Von Alexander
Donnerstag, 29. Dezember 2022

So baut man ein Startup ohne VC-Gelder auf

Wagniskapital kann zu einem späteren Zeitpunkt viel spannender sein, als direkt zu Beginn. Wir haben unser Unternehmen gebootstrappt bis wir 120 Mitarbeiter waren über 18 Millionen Euro in ARR gemacht haben. Ein Gastbeitrag von Chris Erler, Peter Hidden und Philipp Ströhemann.

Viele Gründer:innen gründen mit der Einstellung, VC Gelder für ihr Startup einzusammeln. Es steht meist gar nicht zur Option, zu gründen, ohne direkt ins Fundraising zu gehen. Dabei ziehen die meisten Gründer:innen nicht in Betracht, dass es auch möglich ist, eine profitable Organisation aufzubauen, ohne 20 Millionen Euro von einem Fond zu bekommen.

Tatsächlich kann Wagniskapital zu einem späteren Zeitpunkt für Gründer:innen viel spannender sein, als direkt zu Beginn. Wir haben unser Unternehmen gebootstrappt bis wir 120 Mitarbeiter waren über 18 Millionen Euro in ARR gemacht haben. Und erst jetzt, an diesem Punkt haben wir uns dazu entschieden, einen Fond/PE als Partner mit an Board zu holen, um unser Geschäft zu internationalisieren. Diese Entscheidung hat uns auch einige Vorteile gebracht.

Der Anfang: Ich war 2013 in Kopenhagen. Ich war wahrscheinlich der einzige deutschsprachige Ex-Googler in der Stadt und dänische Startups haben mich auf LinkedIn gefunden und angeschrieben, ob ich deutschsprachige Sales, Teams, Skripte, aber auch CRM Systeme aufsetzen kann und gleichzeitig auch Google AdWords und Advertising für diese Firmen übernehmen könnte.

2018 haben wir gegründet. Es klingt unspektakulär, aber die Idee ist zufällig entstanden: Wir hatten Anfragen von Bekannten aus Dänemark, ob wir sie nicht beim Aufbau ihrer Sales Aktivitäten in Deutschland unterstützen könnten. Wir hatten alle vorher bereits Projekte nebenbei laufen gehabt, die eigentlich stets aus der Motivation entstanden sind, anderen beim Lösen ihrer Herausforderungen zu helfen.

Christoph, mein Co-Founder und ich waren damals eigentlich noch Vollzeit angestellt, aber das hielt uns nicht davon ab, spannende Produkte parallel aufzubauen und Projekte anzuschieben.

Und ich denke, dass das heute nicht ungewöhnlich ist, damals war es das noch: begonnen hat alles auf LinkedIn. 

Und so begannen wir, immer mehr Sales Units auf dem Service Level über Consulting aufzubauen und probierten, immer stärker aus, welche Prozesse skalierbar gemacht und automatisiert werden könnten. 

Unsere Ideen fruchteten und bevor wir uns versahen, hatten wir neben unseren Festanstellungen gemeinsam ein laufendes Geschäft aufgebaut. Unsere Festanstellungen loszulassen, fiel uns dann sehr leicht, denn wir waren nie die geborenen Angestellten gewesen.  

Dennoch muss man sagen: Es war nicht immer einfach, die ersten zwei Jahre ComX aufzubauen.

Gleichzeitig waren wir aber vom ersten Kunden an profitabel, was uns stets den nötigen Freiraum verschaffte, gute Entscheidungen zu treffen, voranzukommen und vor allem auch unabhängig zu sein. Wir haben den Gewinn direkt in die Einstellung unserer ersten Mitarbeiter  gesteckt und haben uns 2 Jahre lang dafür keine Gehälter ausgezahlt. 

Finanzierungsfragen kamen so bei uns von Beginn nicht auf. Wir waren unabhängig und profitabel, bauten Dank der engen Zusammenarbeit mit unseren Kunden ein stark nachgefragtes Produkt auf und hatten unseren PMF (Product Market Fit) schnell gefunden. 

Nach zwei Jahren haben wir dann doch zum ersten Mal an VC Gelder gedacht, um unser Wachstum weiter zu beschleunigen. Allerdings hatten wir da schon so viel Cashflow, dass niemals Cash allein relevant für uns war. Cash allein hätte uns nicht weitergeholfen, wir brauchten Partner, die uns als Scale Up auf das nächste Level vorbereiten. 

VCs geben abgesehen von Geld vor allem Zugang zu ihrem Netzwerk, was idealerweise genau die Geschäftskontakte sind, die Ventures benötigen, um ihr Geschäft aufzubauen und weiter wachsen zu lassen. 

Wir haben selbst genetzwerkt, uns mit anderen Sales Organisation ausgetauscht, soviel wir zeitlich konnten. Das heißt, uns war immer wichtig, mit Leuten zu sprechen, die wirklich selbst unternehmerisch aktiv waren und die selbst ein Unternehmen gegründet oder die Probleme gelöst haben, vor denen wir auch standen.  

Heute: Heute sind wir Marktführer in DACH für B2B Sales Enablement, was wir ohne unser Team nie geschafft hätten. Es stellt sich die Frage: What’s next? Wir wissen, dass unsere Lösung es mit Hubspot und dem LinkedIn Sales Navigator aufnehmen kann. Dazu müssten wir den nächsten Schritt auf die internationale Bühne schaffen und das nicht irgendwie, denn wir haben sicherlich nicht viele Schüsse frei, um uns zu beweisen. 

Wir haben alle noch nie ein Unternehmen internationalisiert, und gleichzeitig war uns nicht klar, wie das grundsätzlich abläuft, denn das Kerngeschäft läuft ja währenddessen weiter, insofern fragten wir uns: Wie schaffen wir das, ohne an Geschwindigkeit zu verlieren? Würde nun ein Einstieg eines Investors bei uns Sinn ergeben? 

Je länger wir darüber nachdachten, desto stärker waren wir davon überzeugt, dass jetzt der richtige Moment dafür ist. Um international mithalten zu können, benötigen wir branchenspezifisches Know-how. Das Produkt kann sich ebenfalls noch weiterentwickeln und so wäre es gut, einen Partner an der Seite zu haben, der mit uns auf Augenhöhe in die Diskussion gehen kann.  

Über den Autor
Chris Erler, Peter Hidden und Philipp Ströhemann sind Gründer von ComX. Erler ist für Customer Success und Produkt verantwortlich. Dabei hilft ihm die Erfahrung bei General Electric und Svarovski. Hidden steht bei ComX für das Thema Tech and Engineering und steuert das Team in Südafrika. Ströhemann hat unter anderem bei Accenture Erfahrungen gesammelt. Phil verantwortet das Sales und Marketing. Er bringt hier all seine Erfahrungen von seiner Zeit bei Google in Dublin ein.

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Foto (oben): Shutterstock