#Gastbeitrag

Identity-driven growth – Ohne Marke keine Zukunft

Die Zeiten, in denen es für die Start-up Szene stetig bergauf ging, sind vorbei. In diesem von starken Unsicherheiten und Risiken geprägten Zeiten, sind Halt und Orientierung für junge Unternehmen so wichtig wie selten zuvor. Ein Gastbeitrag von Nikolas Mausolff und Marc Sasserath.
Identity-driven growth – Ohne Marke keine Zukunft
Freitag, 23. Dezember 2022VonTeam

Inflation, die Zinswende, ein gedämpftes Konsumklima, „the great Resignation“ sowie eine Vielzahl geopolitischer Spannungen stellen die ganze Wirtschaft, aber auch ganz besonders junge Unternehmen aktuell vor ungeahnte Herausforderungen. Neben einer erschwerten Suche nach frischem (und heute auch wesentlich teurerem) Kapital zwingen die verschärften makroökonomischen Bedingungen Start-ups zu Massenentlassungen oder gar in die Insolvenz. Die Zeiten, in denen es für die Start-up Szene stetig bergauf ging, sind vorbei. Dies zeigen auch die Ergebnisse aus dem Deutschen Startup Monitor (DSM): Erwarteten 2021 noch  72% aller befragten Start-ups eine positive Entwicklung der aktuellen Geschäftslage, sind es in diesem Jahr nur noch 54%. In diesem von starken Unsicherheiten und Risiken geprägten Zeiten, sind Halt und Orientierung für junge Unternehmen so wichtig wie selten zuvor.

Aber wie kann man Halt und Orientierung schaffen, ohne von Komplexität erschlagen zu werden? Eigentlich geht es um ein fokussiertes, klares und explizites Verständnis der eigenen Identität. Diese hilft als Leitstern eine Richtung vorzugeben, indem sie verdichtet und kohärent Halt und Orientierung für alle relevanten internen und externen Stakeholder-Gruppen schafft. Nichtsdestotrotz fehlt es vielen jungen Unternehmen an einer klaren Definition dieser richtungsweisenden Unternehmensidentität, die die faktische und emotionale Grundlage für eine nützliche, interessante, einzigartige und widerspruchsfreie Experience bildet.

Definition & Komponenten von Markenidentität

Im Kern definiert die Unternehmensidentität all das, was normativ den Rahmen für alle unternehmensstrategischen, kulturellen und strukturellen Aktivitäten einer Organisation bildet. Da die Identität von Unternehmen, ebenso wie die des Menschen, sehr komplex und metaphysisch ist, eignet sich das Konstrukt der Marke optimal, um diese zu erfassen, strategisch zu entwickeln und darauf aufbauend erlebbar zu machen. Die Markenidentität setzt sich aus vier  Dimensionen zusammen, die mit Hilfe der Brand-ID Plattform bestimmt werden. 

Leistungen

“Leistungen” bestimmen, was ein Unternehmen leistungsfaktisch ausmacht und welchen faktischen Mehrwert eine Organisation all ihren Stakeholdern bietet. 

Werte und Persönlichkeit

“Persönlichkeit” definiert die Werte, die eine Organisation verfolgt und die dementsprechend die Unternehmenskultur prägen. Sie gibt außerdem vor, wie sich die Organisation in Beziehungen mit all ihren Stakeholdern verhalten sollte. 

Manifestationen

“Manifestationen” beschreiben einzelne Elemente, die einem Unternehmen Gestalt geben. Neben Produkten sind auch all die Signale einer Marke gemeint, denen Stakeholder implizit und explizit begegnen. Dabei kann es sich z.B. um architektonische Elemente handeln, wie das Apple-Headquarter aber auch um spezifische Farben wie Magenta im Kontext der Telekom.

Markenidee

Mithilfe der Brand-ID Plattform lassen sich die oben aufgeführten Dimensionen erarbeiten und verdichten sowie die konkrete die Idee einer Marke bestimmen. Die „Markenidee“ fasst in absoluter Reduktion zusammen, was eine Organisation ausmacht und ist somit die höchste Verdichtungsform. Sie steht in enger Verbindung mit der Vision, dem selbstauferlegten Antrieb oder Purpose. Diesen hat Google z.B. sehr klar definiert – das Wissen der Welt zu organisieren und für alle zugänglich zu machen.

Relevanz von Markenidentität für junge Unternehmen 

Durch die Rolle als richtungsweisender Leitstern definiert die Markenidentität den strategischen Kurs junger Unternehmen und mininmiert auf diese Weise Unsicherheiten. Klarheit und Fokus unterstützen junge Unternehmen dabei, sich in jeder Wachstumsphase gegenüber allen internen und externen Stakeholdern nützlich, interessant, einzigartig und widerspruchsfrei auszurichten. Abhängig von der jeweiligen Wachstumsphase verändert sich allerdings der jeweilige Bezug und Stakeholder-Fokus. Da für einen möglichen Exit eine klare, entwickelte und durchgesetzte Markenidentität unumgänglich ist, sollte die Definition dieser bereits in den früheren Phasen stattfinden.

