So entwickeln Startups ein richtig gutes Vision- und Mission-Statement
“Wir sind der weltweit führende Anbieter für Medizinprodukte!” ist eines dieser Vision Statements, die mir in Workshops immer wieder begegnen und bei denen ich den Kopf schütteln muss. Weil es anschaulich darstellt, worum es in der Vision von Startups niemals gehen sollte: um sich selbst, also das eigene Startup, sondern immer um die Welt und das größere Ganze.
Die Vision beantwortet die Frage nach dem WARUM
Die Vision beschreibt eine Welt, in der wir leben wollen, eine Welt, wie wir sie gerne hätten. Und sie ist eminent wichtig, weil sie die Grundvoraussetzung dafür ist, dass Leute mitmachen, sich dem Unternehmen anschließen – weil sie wissen, worauf sie sich einlassen und wofür sie jeden Tag aufstehen. Statt also „Wir möchten der weltweit führende Anbieter für Medizinprodukte sein“ sollte sich das Startup fragen, warum es tut, was es tut. Wie sähe eine Welt aus, in der es das eigene Unternehmen nicht (mehr) braucht? Es hilft, wenn Startups dabei möglichst konkret werden, sich also wirklich auf ihren ganz individuellen Bereich beziehen, auf ihre Branche und Lösung und nicht so allgemein bleiben im Sinne von „Wir möchten die Welt verbessern“. Das möchte hoffentlich jedes Startup. Wie genau aber leistet dein Startup einen Beitrag dazu? Fragen, die dabei helfen können, eine gute Vision zu formulieren: Warum tun wir, was wir tun? Welches Problem wollen wir lösen? Welchen Nutzen wollen wir für den Kunden generieren? Welchen Missstand wollen wir bekämpfen?
Die Mission erklärt, WIE du das Problem lösen willst
In der Mission wiederum geht es um all das, worum es in der Vision nicht gehen sollte: Dein Startup. Die Mission konzentriert sich auf das Hier und Jetzt und erklärt, wie du die Vision zu realisieren gedenkst. Ein konkretes Beispiel: Ein Medizin-Unternehmen verfolgt die Vision einer Welt, in der niemand mehr an Krebs leiden muss. Für die Mission stellt sich das Unternehmen die Frage: Wie schaffen wir das denn? Was ist unser Ansatz? Wie ist der wahrscheinlichste Weg, dass das so schnell wie möglich passiert? Die Antwort könnte dann zum Beispiel lauten: Wir bringen dem Immunsystem des Körpers bei, welche Zellen gut und welche Zellen schlecht sind. Wenn das Startup dann noch etwas an der Formulierung arbeitet, kann daraus folgende Mission entstehen: Wir nutzen die Selbstheilungskräfte des Körpers, um schlechte Zellen zu identifizieren.
Viele Köch:innen verderben die Vision
Wenn Startups vor der Frage stehen, mit welchem Prozess genau sie ihre Vision entwickeln können, empfehle ich immer, das nicht mit möglichst vielen Menschen zu tun. Denn dann passiert Folgendes: Startups entwickeln ein generisches Vision Statement, weil sie versuchen, den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden. Stattdessen ist es viel sinnvoller, eine kleine, dafür aber möglichst die für das Startup repräsentative Gruppe zu bilden und in dieser Gruppe an der Vision zu arbeiten. Wie wichtig die Konkretheit der Vision ist, zeigt folgendes Szenario: Ein:e Entwickler:in bekommt zwei Jobangebote von zwei Startups mit gleichem Gehalt. Eines hat die Vision „Die Welt besser zu machen“, das andere „Krebs zu bekämpfen“. Welches Startup wird wohl das Rennen machen?
Eine wirklich gute Vision hat eine strategische Strahlkraft
Einer der unterschätzten Faktoren einer guten Vision ist ihre strategische Strahlkraft. Denn sie hat einen immensen Einfluss auf die strategische Ausrichtung von Startups. Sie hilft Startups dabei, das Problem besser zu verstehen. Das Paradoxe: Viele Startups und Unternehmen verstehen das Problem, für das sie eine Lösung entwickeln, nicht wirklich. Das klingt paradox, aber auch hierfür ein recht prominentes Beispiel: Ein Baumaschinenhersteller arbeitet seit Jahren daran, seine Bohrmaschinen zu verbessern, indem er an der Technik feilt und sie günstiger herstellt. Das Problem, das er in seinen Augen löst: Löcher bohren. Das ist aber nicht das eigentliche Problem. Denn ich als Nutzer:in möchte im Zweifel kein Loch. Beim Bohren entsteht Dreck, ich „zerstöre die Wand“ und den Rest der Zeit liegt die Bohrmaschine ungenutzt im Schrank. Das Loch ist also nur eine mäßig gute Lösung. Das eigentliche Problem ist doch vielmehr Folgendes: Ich als Nutzer:in möchte möglichst einfach etwas an der Wand montieren und die Bohrmaschine ist dafür nur ein Mittel zum Zweck. Wenn Tesa oder 3M ein Produkt nun aber entwickeln, mit dem es keine Bohrmaschine braucht, dann kann man von wirklicher Innovation sprechen. Weil sie das Problem wirklich verstanden haben.
Fragt euch als Startup deshalb: Was ist eure Bohrmaschine? Was ist euer Loch? Und welches Problem löst ihr wirklich? Wenn ihr diesen Fragen auf den Grund geht, entwickelt ihr nicht nur ein gutes Vision und Mission Statement, ihr stellt auch die strategisch richtigen Weichen für die Zukunft.
Über den Autor
Marco Alberti ist Gründer und Geschäftsführer von Murakamy, einer Beratung mit Fokus auf Visions-, Missions- und Strategieentwicklung sowie Objectives and Key Results (OKRs). In seiner mehr als 20-jährigen Berufslaufbahn hat er schon viele namhafte Unternehmen wie mymuesli, Daimler und Vaillant in strategischen Fragen und bei der Einführung von OKRs beraten. Gemeinsam mit Murakamy setzt er sich für eine Arbeitswelt ein, in der Menschen mehr Wirksamkeit erfahren und sich die richtigen Ziele setzen. Seine Mission: Erfolg neu definieren. Er ist Host des Murakamy Podcasts und Co-Host des Unternehmertum-Podcasts Jetzt mal Ehrlich.
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