das ist der größte Unterschied zu Berlin und gleichzeitig der größte Vorteil der Kölner Szene. Vor allem innerhalb der Immobilienbranche, aber auch übergreifend in der Startup-Szene. Die Stadt selbst schafft regelmäßige Netzwerkangebote, aber auch generell herrscht ein besonderes Klima für Gründer:innen in Köln. Man erlebt einen regelmäßigen Austausch und vor allem auch absolute Hilfsbereitschaft. So sind einige unser besten Kunden Cologne-based – wie auch die Mehrheit unserer institutionellen Investoren!
Was ist in Köln einfacher als in Berlin – und umgekehrt?
Berlin wird weiterhin als der Startup-Standort schlechthin gehandelt. Daher ist es hier sicherlich rein aufgrund der größeren Dichte einfacher Fachkräfte und Investoren zu finden. Jedoch muss sich Köln hier nicht mehr verstecken, diesbezüglich hat sich in den letzten Jahren einiges getan. Die Kölsche Offenheit zeigt sich in der Startup-Szene genauso wie im Rest der Stadt, worin ich gegenüber Berlin eine große Chance sehe.
Zum Schluss hast Du drei Wünsche frei: Was wünscht Du Dir für den Startup-Standort Köln?
Erstens: Dass PropTechs und Startupvon großen Corporates weiterhin echte Chancen bekommen, denn sie machen mit ihren Ideen das Leben leichter. Zweitens: Dass Gründer:innen mit großartigen Ideen mit Mut und Aufgeschlossenheit begegnet wird – nicht mit Zurückhaltung und Skepsis – et hätt noch immer jot jejange! Driitens: Dass die unfassbare Trägheit der Stadt Köln sowie des BLBs bei der Sanierung des Gebäudebestands abnimmt :-) Es gibt Lösungen, wir müssen Sie nur einsetzen.
Durchstarten in Köln – #Koelnbusiness
In unserem Themenschwerpunkt Köln werfen wir einen Blick auf das Startup-Ökosystem der Rheinmetropole. Wie sind dort die Voraussetzungen für Gründer:innen, wie sieht es mit Investitionen aus und welche Startups machen von sich reden? Mehr als 550 Startups haben Köln mittlerweile zu ihrer Basis gemacht. Mit zahlreichen potenziellen Investoren, Coworking-Spaces, Messen und Netzwerkevents bietet Köln ein spannendes Umfeld für junge Unternehmen. Diese Rubrik wird unterstützt von der KölnBusiness Wirtschaftsförderung. #Koelnbusiness auf LinkedIn, Facebook und Instagram.