Vytal – wenn große Wachstumsvisionen tatsächlich wahr werden (können)
Im September 2020 waren die Vytal-Gründer in “Die Höhle der Löwen” (DHDL) zu sehen. Nach einer harten und leidenschaftlichen Verhandlung gab es einen Deal mit Georg Kofler für das Startup, das ein System mit wiederverwendbaren Behältern für die Gastronomie anbietet. Seitdem tauchte Vytal zweimal in Wiederbesuchen bei DHDL auf (und in so einigen Artikel von deutsche-startups.de), es schien also vorwärts zu gehen, und spätestens durch Vytals große Marketing Kampagne sollte das Unternehmen auch Nicht-DHDL-Zuschauern bekannt sein. Wird das das nächste deutsche Vorzeige-Unternehmen?
Bei ihrem ersten DHDL-Auftritt blieb vor allem die Verhandlung in Erinnerung. Georg Kofler wollte eigentlich wesentlich mehr Anteile als die angebotenen 10% heraushandeln, zunächst noch im Doppel-Gespann gemeinsam mit Nico Rosberg. Letzteren verloren die Gründer dann bei ihrem Gegenangebot von 12,5% schnell und einigten sich am Ende alleine mit Georg Kofler – nach einem leidenschaftlichen Plädoyer an ihn, das wohl vielen in Erinnerung geblieben sein dürfte. Das Hauptargument: man habe ein hoch-skalierbares Modell, und wollte damit auch stark expandieren. Dafür würde man noch wesentlich mehr Geld brauchen und damit noch einige weitere Investitionsrunden, jetzt zu viele Anteile abzugeben könnte also nach hinten losgehen. Der Löwe schlug schließlich ein, und der Deal kam schon wenige Monate später wirklich zu Stande.
Nico Rosberg hingegen dürfte sich heute ärgern, denn nach allen Anzeichen ist das große Wachstum tatsächlich eingetreten und Georg Kofler sollte hoch zufrieden mit seinem Investment sein. Schon im Mai 2021 wurde die Marke von 1 Million eingesparten Einweg-Verpackungen geknackt, doch das war noch längst nicht das Ende. In 2022 gab es eine Wachstumsrunde in Höhe von 10 Millionen Euro für das GreenTech-Startup, zu dieser Zeit hatte man schon stolze 3000 Partner, die das Vytal-System nutzten.
Mit einem Franchise-System zum internationalen Player.
Deutschland allein wurde dann bald schon zu eng, und man nahm sich weitere Länder vor. Auf der Website sieht man vor allem Frankreich und Österreich, doch man hat bereits Franchise-Partner in vielen weiteren Ländern von Irland bis Mexiko. So kann man schneller expandieren, als würde man in jedem Land eigene operative Einheiten aufbauen.
Klar, Franchise wird so oft bejubelt wie beschimpft, für manche ist es – gerade im Bereich Systemgastronomie – oft das einzig sinnvolle Geschäftsmodell. Andere sehen zu viel Machtmissbrauch bei den Franchise-Gebern, zu wenig Entscheidungsbefugnis bei den -Nehmern. Doch wie genau funktioniert es?
Wenn man von Franchise spricht, meint man meistens ein Geschäftsmodell, bei dem der sogenannte Franchise-Geber eine – meist schon bereits etablierte – Marke ist. Das kann eine Restaurant-Kette sein, oder eben ein Rückgabesystem für Essensbehälter. Der Franchise-Nehmer übernimmt dann das gesamte Branding, kann aber auch oft zusätzlich bereits bestehende Infrastruktur wie Lieferantennetzwerke nutzen – oder auch Digitales wie in Vytals Fall eine zugehörige App und die IT-Systeme zum operativen Betrieb des Mehrwegsystems. Im Gegenzug beteiligt er den Franchise-Geber mit einem gewissen Prozentsatz am Umsatz.
Besonders Fast-Food-Ketten waren in der Vergangenheit häufig als Franchise-Geber in die Kritik geraten, weil sie ihre Franchise-Nehmer zwangen, teure Geräte abzukaufen und sich diese dadurch bis in ferne Zukunft verschulden mussten. Andere machten ihren Franchise-Nehmer so viele Vorschriften, dass sie kaum noch eigene, unternehmerische Entscheidungen treffen konnten und sich eher wie Angestellte fühlten. Denn ein Franchise-Nehmer ist eben eigentlich auch ein Franchise-UNTERNEHMER, der für das Wachstum seines Franchise-Teils selbst verantwortlich ist und so eben auch fast alle operativen Dinge selbst bestimmen können sollte.
