Copycat erwünscht!
Kaffee ist seit Jahrzehnten das beliebteste Getränk der Deutschen – mit einer rasanten Entwicklung. Von der „Kantinen-Plörre“ hin zum Lifestyle-Produkt. Kaffee ist heute auch Statement. Umso schöner zu sehen, dass die Zeit der Alukapsel vorbei scheint und wir uns gerade eher in der “Third Wave of Coffee” befinden. Eine Bewegung, die gerade aus den USA zu uns herüber schwappt und uns viele neue, kleine Kaffeeröstereien beschert. “From Tree to Cup” heißt es dann und bedeutet ganz konkret: höhere Qualität, mehr Handwerk, Sorgfalt – und vor allem wahrhaftige Nachhaltigkeit. Eine gewisse Verhipsterung gibt es gratis dazu. Sie mag den ein oder anderen zum Schmunzeln oder auch Kopfschütteln bringen, aber die Motive dahinter sind zielführend für die gesamte Branche.
Schluss mit Kolonialismus-Kaffee
Die Kaffeeindustrie befindet sich noch immer in ihren kolonialistischen Strukturen: Vorteile und Gewinne für die Industrieländer, niedrige Löhne und volles Risiko bei den Kaffeebauern. Fair Trade und die aktuelle Siegelflut helfen uns hier leider nachweislich nicht weiter, um das System wirklich zu verändern. Ja, sie beruhigen die Verbraucher:innen, aber sie kaschieren die Probleme und erhöhen letztlich nur die Gewinne der heimischen Rösterein. Wir brauchen also dringend mehr Nachhaltigkeit, Transparenz und soziale Gerechtigkeit. Denn das ist nicht nur essentiell für das Überleben von über 12,5 Millionen Kaffee-Kleinbauern und deren Familien. Sondern sichert auch die Zukunft des Kaffees, der durch den Klimawandel massiv bedroht ist. Machen wir so weiter wie bisher, ist das “beliebteste Getränk der Deutschen” in weniger als 80 Jahren Geschichte. Qualitativ hochwertiger Kaffee aus traditionellem Anbau stirbt zuerst und dann sind wir da, wo wir schon mal waren: bei ungenießbarer Plörre, produziert unter katastrophalen Bedingungen.
Kaffeegenuss sollte allen schmecken – nicht nur uns
Das muss doch besser gehen, oder? Das war der naive Gedanke meiner Mitgründer Robert Bach, Moritz Waldstein und mir. So haben wir vor über 10 Jahren Coffee Circle in Berlin gegründet. Was haben wir gemacht?
Wir haben ein Produkt geschaffen, das…
… geschmacklich ausgezeichnet ist
… uns dadurch hohe Wiederkaufraten sichert
… einen innovativen Direct-to-Consumer-Vertriebsweg ohne Zwischenhändler geht
… eine faire Wertschöpfungskette mit hohen Kaffeepreisen für die Bauern schafft
… aktive soziale Projektarbeit betreibt, denn
… pro 1 Kilo verkauften Kaffee fließen 1 EUR in Projekte der jeweiligen Anbauländer
In dieser Konsequenz macht das bis heute kein anderer Röster in Deutschland, erst recht nicht die großen Player. War das ein einfacher Weg bis dahin? Auf gar keinen Fall. Aber das Kämpfen hat sich gelohnt. Heute haben wir mehr als 4 Mio. Euro in den Anbauländern investiert und haben damit einen positiven Effekt für mehr als 500.000 Menschen geschaffen. Unser Weg soll nicht nur ein Vorbild für die Kaffeeindustrie werden, sondern auch auf andere Branchen abstrahlen.
Wenn wir nachhaltigen Kapitalismus und Konsum wollen, brauchen wir mehr Verantwortung von Unternehmer:innen und Investoren, vom Management und jedem einzelnen Mitarbeitenden. Wir brauchen breitere Ziele als nur finanzielle. Geld zu verdienen ist wichtig, aber es ist für uns vor allem ein Mittel zum Zweck, kein Selbstzweck. Mit Geld können wir mehr für unsere Stakeholder, die Gesellschaft und die Umwelt tun. Und das sichert, einfach gesagt, unsere Zukunft. Das sehe ich als die Aufgabe unserer Generation an.
Glücklicherweise sind wir inzwischen nicht mehr allein mit dieser Einstellung. Die Gründung von Social Businesses hat sich weltweit vervielfacht, die Pipeline von Zertifizierungen wie „B-Corp“ ist überlaufen. Der Gründer von Patagonia hat jüngst seine Firma der Erde überschrieben. Und es werden zunehmend Gelder für Impact-Investing allokiert, die teilweise bewusst und nachvollziehbar dem klassischen Venture-Capital-Ansatz widersprechen.
Je mehr Gründer:innen sich für diese Art von Wirtschaften begeistern, desto besser für uns alle. Und gerade in aktuell wirtschaftlich schwierigen Zeiten sollten wir versuchen, den Gedanken der sozialen Gerechtigkeit und ökologischen Nachhaltigkeit nicht zu kompromittieren – sondern zu forcieren. Nicht zuletzt, um künftigen Krisen vorzubeugen.
Über den Autor
Martin Elwert ist Gründer und CEO des Impact-Startups Coffee Circle. 2010 gründete der ehemalige Unternehmensberater gemeinsam mit Robert Bach und Moritz Waldstein-Wartenberg das Berliner Unternehmen. Martin ist ebenfalls Aufsichtsratsvorsitzender von B-Corp in Deutschland. Coffee Circle hat mittlerweile über 70 Mitarbeiter:innen und über 150.000 aktive Kund:innen.
Startup-Jobs: Auf der Suche nach einer neuen Herausforderung? In der unserer Jobbörse findet Ihr Stellenanzeigen von Startups und Unternehmen.