Frühphase

In der initialen Phase steht immer die zentrale Frage nach dem leistungsfaktischen Angebot, wobei die Persönlichkeit häufig vernachlässigt wird. Diese bietet jedoch eine zusätzliche noch emotionalere, weniger imitierbare und somit auch nachhaltigere Differenzierungsmöglichkeit. Trotz eines sehr ähnlichen Leistungsversprechen unterscheiden sich bspw. Gorillas und Flink seit der initialen Phase stark in ihren weichen Markenwerten. Während Gorillas sehr männlich und performancegetrieben auftritt, agiert Flink weicher und weiblicher. Dies manifestiert sich ebenfalls in den Corporate Colours beider Unternehmen (rosa/hellblau vs. schwarz/weiß).

Als klarer Leitstern gibt die Markenidentität zudem eine klare Richtung für alle zukünftigen Maßnahmen eines jungen Unternehmens an und unterstützt Gründer:innen von Beginn an dabei, nicht zu viele Initiativen gleichzeitig anzustoßen sowie stets einen strategischen Fokus zu bewahren.

Expansionsphase

Je stärker ein junges Unternehmen wächst, desto wichtiger wird die Definition einer klaren Markenidentität. Im Kontext der Skalierung unterstützt dies zum einen enorm dabei strategisch sinnvolle Partner:innen und Investor:innen auszuwählen, zum anderen aber auch diese im Pitch zu überzeugen. 

Auch im Rahmen des Teamaufbaus und People Management ist eine klar definierte Markenidentität von großer Bedeutung, indem sie Werte und die Persönlichkeit explizit macht. Funktioniert ein blindes Verständnis von Unternehmenskultur noch im Kernteam, wird der Transfer von impliziten Unternehmenswerten später ohne die Existenz einer expliziten Markenidentität unmöglich. 

Da auch die Gründer:innenpersönlichkeit zudem häufig als starke Manifestation gilt, sollten Gründer:innen gezielt eine starke Personal Brand aufbauen. Neben Philipp Westermeyer, der mit OMR eine Plattform rund um das Thema Onlinemarketing geschaffen hat und diese gleichbedeutend als Person repräsentiert, ist Jennifer Baum-Minkus von gitti ein Paradebeispiel hierfür. Diese agiert in perfekter Symbiose mit der Marke und verkörpert perfekt das, was die Marke gitti auszeichnet – „Conscious Beauty“. 

7 goldene Fragen für Gründer:innen

Grundsätzlich liegt der Fokus beim Aufbau starker Marken immer darin, Orientierung und Klarheit zu erzeugen. Trotz eines immer gleichen Markenkerns muss sich die Identität, ähnlich wie die des Menschen, jedoch stetig weiterentwickeln. 

Um immer ein kohärentes und widerspruchsfreies Erleben zu allen relevanten Bezugsgruppen zu ermöglichen, sollten die folgenden Fragen klar und kompakt beantwortet werden können. 

Die Antworten auf diese Fragen wirken einfach. Die Schwierigkeit liegt allerdings darin, Fokus zu finden und zu erhalten sowie Komplexität zu minimieren.

Fazit

Wir glauben an die Kraft der Marke. Sie gibt Gründer:innen und Unternehmer:innen Halt und Orientierung über alle Phasen des Wachstums und der Unternehmensentwicklung. Sie macht explizit, was bei einem kleinen Team aus Gründer:innen noch implizit funktioniert.
Die Marke sorgt dafür, dass mit allen relevanten internen und externen Stakeholdern starke Beziehungen aufgebaut werden können, da durch sie definiert ist, was die Unternehmensidee relevant, interessant und einzigartig macht und widerspruchsfrei erlebbar wird. Sie sorgt für langfristig für Sympathie, Verbundenheit und Vertrauen und damit das Kapital für eine gute Zukunft.

Wir nennen es Identity-driven Growth.

Über die Autoren
Nikolas Mausolff ist selbst Gründer (TIO TIO Social Sports), Senior Brand Strategist und Portfolio-Manager bei der Sasserath 1871. Nach 6 Jahren in beratender Funktion für Marken wie REWE, Land Rover, den VfL Wolfsburg  und Porsche und einem Masterstudium an der University of Southern Denmark und der Stockholm School of Entrepreneurship mit Schwerpunkt „Innovation Management & Business Development“ kümmert sich Nikolas um die Betreuung und Weiterentwicklung des Portfolios von Sasserath 1871 kümmern.

Marc Sasserath ist Unternehmer, Identitätsstratege und klinischer Organisationspsychologe. Nach Stationen als Chefstratege u.a. bei BBDO in Düsseldorf und London, Gründer der Strategieberatung Publicis Sasserath und CSO Publicis Group. Heute ist Marc CEO von Sasserath 1871 und der Strategieberatung sasserath+ mit Schwesterunternehmen in Berlin, London, Zürich und Frankfurt. Der INSEAD und HEC-Absolvent ist seit 2016 Affiliate Professor für Entrepreneurship und Innovation an der ESCP Berlin/Paris.

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Foto (oben): Shutterstock