Doch gerade für junge Unternehmen, die einen starken Start in ihrem Heimatland hatten, aber operativ wie finanziell ein internationales Wachstum nicht so gut stemmen können, obwohl die Nachfrage dafür da wäre, bietet das Franchise-Modell eine gute Möglichkeit. So kann man sich ambitionierte, vertriebsstarke Partner als Franchise-Nehmer vor Ort suchen, die gerne mit einem fertigen Konzept arbeiten. Die Marke kann so international wesentlich schneller bekannt werden, als man das mit eigenen Mitteln erreichen könnte, man könnte also Wettbewerbern zuvorkommen, die sonst die anderen Märkte schon besetzen würden. Und irgendwann summieren sich so auch die “kleinen” Prozente der Beteiligung an den ganzen nationalen Franchises zu einem hübschen Umsatz auf, für den man sonst viel mehr eigene Anstrengungen hätte auf sich nehmen müssen.
Vytal hat zudem noch gezeigt, dass es gemeinsam mit seinen Franchisepartnern auch durch eine breite geographische Abdeckung attraktiv wird als Partner für globale Restaurantketten und Lieferdienste.
In bestimmten Situationen, die international schnelles und starkes Wachstum versprechen, kann ein Franchise-System also sehr viel Sinn machen. Doch warum ist sich gerade Vytal so sicher, in einer solchen Situation zu sein?
Der Gesetzgeber als Wachstumshelfer
Manchmal spielen Umstände mit hinein, die man als UnternehmerIn nun wirklich nicht beeinflussen kann, die aber mehr als willkommen sind. So kann der Gesetzgeber erheblichen Einfluss auf das Wachstum eines Startups haben, wenn man zur richtigen Zeit bereit steht. In Vytals Fall scheint dies voll zuzutreffen, denn ab 2023 sind Caterer, Lieferdienste und Restaurants verpflichtet, neben Einweg-Verpackungen auch Mehrweg-Behälter anzubieten. Deutschland ist hier ausnahmsweise mal eines der ersten Länder, das damit eine EU-Richtlinie umsetzt – aber auch anderswo gibt es hierzu schon Pläne.
Natürlich kann dies gerade für kleinere Betriebe eine zusätzlich Belastung darstellen, daher gibt es auch Ausnahmen etwa für kleine Imbisse. Doch generell gilt die Pflicht zum Angebot einer Mehrweg-Verpackung – und ein Unternehmen wie Vytal wird für viele Unternehmen daher eine mehr als willkommene Lösung sein, kann man mit deren System doch praktisch die komplette Umsetzung des Gesetzes outsourcen. Schon in 2022 wurde daher mit Hilfe der letzten millionenschweren Investmentrunde ein neues Logistik-Zentrum eingerichtet, um für den Ansturm gewappnet zu sein.
Vor kurzem lief dann auch noch ein Crowdinvesting, das für weitere Bekanntheit, aber natürlich auch Liquidität sorgen sollte. Mit über 2,9 Millionen Euro von mehr als 1700 Investorinnen plus rund 250.000 Euro auf der Warteliste lässt sich dies wohl als ein weiterer großer Erfolg verbuchen.
Das Kölner Unternehmen ist also anscheinend wirklich auf dem Weg, das zu werden, wonach so viele immer schreien: ein neues deutsches Vorzeige-Unternehmen, ein Marktführer in einem neuen, zukunftsträchtigen Markt, das ganz “nebenbei” auch noch dafür sorgt, dass unzählige Tonnen von Plastikmüll eingespart werden. Und bevor dann doch wieder der berühmt-berüchtigte deutsche Neid alles herunter redet: vielleicht sollte man sich dann doch einmal klar machen, was es für unseren Planeten bedeuten könnte, wenn ein solches System global wird. Wenn die große Vision von Vytal wahr werden sollte und wir demnächst in Kapstadt am Flughafen Essen in einem Vytal-Behälter einpacken, den wir dann in Berlin leer wieder abgeben können. Es wird ohnehin Zeit, das Maschinen-und-Motoren-Image loszuwerden.
Tipp: Alles über die Vox-Gründershow gibt es in unserer großen DHDL-Rubrik.
Durchstarten in Köln – #Koelnbusiness
In unserem Themenschwerpunkt Köln werfen wir einen Blick auf das Startup-Ökosystem der Rheinmetropole. Wie sind dort die Voraussetzungen für Gründer:innen, wie sieht es mit Investitionen aus und welche Startups machen von sich reden? Mehr als 550 Startups haben Köln mittlerweile zu ihrer Basis gemacht. Mit zahlreichen potenziellen Investoren, Coworking-Spaces, Messen und Netzwerkevents bietet Köln ein spannendes Umfeld für junge Unternehmen. Diese Rubrik wird unterstützt von der KölnBusiness Wirtschaftsförderung. #Koelnbusiness auf LinkedIn, Facebook und Instagram.