#Interview

“So richtig schlimme Fehler haben wir glücklicherweise noch nicht gemacht”

Gründeralltag - gibt es das überhaupt? "Meine Philosophie ist es, aktiv Neuerungen und Entwicklungen voranzutreiben und den Wow-Effekt des Neuen für sich und das Unternehmen zu nutzen", erzählt Moolito-Gründer Niklas Röck.
“So richtig schlimme Fehler haben wir glücklicherweise noch nicht gemacht”
Freitag, 9. Dezember 2022VonTeam

Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Dieses Mal antwortet Niklas Röck, der zusammen mit Agnes Berreth und Tino Engelmann Moolito gegründet hat. Das Münchener Startup setzt auf hypoallergenes und glutenfreies Hundefutter aus Insekten.

Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Als Hundevater ist mein Morgen in aller Regel davon abhängig, wann der Hund seinen ersten Spaziergang braucht. Das kann schon mal um fünf, an anderen Tagen auch erst um sieben Uhr sein. Grundsätzlich versuche ich meinen Morgen sehr bewusst zu gestalten und immer mit voller Aufmerksamkeit bei der Sache zu sein, die ich gerade mache. Was aber niemals fehlen darf, und das mache ich meistens nach dem Spaziergang mit Mo (mein Hund), ist ein Morgenkaffee. Gerne auch ohne Koffein, denn mir geht es mehr um das Ritual und die Zeit für mich und meine Freundin, als um die Wirkung. Anschließend strukturiere ich meinen Tag, priorisiere meine Tasks und nehme mir dann ca. 60 Minuten Fokus Zeit für “eat that frog”, also erledige direkt meinen anstrengendsten Task. Irgendwie gibt mir das richtig was, wenn ich das am Morgen direkt abhaken kann.

Wie schaltest du nach der Arbeit ab?
Beim Sport, der abendlichen Hunderunde mit Mo oder – und das mag paradox klingen – indem ich edukative Inhalte konsumiere, die mich meine (unternehmerischen) Handlungen kritisch beleuchten lassen. Ich liebe es, am Puls der Zeit zu sein und bin ihr auch gerne schon etwas voraus. Ich denke, als Unternehmen und auch als Verantwortlicher für Akquisethemen ist es immer ratsam, nicht reaktiv auf Entwicklungen zu schauen und dann einfach das zu machen, was bei anderen funktioniert. Meine Philosophie ist es, aktiv Neuerungen und Entwicklungen voranzutreiben und den Wow-Effekt des Neuen für sich und das Unternehmen zu nutzen. Solche gedanklichen Deep-Dives und das kreative Spinnen neuer Ideen hilft mir tatsächlich sehr dabei, vom Arbeitsalltag abzuschalten und inspiriert und voller Tatendrang am nächsten Tag wieder rein zu starten.

Was über das Gründer:innen-Dasein hättest du gerne vor der Gründung gewusst?
Haha, so ziemlich alles. Ich bin eigentlich examinierter Lehrer. Mit den Aufgaben und Hürden einer Gründung hatte ich mich nie wirklich beschäftigt. Bei meiner ersten Gründung habe ich so ziemlich jeden Fehler gemacht, den man machen kann und sicher auch einiges an Lehrgeld dafür gezahlt. Eine Sache, die ich aber definitiv gerne gewusst hätte ist, dass das Gründen einen immensen Einfluss auf deine Psyche hat. Und dass man häufig, und teils auch sehr plötzlich, in Situationen kommt, in denen man sich mit sehr existenziellen Fragen beschäftigen muss. Darauf war ich nicht vorbereitet. Ich weiß auch gar nicht, ob man darauf überhaupt vorbereitet sein kann. Plötzliche Verantwortung für Mitarbeiter:innen in guten wie auch schlechten Zeiten, das ständige Gefühl, dass irgendwann ein Brief reinflattert, der unvorhergesehenen Einfluss auf die Unternehmensfinanzen hat. Aber auch die immerwährende Frage, ist mein Produkt der Problemlöser, den ich bei der Entwicklung im Sinn hatte? Es gibt einen Markt, aber nimmt der das Produkt auch an? Das sind Situationen und resultierende Entscheidungen, bei denen du wirklich gefestigt sein musst.

Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstet?
Bei Moolito waren es im Grunde zwei große Hürden, die wir als “NoName” Company nehmen mussten. Das eine ist der Weg von der Idee zum Produkt, denn anfangs will dich kein Hersteller und auch kein Zulieferer haben. Kleine, fast unbedeutende Abnahmemengen, Sonderwünsche im Packaging, um sich abzuheben und die eigenen idealistischen Konzepte umzusetzen. Diese Arbeit wollen nur die wenigsten machen. Zum Glück haben wir da tolle Partner:innen und ich darf mich glücklich schätzen, zwei tolle Mitgründer an meiner Seite zu wissen, sodass wir das alles letztlich absolut genial hinbekommen haben. Die zweite Hürde ist vielleicht etwas nieschenspezifischer. Die Art zu Füttern ist so ziemlich das emotionalste Thema rund um den Hund. Hundeeltern zu überzeugen, dass man sich nicht mit okayem Futter zufrieden geben muss, weil es “noch das beste ist, dass sie gefunden haben”, bedarf einer sehr intensiven und und wissenschaftlich basierten Aufklärung. Wie schwer es dann doch ist, Bedenken auszuräumen, hätte, glaube ich, niemand aus dem Team gedacht. Dazu kommt, dass wir die gesellschaftlich tief verwurzelte Meinung, dass der Vierbeiner unbedingt Fleisch braucht, challengen indem wir Insekten – die ja grundsätzlich erstmal als eklig wahrgenommen werden – als einzige wirklich nachhaltige und langfristig verwendbare tierische Proteinquelle kommunizieren. Nach der Ratio gibt es kein Argument gegen Insekten. Aber sobald Emotion und Subjektion den Großteil der Entscheidung ausmachen, wird es super, super schwer. Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass unsere Kund:innen oft viel loyaler sind, als es bei vielen weniger emotional behafteten Produkten und Firmen der Fall ist.

Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
So richtig schlimme Fehler haben wir glücklicherweise noch nicht gemacht. Ich denke ein Fehler, den man tunlichst vermeiden sollte (was wir glücklicherweise geschafft haben), ist die Verantwortlichkeiten innerhalb des Gründer:innen Teams nicht klar zu verteilen. Es kommt dann schonmal vor, dass man plötzlich etwas macht, in dem ein:e Co-Fouder:in vielleicht besser gewesen wäre. Ein kleiner Fehler, den wir wiederum gemacht haben: Wir hatten grob eine Ahnung von den Zielkosten für unsere Produktproduktion, den wir aus Gesprächen mit Menschen aus der Branche in unserem Finanzplan kalkuliert hatten. Die Rohstoffpreisentwicklung und damit auch das Mehr an Kapital, das wir initial benötigt haben, hatten wir in keinem Backup Modell vorhergesehen, das war kurz ein kleiner Hustle. Das würde ich heute anders machen und mir mehrere Szenarien im Vorfeld konstruieren.

Wie findet man die passenden Mitarbeiter für sein Startup?
Für uns sind drei Dinge besonders wichtig im Hiring. Das erste ist, dass wir als Company einen echten Purpose haben, den potenzielle Mitarbeitende teilen und der ein “wir schaffen das nur zusammen” Gefühl schafft, dem sich viele gerne anschließen. Der zweite ist, dass es keine örtliche Präsenznotwendigkeit gibt, um bei Moolito zu arbeiten. Wir können unsere Stellen theoretisch im ganzen DACH Raum ausschreiben oder sogar noch breiter. Der dritte Punkt ist, dass wir, durch eine große Erfahrung im Gründer:innen Team die Möglichkeit bieten, dass man extrem viel über D2C als Geschäftsmodell, Branding und Love-Brand oder auch einen proaktiven zukunftsorientierten Marketing Mix lernen kann. Wir kommunizieren das sehr offen im Bewerbungsprozess und sehen uns auch absolut als Unternehmen, dass in die Entwicklung von Mitarbeitenden aktiv investiert, eine offene Fehlerkultur pflegt und früh Ownership für verantwortungsvolle Bereiche und Aufgaben überträgt. Nur so können wir das schnelle Wachstum überhaupt realisieren. Das “Wo” ist auch immer eine spannende Frage. Hier funktionieren Netzwerk und LinkedIn für uns momentan am besten.

