Welche Fragen sollten Gründer:innen an ihr Entwicklungsteam stellen?
Eine digitale Geschäftsidee, die das Potential hat, ein Game-Changer zu werden, entsteht entweder durch einen kreativen “Geistesblitz” – oder durch fundiertes Wissen über eine spezifische Branche.
Aber wie kann die Idee digital passgenau mit einem konsequenten Fokus auf die optimale Customer Journey umgesetzt werden?
Sind die Gründer*innen selbst auch IT-Expert*innen, dürfte es kaum Hindernisse auf dem Weg dorthin geben. Ist das nicht der Fall, müssen sie sich auf das IT-Team verlassen.
In der Praxis zeigt sich immer wieder: Bedingt durch die Komplexität der IT-Materie und Prozesse, können bei der Entwicklung Missverständnisse aufkommen und relevante Feinheiten im “Übersetzungsprozess” zwischen Gründer*innen und ihren CTOs verloren gehen.
Denn beide haben meist unterschiedliche Agenden: Die CTOs wollen den perfekten, leanen Code; die CEOs haben vor allem ein tragfähiges Business-Modell im Blick.
Dies führt sicherlich zu einem spannenden Business-Case, nicht aber zwangsläufig zu einer skalierbaren IT-Architektur. Bei solch einem Mismatch werden Mängel in der Betriebsphase meist immer offensichtlicher und kostspielige Anpassungsmaßnahmen notwendig. Zusätzliche Koordinierungsschleifen, die berüchtigte Kehrtwende und Verzögerungen sind die Folge.
Eine agile, flexible und anpassungsfähige IT-Architektur ist aufwändig zu programmieren – aber nicht unerreichbar.
Hier sind basierend auf meiner subjektiven Erfahrung fünf Schlüsselfragen und Prinzipien, die die Zusammenarbeit von CEOs und ihrem IT-Team kanalisieren.
Gibt es genug Vertrauen in das IT-Team?
Die erste Frage sollten sich Gründer*innen selbst stellen: Vertraue ich dem Team, dass sie die richtige Umsetzung finden? CTOs wissen oft sehr genau, wie das Projekt anzugehen ist und wie die komplexen Prozess-Herausforderungen bewältigt werden können.
Vermeiden sollte man während des laufenden Projekts Mikromanagement und zu häufige Turnarounds. Ebenfalls ein Faktor: Unrealistische Unternehmensziele. Das Team sollte in einem agilen Umfeld über die notwendige flexible Entscheidungsgeschwindigkeit verfügen.
Ist die Plattform wirklich kundenorientiert?
Die Nutzererfahrung muss bei allen Entwicklungsbemühungen im Vordergrund stehen. Ist die Plattform also kundenfreundlich? Man kann gar nicht kundenfreundlich genug sein. Und wenn man glaubt, man sei es bereits, sollte man noch einen Schritt weitergehen.
Wenn Kund*innen die Plattform nicht gleich verstehen, leidet die Nutzung. Die wichtige Frage: Gehen wir wirklich konsequent von der Customer Journey und von den Bedürfnissen der jeweiligen Kund*innen aus?
Man sollte das Team stets fragen, ob ein 18-jähriger Tiktok-Native die Plattform genauso leicht versteht wie ältere Generationen. Es schadet auch fast nie, im Vorfeld die angepeilte Zielgruppe zu befragen.
Ist der Code einfach und lean?
Einfachheit muss das Prinzip des Codes sein. Man sollte vermeiden, den Code unnötig komplex zu gestalten. Wurde z.B. das KISS-Prinzip angewandt? KISS ermutigt Entwickler*innen, den Code so einfach wie möglich zu schreiben.
Auch das DRY-Konzept (‘Don’t Repeat Yourself’) ist brauchbar; dies ist ein beliebter Softwareentwicklungsansatz der darauf abzielt, die Wiederholung von Programm-Modellen durch Abstraktionen oder die Vermeidung von Redundanzen durch Datenstandardisierung zu verhindern.
Die Verringerung der Komplexität sollte überhaupt im Team eine wichtige Rolle spielen: Ist der Code für alle von C- bis Junior-Level leicht zu verstehen? Der Code sollte also so einfach und elegant wie die Designlinie einer großen Verbrauchermarke sein: immer einfach gestaltet, aber elegant und intuitiv zu bedienen.
Outsourcing nach der Methode von Wardley
Soll die Plattform schnell umgesetzt werden, sehen viele die Zusammenarbeit mit einer Outsourcing-Agentur als erste Option an, vor allem, wenn man sich noch in einer frühen Phase befindet.
Ich glaube, dass es besser ist, einen Interim-CTO bzw Vice President zu haben, der sich um die Einstellung der Expert*innen kümmert. Sie sollten keine Entwickler*innen ohne ein reguläres, internes Vorstellungsgespräch einstellen, da Dienstleister in der Regel versuchen, neuen Kunden die jeweils verfügbaren freien Entwickler*innen zuzuweisen.
Um ehrlich zu sein: Es ist selten, dass gute Leute auf ein Projekt warten. Aber Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel.
Erst wenn man selbst weiß, welche Projekte den größten geschäftlichen Nutzen für einen selbst bringen und die größte Wirkung absehbar ist, sollte man bereit sein, auszulagern.
Ich empfehle hier das sogenannte Mapping-Prinzip von Wardley zu befolgen, ein Open-Source-Tool, das einem hilft, den Bereich, indem man tätig ist, auch wirklich zu verstehen und fundierte und intelligente strategische Entscheidungen darüber zu treffen, was man tun muss, um künftig erfolgreich zu sein.
Zeigen wir genug Wertschätzung?
Eine offene Kommunikation ist für jede Beziehung entscheidend, auch am Arbeitsplatz. Auch wenn es ein No-Brainer ist: Man muss sie fördern und eine regelmäßige, wertschätzende Feedbackkultur etablieren.
Unternehmen werden zudem immer diverser. 15-40 Nationalitäten in einem IT-Team sind kein Sonderfall mehr, sondern gelebte Vielfalt.
Ist sich das Team dieser bereichernden Unterschiede bewusst? Es kann zum Beispiel nicht schaden, zu wissen, welches Teammitglied welche speziellen Feiertage feiert, um dann zu gratulieren.
Last but not least: Gibt es eine Unternehmenskultur, in dem nicht nur alle eingespielt sind und Mitarbeiter*innen und Kolleg*innen z.B. ein Sabbatjahr oder Elternzeit nehmen oder kündigen können, ohne dass dies den Frustrationsgrad des Teams erhöht und den Arbeitsfluss behindert?
Auch die Kosten des Wissensverlusts sollten vermieden und eine Kultur etabliert werden, die die Mitarbeiter zum Austausch von Wissen und Prozessdokumentation ermutigt.
Mit den fünf genannten Schritten kommt man der perfekten Plattform ein Stück näher. Wichtig ist, die richtigen Fragen zu stellen und optimale Bedingungen zu schaffen.
Über den Autor
Alex Di Mango ist Head of Engineering bei @limehome, einem schnell wachsenden HospitalityTech aus München. Er hat einen Master-Abschluss in Computer Engineering von der Università di Bologna und arbeitet seit vielen Jahren in der IT-Branche.
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