Lasst uns die nächste Generation von europäischen Gründer:innen zum Erfolg führen
Das vergangene Jahr war hart, nicht nur für die Technologiebranche, sondern für die gesamte Wirtschaft. Die Inflation ist hartnäckig hoch, die Finanzierung von Startups hat sich verlangsamt, und die Energiekrise hält an. Das Wirtschaftsklima bleibt schwierig und schwer vorhersehbar.
Aber es ist auch nicht alles schlecht und düster. Viele europäische Startups haben sich schnell an die neue wirtschaftliche Realität angepasst. Unternehmen wie Celonis und FINN wachsen weiterhin schnell. Die meisten Gründer und Investoren blicken positiv in die Zukunft, und eine Untersuchung von Atomico hat ergeben, dass mehr als drei Viertel der europäischen Tech-Unternehmen genauso optimistisch, wenn nicht sogar optimistischer sind als zur gleichen Zeit des Vorjahres. Das liegt daran, dass die Fundamente der europäischen Technologiebranche so stark sind wie eh und je.
Und trotz Krise erschließen sich auch immer mehr etablierte Großunternehmen neue Umsatzströme über das Internet. Automobilfirmen wie Ford, Toyota und BMW erweitern die Markenerfahrung ihrer Kunden mit flexibel online zubuchbaren Services und Werkstattleistungen. Medienunternehmen wie das Handelsblatt, Le Monde oder FAZ bieten immer attraktivere Online-Abos und leicht zu navigierende Paywalls und werden so unabhängiger von Online-Werbeerlösen. Und selbst altehrwürdige B2B-Unternehmen wie Maersk erschließen sich mit neuen Online-Plattformen neue Umsätze.
Der wichtigste Wachstumstreiber für die Weltwirtschaft bleibt das Internet. Es schreibt die Globalisierung weiter fort, auch wenn diese im vergangenen Jahr von einigen vorschnell totgesagt wurde. Denn Grenzen sind im Internet praktisch nicht vorhanden und der Handel ist über viele Länder hinweg möglich. Von den europäischen Stripe-Nutzern haben mehr als 50 Prozent ein internationales Business, können also Bezahltransaktionen aus dem Ausland vorweisen. Das liegt deutlich über dem Durchschnitt der Gesamtwirtschaft und ist ein starkes Zeugnis dafür, dass die Online-Wirtschaft die Globalisierung vorantreibt.
Die europäische Startup-Landschaft startet stark ins Jahr 2023
Unser Kontinent strotzt nur so vor Talenten: In Europa gibt es fast 50 Prozent mehr Softwareentwicklerinnen und -entwickler als in den USA. Als Patrick und John Collison vor einem Jahrzehnt Stripe gründeten, gab es keinen europäischen Tech-Giganten, zu dem man aufschauen konnte. Heute gibt es buchstäblich hunderte von aufstrebenden Technologieunternehmen, von Wise bis Spotify.
Das europäische Risikokapital-Ökosystem ist inzwischen gut aufgestellt, mit Unternehmen wie Atomico, Seedcamp, Kima Ventures und vielen anderen, die ambitionierte europäische Gründerinnen und Gründer unterstützen. Und globale VC-Firmen wie Sequoia oder Andreessen Horowitz investieren in europäische Unternehmen, ohne dass diese dazu ins Silicon Valley ziehen müssten.
Auch die europäische Politik trägt ihren Teil zur Stärke des Standorts bei. PSD2 und das Passporting-System der EU haben Europa zum attraktivsten Ort der Welt dafür gemacht, ein Fintech zu gründen. Es ist daher auch kein Zufall, dass Europa Dutzende von Fintech-Einhörnern hervorgebracht hat. Und dank Kampagnen wie Not Optional beginnen die europäischen Länder, Aktienoptionen so zu besteuern, dass es für europäische Startups einfacher wird, ihre Mitarbeiter am Unternehmenserfolg zu beteiligen.
Herausforderungen europäischer Startups
Aber es bleibt auch noch viel zu tun. Regulatorik bleibt ein anhaltendes Problem. In einer kürzlich von Stripe durchgeführten Umfrage gaben zwei Drittel der befragten Startups an, dass sie viel schneller wachsen würden, wenn die Vorschriften für sie in Europa grenzüberschreitend einheitlich wären. Das Passporting, das bei den Finanzdienstleistungen so wichtig ist, könnte auf andere stark regulierte Branchen ausgeweitet werden. Die Einführung benutzerfreundlicher Compliance-Leitfäden für Startups und eine enge Feedbackschleife zwischen Gründerinnen und Gründern und politischen Entscheidungsträgern würde die Regulierung zugänglicher und förderlicher machen.
Klimatechnologien haben Hochkonjunktur
Die Klimakrise ist die größte Herausforderung unserer Zeit. Europa hat sich den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens zur Verringerung des Kohlenstoffausstoßes angeschlossen, aber die europäische Klimatechnologie-Industrie ist noch ziemlich klein. Startups wie Climeworks, 44.01 und Mission Zero haben neuartige Techniken zur Kohlenstoffentfernung entwickelt – sie saugen CO2 aus der Luft, streuen CO2-bindenden Dünger auf landwirtschaftliche Felder oder verwandeln CO2 in Gestein. Aber wir brauchen noch tausende weitere solcher Unternehmen, und zwar am besten in Europa. Im letzten Jahr flossen 65 Prozent der weltweiten Investitionen im Bereich der Klimatechnologie in US-amerikanische Startups. Für Europa ist hier also noch Luft nach oben. Warum kopieren wir nicht das Konzept, das im Fintech-Segment schon gut funktioniert hat, und geben den europäischen Startups im Bereich der Klimatechnologie durch flexiblere Regeln und regulatorische Innovationsräume weiteren Auftrieb?
Wirtschaftlicher Abschwung als Chance für die Technologieindustrie
Zeiten wie diese führen meistens zu allgemeiner Risikoscheu. Unternehmerinnen und Unternehmer halten sich mit der Gründung von Unternehmen zurück. VCs konzentrieren sich weniger auf langfristige Chancen und mehr auf kurzfristige Erlöse. Und auf der politischen Agenda sinkt die Priorität der Startup-Politik. Es wäre jedoch ein großer Fehler, die europäische Technologiebranche jetzt zu vernachlässigen. Google und Amazon haben es in der Dot-com-Krise der frühen 2000er bewiesen – Rezessionen sind die Brutstätte für neue Generationen von extrem erfolgreichen Unternehmen. Es besteht kein Zweifel daran, dass viele große Technologieunternehmen aus genau der Wirtschaftsflaute hervorgehen werden, die wir jetzt erleben.
Anstatt also darüber zu debattieren, ob dies das Ende einer goldenen Ära für die Tech-Branche ist, sollten wir lieber die nächste Generation von europäischen Gründern zum Erfolg führen.
Über den Autor
Marcos Raiser do Ó leitet die Geschäfte von Stripe in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie in der Region Zentral- und Osteuropa. Nach seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main folgten Anstellungen bei Sun Microsystems, IBM und Salesforce. Hiernach verantwortete er bei Microsoft das gesamte Geschäft mit Banken, Versicherungen und Finanzdienstleistern in Deutschland. Nach einer weiteren Station bei IPsoft wechselte Marcos Raiser do Ó im Februar 2020 zu Stripe.
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