Welchen Tipp hast Du für andere Gründer:innen?
Hier würde ich gerne nochmal den Punkt aus einer der obigen Antworten aufgreifen. Reagier nicht nur und mach das, was scheinbar für andere funktioniert. Denn dein Startup und dein Produkt sind individuell. Sei proaktiv, entwickle Ideen, Konzepte und Strategien, die disruptiver sind und die dir einen echten competitive edge geben. Das Prinzip nur Bewährtes anzuwenden, funktioniert sicher bis zu einem gewissen Grad auch. Aber echte Innovation für dein Produkt oder deine Brand entwickelst du dann, wenn du bewusst Grenzen in Frage stellst, neue Wege gehst und ja, dir vielleicht auch mal ein bisschen die Finger verbrennst. Letztlich führt aber sowohl das Scheitern als auch der Erfolg etwas zu schaffen, was sonst keiner macht, dazu, dass du dich am intensivsten mit deinem Produkt, dem Markt und deinem Startup auseinandersetzt.

Ohne welches externes Tool würde dein Startup quasi nicht mehr existieren?
Ich würde an der Stelle sehr gerne ein fancy Tool nennen, dass wir nutzen und dass uns dabei hilft erfolgreich zu sein. Unser Tool-Stack ist aber, finde ich, ziemlich klassisch. Beim Nachdenken fällt mir als erstes aber Notion ein. Wer sich intensiv mit dem Tool auseinandersetzt, der wird von Minute zu Minute begeisterter sein. Je tiefer man nämlich einsteigt, desto bewusster wird einem, dass Notion wirklich das one-for-all Tool für Startups sein kann. Ob Mitarbeiter-Onboardings, Prozessstrukturierung, Projektmanagement, Freigaben oder interaktive Zusammenarbeit. Notion kann wirklich alles, was die Corporate-Komplettlösungen auch können. Und es gibt Startup Credits, habe ich letztens entdeckt. Für die interne Kommunikation und auch für Abstimmungen mit unseren externen Dienstleistern nutzen wir Slack. Wir versuchen weitestgehend auf E-Mails zu verzichten und lieben den Dialogcharakter, den das Tool bietet.

Wie sorgt ihr bei eurem Team für gute Stimmung?
Da kann es eigentlich nur eine Antwort geben, wenn man in unserer Nische arbeitet: Unsere Hunde sorgen für absolut gute Stimmung. Wir sind allerdings als Team sehr verstreut, weil wir absolut remote first arbeiten. Um in diesem Setting das Wir-Gefühl und den Teamgeist zu stärken, treffen wir uns sehr regelmäßig mit dem gesamten Team. Wobei das seit neuestem etwas schwieriger wird, denn eine Mitarbeitende aus dem Team ist vor kurzem nach Hawaii gezogen und arbeitet von dort aus.

Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Ich weiß nicht, ob “wild” es wirklich trifft. Aber so der besonderste Moment war sicherlich, als wir das erste Mal unser fertiges Produkt in den Händen hatten. Da ist man schon echt ein bisschen stolz und kann es auch nicht so recht glauben, dass das nun das eigene Produkt ist. Wild war auf jeden Fall, dass wir unsere ersten 2500 Futterproben, die man bei uns bestellen konnte, über meinen 34. Geburtstag hinweg von Hand kommissioniert haben. Da haben einige Freunde, meine Co-Founderin Agnes und ich uns bei 28 Grad im Juni in ein leeres Fabrikgebäude gesetzt und in Akkordarbeit die Proben verpackt. Das war schon echt ein Kraftakt. Da sind wir allen Helfer:innen super dankbar für ihre spontane Hilfe. Aber auch das ist Startup. Tun was getan werden muss und mit dem Rückhalt der Freundinnen und Freunde etwas bewegen. Es macht einfach so unglaublich viel Spaß!

Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.

Foto (oben): Moolito